Ukraine-Flüchtlinge «Der Zustrom flacht ab»

Red.

9.6.2022

Gaby Szöllösy, Generalsekretärin, Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren SODK, informiert zur Lage bei den Flüchtlingen in den Kantonen. 
Gaby Szöllösy, Generalsekretärin, Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren SODK, informiert zur Lage bei den Flüchtlingen in den Kantonen. 
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Der Krieg in der Ukraine geht weiter, doch inzwischen kehren auch viele Menschen wieder ins Land zurück. Expert*innen von Bund und Kantonen informierten, wie sich die Flüchtlingssituation in der Schweiz entwickelt hat.

Red.

Das Staatssekretariat für Migration (SEM) toleriert Heimataufenthalte von ukrainischen Flüchtlingen. Als Richtwert dient ihm dabei ein Aufenthalt von etwa 15 Tagen pro Quartal. Allerdings zeigt es sich je nach Grund konziliant, wie David Keller, Leiter des Krisenstabs Asyl im Staatssekretariat für Migration (SEM), am Donnerstag vor den Bundeshausmedien in Bern ausführte.

Sei jemand länger weg, etwa weil ihn ein Todesfall länger aufhält, entziehe ihm das SEM nicht den Status, erklärte Keller. Jeder Einzelfall werde geprüft. Wenn sich allerdings jemand über 60 Tage lang nicht in der Schweiz aufhalte, ende auch der Schutzstatus.

Laut Keller sind zudem etwa 200 Geflüchtete bereits wieder ausgereist. Das SEM verfügte für sie den Entzug des Schutzstatus. Wie er weiter ausführte, sind inzwischen 55'300 Ukraine-Flüchtlinge auf die Kantone verteilt. 53'000 verfügten über den S-Status. In 260 Fällen entschied das SEM gegen eine Erteilung oder nimmt weitere Abklärungen vor.

Allgemein habe sich die Lage beruhigt, stellte Keller fest. Derzeit treffen seinen Angaben zufolge 5000 bis 6000 aus der Ukraine geflüchtete Menschen pro Monat ein. Das könne der Bund handhaben.

Kantonale Unterschiede bei den Beiträgen für Flüchtlinge

Gaby Szöllösy, Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK), führte auf der Medienkonferenz aus, dass die Beiträge für Ukraine-Flüchtlinge je nach Kanton variieren würden. Diese Leistungen liessen sich laut Szöllösy allerdings nur bedingt vergleichen. 

Es gebe nicht eine grosse Pauschale, die aus der Ukraine geflüchtete Menschen vom zuständigen Kanton erhalten, erklärte sie. Vielmehr teilten sich die Beiträge in eine kleine Pauschale und dazu individuelle Leistungen auf: Sie variierten vom Musikunterricht bis hin zur Babynahrung.

Einige Kantone entrichteten zudem etwa eine Freizeitpauschale, andere einen Beitrag für den öffentlichen Verkehr oder Taschengeld. Bei mehreren Kantonen bestehe zudem eine Anreizpolitik, so Szöllösy. Jemand, der an einem Sprachkurs teilnehme, könne dann etwa eine Motivationszulage bekommen. 

Auch für den Grundbedarf für eine erwachsene Person variieren die Beiträge. Lebt die Person in einer individuellen Unterkunft, erhält sie laut Szöllosy zwischen rund 10 Franken und gut 27 Franken. In einer kollektiven Unterkunft – wo die Miete oft entfalle und teilweise auch die Essenskosten – zwischen 6 und 15 Franken pro Tag. Die Beiträge seien degressiv je nach Anzahl Personen in einem Haushalt. Eine vierköpfige Familie erhalte so je nach Kanton gut 35 bis 62 Franken.

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  • 14.50 Uhr

    Die Medienkonferenz ist beendet

    Wir danken für das Interesse.

  • 14.45 Uhr

    Welche Herausforderungen kommen in den nächsten Woche auf die Kantone zu?

    Ein Problem sei sicher, dass die Datenbanken hinsichtlich der Unterbringung nicht immer aktuell seien, sagt Szöllösy. Die Kantone müssten mitunter neue Gastfamilien für die Flüchtlinge finden. Das sei sicher die zentrale Herausforderung. Dazu komme, dass vor allem Familie mit Kindern in längeren Unterbringungsverhältnissen bleiben sollten, damit Kinder nicht die Klasse wechseln müssten.

  • 14.44 Uhr

    Stichwort Asylzentren

    «Wir haben weiterhin gut 9000 Plätze zur Verfügung. Die Hälfte davon ist frei», sagt Keller. Der Bund versuche die Kantone zu unterstützen, indem die Geflüchteten länger in den Asylzentren bleiben. Das könne nun garantiert werden. Szöllösy ergänzt, das entschleunige die Lage bei den Kantonen, die mitunter lange brauchen, um etwa für vielköpfige Familien eine Unterkunft zu finden.

