Krieg in der Ukraine Schon jetzt mehr Flüchtlinge als in der Kosovo-Krise 1999

Red.

20.5.2022

Bund und Kantone ziehen Zwischenbilanz zu Ukraine-Flüchtlingen

Bund und Kantone ziehen Zwischenbilanz zu Ukraine-Flüchtlingen

Bund und Kantone ziehen nach rund drei Monaten Krieg in der Ukraine eine Zwischenbilanz zur Aufnahme von Flüchtlingen – das Zusammenspiel funktioniere grundsätzlich gut. Die Suche nach Unterkünften bleibe aber eine Herausforderung.

20.05.2022

Der Krieg in der Ukraine hat in Europa die grösste Flüchtlingsbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Bundesrätin Karin Keller-Sutter zieht ein positives Fazit von der Aufnahme von Flüchtlingen. Trotzdem gibt es offene Fragen. 

Red.

Das Wichtigste

  • Seit Beginn des Krieges in der Ukraine haben fast 50'000 Ukrainer*innen in der Schweiz den Schutzstatus S erhalten. 
  • In den letzten zwei Monaten sind mehr Flüchtlinge in die Schweiz gekommen als insgesamt in der Kosovo-Krise 1999.
  • Rund 25'000 Personen leben aktuell in Privatunterbringungen.
  • Bundesrätin Karin Keller-Sutter lobt die «beispiellose Solidarität» aller Akteure in der Schweiz.
  • Liveticker
    Neue Beiträge
  • Liveticker beendet
  • 14.08 Uhr

    Die Medienkonferenz ist beendet

    Das war's: Es gibt keine Fragen der Journalist*innen mehr. Wir danken für das Interesse. 

  • 14.07 Uhr

    Wie viele Fälle von Missbrauch des Status S sind entdeckt worden?

    Es habe nur Fälle gegeben, bei denen der Schutzstatus S abgelehnt worden sei. Über Missbrauchsfälle könne sie nichts sagen, sagt Keller-Sutter. SEM-Chefin Christine Schraner Burgener fügt an, einige wenige Personen hätten versucht, den Schutzstatus S mit gefälschten Ausweisen zu erhalten. Deshalb seien sofort Experten eingesetzt worden, die die Echtheit von Ausweisen prüfen.

  • 14.05 Uhr

    Haben russische Kriegsdeserteure die Möglichkeit für den Schutzstatus S?

    Nein, sagt Keller-Sutter. Der Schutzstatus S sei für die kollektive Aufnahme von grossen Gruppen gemacht, die von Krieg und Gewalt bedroht seien. Russ*innen können ein Gesuch stellen. In Russland herrsche kein Krieg. Es sei auch nicht möglich, dass nur ein einzelnes Land quasi einen temporärer Schutzstatus S ausspreche. Alles müsse mit den anderen Aufnahmeländern koordiniert werden.

  • 14.01 Uhr

    Was sind die Überlegungen bei Kurz-Reisen? 

    Derzeit würde sich in den Kantonen abzeichnen, dass die Auslandsreisen auf 15 Tage begrenzt würden, ohne dass Ukraine-Flüchtlinge dann den Status S und damit ihr Anrecht auf Sozialhilfe verlieren werden, sagt Keller-Sutter. Es gehe mit der Einschränkung darum, möglichen Missbrauch zu verhindern und Solidarität und Glaubwürdigkeit zu behalten, so Keller Sutter.

  • 13.56 Uhr

    «Wir würden international ein eigenartiges Bild abgeben»

    Ein Journalist will wissen, ob es möglich sei, den Schutzstatus S auf bestimmte Regionen in der Ukraine einzugrenzen. Keller-Sutter antwortet, die Sicherheitslage in der Ukraine erlaube das nicht. Der internationale Fokus sei zwar auf dem Donbass und auf Mariupol, trotzdem werde auch an anderen Orten weiterhin gekämpft. Ausserdem wäre es international etwas komisch als einziges Land im Schengenland zu behaupten, in der Ukraine sei es sicher. Sollte der Schutzstatus-S deaktiviert werden, könne das nur zusammen mit anderen Schengen-Staaten beschlossen werden. «Wir würden international ein eigenartiges Bild abgeben», sagt Keller-Sutter.

  • 13:54 Uhr

    «Sie standen mit vollen Migros-Säcken da»

    Auch Keller-Sutter kennt Personen, die ukrainische Flüchtlinge aufgenommen habe. Sie erzählt eine Anekdote von ihren Bekannten, die ihre ukrainischen Gäste in Zürich auf der Strasse gesehen haben mit vollbepackten Migros-Säcken. Sie hätten sie darauf hingewiesen, dass es zu Hause alles Notwendige im Kühlschrank gebe. Die Ukrainer*innen hätten geantwortet, dass man vorsorgen müsse, da Krieg herrsche. Es sei ihnen also nicht sofort klar, dass sie hier in der Schweiz sicher sind.