  • 14.41 Uhr

    Was sind die Argumente der Kantone, die keine Gastfamilien finanzieren wollen?

    Sie habe die Argumente hier nicht genau nachgefragt, sagt Szöllösy. Die entsprechenden drei Kantone wollten allerdings Mietverhältnisse, etwa durch abgeschlossene Einiegerwohnungen, begünstigen, habe sie rausgehört. Es sei also nicht so, dass diese Kantone gar nichts zahlen würden. Es handle sich aber um die Setzung eines anderen Anreizes. Es zeige sich zudem, dass es in den Fällen bei den Gastfamilien und den Flüchtlingen länger halte.

  • 14.38 Uhr

    Müssen arbeitende Geflüchtete zahlen?

    Immer mehr Geflüchtete arbeiten: Müssen sich diese an Kosten beteiligen? Szöllösy erklärt, es laufe wie bei der Schweizer Bevölkerung: Wer eine existenzsichernde Arbeit hat, bekomme keine Leistungen. Wer Teilzeit arbeitet, habe Anspruch auf weniger Geld. Mitunter muss bei ausreichendem Einkommen eine eigene Wohnung gesucht oder die Gastfamilie selbst entschädigt werden.

  • 14.36 Uhr

    Was sagen sie zu den offenbar menschenunwürdigen Zuständen in einer Flüchtlingsunterkunft in Bern?

    «Dazu kann ich nichts sagen, weil ich das Projekt nicht kenne», sagt Szöllösy. Sie habe das Flüchtlingslager in Bern auch nicht inspiziert. Das gehöre aber auch nicht zu ihren Aufgaben, denn das sei die Sache der Kantone. «Bitte wenden Sie sich hier direkt an Bern», sagt sie dem Journalisten.

  • 14.35 Uhr

    Kinder von Geflüchteten

    Szöllösy betont, die Kantone hätten sich um Unterricht und Betreuung von Kindern gekümmert. «Die Schweiz hat schnell und rechtzeitig gehandelt.»

  • 14.30 Uhr

    Kritik an Kollektivunterkünften

    Wie eng begleiten Bund und Kantone den Bau von Kollektivunterkünften? Szöllösy sagt, die Kantone hätten dafür keine Richtlinien und kontrollierten den Bund auch nicht. Gewisse Mängel seien erkannt wie etwa eine unzureichende Trennung der Geschlechter. «Es ist klar, dass man hier in Zukunft Empfehlungen machen wird», sagt sie. Eine komplette Standardisierung durch die Kantone erwartet sie aber nicht.

  • 14.24 Uhr

    Die Fragerunde beginnt

    Wie viele Gastfamilien könnten ihr Engagement denn nun beenden? Das will eine Journalistin wissen.

    Das wisse man derzeit nicht, sagt Szöllösy. Deshalb würden einige Kantone die Gastfamilien bereits befragen, um zu erkennen, was auf sie zukomme. Man müsse aber generell sagen, dass die Zivilgesellschaft «wahnsinnig geholfen» habe, erklärt Szöllösy. Sie habe auch Verständnis, dass Gastfamilien nach drei Monaten ihr Engagement beenden würden.

  • 14.23 Uhr

    Kosten für die Kantone

    Die Kantone zahlen pro Erwachsenen in individueller Unterkunft zwischen 9,70 und 26,80 Franken pro Tag, in einer Gemeinschaftsunterkunft sind es zwischen 6 und 15 Franken. Bei einer mehrköpfigen Familie sind es in individueller Unterkunft zwischen 35 und 62,40 Franken pro Tag, bei den Kollektivstrukturen zwischen 24 und 54,80 Franken. Die Zahlungen der Kantone liessen sich aber schwer vergleichen, weil die individuellen Leistungen derart variieren. Drei Kantone sehen keine Entschädigung für Gastfamilien vor, zahlen in Ausnahmefällen aber dennoch.

  • 14.19 Uhr

    Was die Kantone leisten

    Unterschiedliche Hilfsleistungen in Kantonen liessen sich nicht ohne Weiteres vergleichen, sagt Szöllösy. Der Bund empfiehlt den Kantonen, Geflüchtete mit Sachleistungen zu versorgen. Die Hilfe muss unter dem Grundbedarf für Einheimische liegen, wird aber von den Kantonen festgelegt. Nach Bedarf können sie zusätzliche Leistungen individuell genehmigen – wie etwa die Zahlung eines Klavierunterrichts, Sprachunterricht oder ÖV-Abonnemente. 

  • 14.15 Uhr

    Stichwort Krankenversicherung

    Personen, die Sozialhilfe beantragt haben, werden von den Behörden krankenversichert. Allen anderen wird geraten, sich an den Kanton oder die Sozialbehörden zu wenden, um die richtige Krankenversicherung auszusuchen.

  • 14.13 Uhr

    Müssen Kantone für Gastfamilien einspringen?

    Die Kantone, aber auch Hilfswerke hätten viel Personal einstellen müssen, das die Geflüchtete betreut sowie die Administration verstärkt. Einige Kantone arbeiten hier mit dem Zivilschutz zusammen, erklärt Szöllösy.

    Die Kantone müssten sich nun darauf vorbereiten, erste Personen zurückzunehmen, die in Gastfamilien untergebracht sind und dort mindestens drei Monate bleiben sollten. Diese Frist laufe nun ausgerechnet während der Sommerferien ab. Einige Kantone fragen deshalb die Gastfamilien gezielt an, um zu eruieren, ob der Aufenthalt verlängert werden kann. Die «Beständigkeit der Unterbringung» sei für die Kantone nach den Ferien besonders wichtig.

  • 14.09 Uhr

    «Der Druck hat etwas abgenommen»

    «Der Druck hat etwas abgenommen», sagt nun Gaby Szöllösy mit Blick auf schutzbedürftige Geflüchtete. Die Kantone hätten aktuell 9000 freie Betten gemeldet, was gut 1000 mehr seien als zuvor. Es seien zusätzliche Plätze geschaffen worden, obwohl der Zustrom abschwäche. Im Notfall könnten auch zusätzliche Plätze in Zivilschutzanlagen geschaffen werden.

  • 14.07 Uhr

    Schutzstatus S wurde 200 Personen entzogen

    Wer 15 Tage im Quartal in die Heimat reist, sei auf der sicheren Seite, sagt Keller. Das sei ein Richtwert. Wer die Schweiz länger verlasse, werde überprüft: Wenn es etwa um eine Beerdigung gehe, sei der Bund in solchen Fällen kulant. Rund 200 Personen wurde der Schutzstatus S aberkannt, weil sie nicht mehr vor Ort seien. Wer seit 60 Tagen verschwunden sei, verliere den Status, so Keller. Es gebe aber auch Sonderfälle wie denen eines ukrainischen Matrosen, dessen Abwesenheit in der Einzelfallprüfung nicht sanktioniert worden sei.

  • 14.04 Uhr

    Schutzstatus S: 260 Ablehnungen

    53'000 Personen hätten den Schutzstatus S bekommen, nur bei 260 Geflüchteten wurde der Antrag abgelehnt oder werde noch geprüft. Es gebe durch den Krieg in der Ukraine viermal so viele Asylgesuche wie normal. Keller sagt, der Bund könne diese Menge «handhaben», doch die Kantone würden auch viel Last tragen.

  • 14 Uhr

    Beginn der Pressekonferenz

    David Keller macht den Anfang. «Die Zahlen sind nicht erstaunlich», sagt der Leiter Krisenstab Asyl: Man gehe weiter davon aus, dass 80'000 bis 120'000 Geflüchtete in der Schweiz landen werden. Man rechne nun mit 1000 bis 1500 Eintritte pro Woche – zuvor habe es so viele Geflüchtete am Tag gegeben.

Bereits mehr als 100 Tage dauert der Krieg in der Ukraine und eine Ende ist nicht in Sicht. Entsprechend gross bleiben die Flüchtlingsbewegungen: Wie das UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR mitteilt, sind bis heute Donnerstag rund 7,3 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen, in verschiedenen europäischen Ländern wurden 4,8 Millionen ukrainische Flüchtlinge registriert.

In der Schweiz haben bis Mittwoch 55‘892 Personen aus der Ukraine Anträge für den S-Status gestellt, teilte das Staatssekretariat für Migration SEM mit. 53‘125 dieser Personen haben den Status S bereits erhalten.

Zuletzt hat das UNHCR indes «vermehrt Pendelbewegungen»,  zwischen den Aufnahmeländern und der Ukraine festgestellt. Viele Menschen würden derzeit nämlich auch wieder zurück in die Ukraine gehen, «wenn ihre Heimatregionen als sicher gemeldet werden».

David Keller, Leiter Krisenstab Asyl beim Staatssekretariat für Migration SEM, spricht auf einer Medienkonferenz. (Archiv)
David Keller, Leiter Krisenstab Asyl beim Staatssekretariat für Migration SEM, spricht auf einer Medienkonferenz. (Archiv)
Bild: Keystone

Wie es um die Registrierung, Betreuung und Unterbringung der geflüchteten Menschen steht und wie sich ihre Verteilung auf die Kantone entwickelt, darüber informieren ab 14 Uhr Expertinnen und Experten von Bund und Kantonen.

Vor die Medien treten:

  • David Keller, Leiter Krisenstab Asyl, Staatssekretariat für Migration SEM
  • Gaby Szöllösy, Generalsekretärin, Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren SODK