  • 13.50 Uhr

    Einschränkungen beim öV

    Die Ukrainer*innen dürfen nicht mehr gratis öV fahren. Was hält der Bund davon? Die Ukrainer*innen könnten einen Reisecheck beziehen, um etwa Behördengänge oder Besuche beim Arzt zu machen. «Wir sind uns aber bewusst, dass dieser Entscheid die Mobilität der Ukrainer*innen massgeblich einschränkt», sagt Barth.

  • 13:49 Uhr

    Wie hoch sind die Kosten?

    Bis zu 100'000 Ukrainische Flüchtlinge könnten in die Schweiz kommen. Was heisst dies aus finanzieller Perspektive? Der Bundesrat rechnet mit Kosten von etwa 1,2 Milliarden Franken. «Doch handelt es sich hier nicht um einen planbaren Budgetposten» so Keller-Sutter. Zudem würden die Kosten auch stark vom weiteren Verlauf des Kriegs abhängen.

  • 13.43 Uhr

    Die Fragerunde beginnt

    Braucht es angesichts der stabilisierten Lage eine Limitierung des Status S? «Nein,», sagt Karin Keller-Sutter. Denn in der Ukraine würden weiter Bomben fallen und im Osten des Landes gebe es noch immer Bodenkämpfe. Der Schweizer Nachrichtendienst sei noch nicht zum Schluss gekommen, dass es in der Ukraine sicher sei. Sämtliche westlichen Nachrichtendienste kämen zu diesem Schluss. «Die Aktivierung wie auch die Deaktivierung des Status S muss in Absprache mit den anderen Schengen-Staaten passieren.» 

  • 13:42 Uhr

    Zugang zum Arbeitsmarkt ist zentral

    Das Ziel bei den aus der Ukraine einreisenden Personen sei, dass sie unter anderem Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. «Denn sie sind in einer sehr vulnerablen Situation und leiden unter Umständen unter posttraumatischem Stress», sagt Barthoulot weiter. Die Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden funktioniere gut. «Derzeit zeigen sich die Arbeitgeber solidarisch.» 

  • 13.36 Uhr

    Einschulungen funktioneren

    Die Präsidentin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK), Nathalie Barthoulot, bedankt sich bei allen Stellen. Die Kantone hätten schnell auf die Bevölkerung zählen können, sagt sie. Die Kinder konnten schnell eingeschult werden. Man habe die Situation aber langfristig zu betrachten und dürfe nicht kurzfristig agieren.

  • 13.33 Uhr

    Evaluation des Schutzstatus S

    Keller-Sutter sagt, der Schutzstatus solle durch externe Fachleute evaluiert werden. So ginge es darum herauszufinden, was sich beim Status bewährt habe und was nicht. Auch solle der Status im Kontext des Schweizer Asylwesens bewertet werden. Die Evaluation solle nach einem Jahr erfolgen, wenn auch der Bundesrat über die Verlängerung entschieden hat. Ansonsten müsse man sagen: «Das Asylsystem funktioniert. Es ist nicht zusammengebrochen.» 

  • 13.31 Uhr

    Begrenzung der Reisedauer in die Ukraine

    Keller-Sutter erklärt, dass künftig kurze Reisen der Flüchtlinge von bis zu 15 Tage in die Ukraine möglich sein sollten, wobei nicht klar sei, ob das einmalig gelte oder womöglich pro Quartal. Würden sie sich aber länger im Herkunftsland aufhalten, würden sie den Schutzstatus S verlieren. So will man möglichen Missbrauch der Leistungen verhindern.

  • 13.29 Uhr

    Weitere Suche nach Unterkünften

    Das Zusammenspiel zwischen Bund und Kantonen funktioniere gut, resümiert Keller-Sutter. Doch man müsse flexibel bleiben. Man wisse nicht, wie lange der Krieg dauert und die Zahl von 400 Personen am Tag könne rasch wieder sprunghaft steigen. So oder so rechne man mit etwa 10'000 Asylgesuchen im Monat. Bund, Kantone und Gemeinden müssten weiter nach Unterkünften Ausschau halten, denn es könne auch gut sein, dass Private das nicht länger übernehmen wollten. 

  • 13.27 Uhr

    Dank an alle Beteiligten

    Insgesamt habe sich die Lage bei der Unterbrinung beruhigt, so Keller-Sutter. Flüchtlinge könnten nun auch einen Tag zuvor einen Termin für eine Registrierung buchen.

    Bereits am 11. März habe sie die Solidarität der Bevölkerung angesprochen und erklärt, wie gross diese sei. Auch brauche es dafür gute Behördenarbeit, so Keller-Sutter. Sie wolle der Bevölkerung, den Kantonen, den Organisationen, Ämtern, Schulen und Arbeitgebern für ihre Hilfe danken. 

  • 13.25 Uhr

    Flüchtlinge wollen in Zentren

    Viele Vertriebene seien zunächst in den grossen Städten wie Bern und Zürich angekommen, sagt Keller-Sutter. Das sei aber nichts Spezifisches. In Deutschland etwa, hätte ihre deutsche Amtskollegin erklärt, seien alle in Hamburg, Berlin und anderen Grossstädten. Häufig hätten Flüchtlinge Bedenken, dass sie auf dem Land abgekoppelt werden und befürchten, dass es keine Strassen und keinen öffentlichen Verkehr gibt. Und das habe zu einer unterschiedlichen Belastung von Kantonen und Gemeinden geführt. Inzwischen habe man den Verteilschlüssel wieder konsequenter angewendet und man habe diesen fast wieder erreicht. 

  • 13.21 Uhr

    Unterbringung im Griff

    Zusammenfassend könnte man zur Unterbringung der Flüchtlinge  sagen, dass Bund und Kantone die Lage im Griff hätte, so Keller-Sutter. Allerdings könne sich das je nach Kriegsverlauf schnell ändern. Das SEM habe dank der guten Zusammenarbeit mit dem VBS die Plätze von rund 6000 auf rund 9000 erhöhen können. Auch hätten die Kantone schnell Tausende Plätze organisiert. Privatpersonen hätten rund 25'000 Flüchtende aufgenommen. Nur in 4000 Fällen hätte die Schweizerische Flüchtlingshilfe Personen vermittelt, die restlichen hätten sich privat organisiert. Insgesamt seien über 12'000 Kinder im schulpflichtigen Alter.

  • 13.16 Uhr

    Die Medienkonferenz beginnt

    Bundesrätin Karin Keller-Sutter, Vorsteherin Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), ergreift das Wort. Sie sagt, dass seit Kriegsbeginn noch nicht drei Monate vergangen seien und ein Ende nicht in Sicht sei. Man wolle nun eine gemeinsame Zwischenbilanz ziehen. In den drei Monaten seien dreimal so viele Flüchtlinge in die Schweiz gekommen, wie sonst in einem ganzen Jahr. Bis zu 1800 Gesuche gingen stellenweise pro Tag in den Bundesasylzentren ein. Das sind mehr als normalerweise in einem Monat eingehen. Das habe natürlich viele Probleme mit sich gebracht. 

Das ist die Ausgangslage

Rund drei Monate dauert der Krieg in der Ukraine bereits. Seither sind laut dem UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge 6,4 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer aus ihrem Heimatland geflüchtet.

Auch die Schweiz sieht sich mit der grössten Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg konfrontiert: Bis Donnerstag wurden hierzulande 50'328 Flüchtlinge gezählt, 49'157 von ihnen haben den Schutzstatus S erhalten. In nur zwei Monaten seien damit mehr Menschen in die Schweiz gekommen als insgesamt in der Kosovo-Krise 1999.

Bund, Kantone, Hilfswerke und Private hätten in dieser Situation mit einer «beispiellosen Solidarität» reagiert, um den Geflüchteten in der Schweiz Schutz zu bieten. Erstmals sei der Schutzstatus S für Flüchtlinge angewendet worden und der Bundesrat habe rasch eine zusätzliche finanzielle Hilfe für den Spracherwerb beschlossen.

Gross sei auch die Solidarität in der Bevölkerung – von den 25'000 Personen, die privat untergebracht seien, hätten rund 21'000 selbstständig einen Platz gefunden. Rund 4000 Personen wurden laut EJPD durch die Schweizerische Flüchtlingshilfe vermittelt. Dies zeige, wie «gut die Bewältigung dieser historischen Krise in der Schweiz unter hohem Zeitdruck funktioniert, auch wenn nicht auf Anhieb alles immer perfekt lief».

Suche nach Unterkünften geht weiter

Mittlerweile kämen, weniger Schutzsuchende in der Schweiz an, doch der Krieg sei noch nicht vorbei. Es ist laut EJPD damit zu rechnen, dass weiterhin monatlich über 10'000 Personen aus der Ukraine in der Schweiz Schutz suchen werden. Hinzu kämen rund 1500 Asylsuchende pro Monat aus anderen Staaten. Die Suche nach Unterbringungsmöglichkeiten müsse darum weitergehen.

Eine von Bundesrätin Karin Keller-Sutter eingesetzte Evaluationsgruppe soll die Herausforderungen und Fragen identifizieren, die sich bei der Anwendung des Schutzstatus S stellen. Sie soll auch den Schutzstatus S im Kontext des Schweizer Asylsystems beurteilen, wie es weiter hiess.

Wie läuft es mit der Versorgung und Integration der Ukrainer*innen? Und wo sehen Bund und Kantone noch Handlungsbedarf? Bundesrätin Karin Keller-Sutter und die Präsidentin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK), Nathalie Barthoulot, ziehen ab 13.15 Uhr Zwischenbilanz.

Bundesrätin Karin Keller-Sutter spricht an der Seite von Nathalie Barthoulot, Präsidentin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren, links, und Christoph Nufer, Kommunikationschef EJPD über die Zwischenbilanz der Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge nach knapp drei Monaten Krieg.
Bundesrätin Karin Keller-Sutter spricht an der Seite von Nathalie Barthoulot, Präsidentin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren, links, und Christoph Nufer, Kommunikationschef EJPD über die Zwischenbilanz der Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge nach knapp drei Monaten Krieg.
KEYSTONE/Anthony Anex