KI-Forscherin der ETH «Wir stecken mitten in einer technischen Revolution»

Von Monique Misteli

9.5.2023

«Ich habe Angst, dass künstliche Intelligenz zu stark wird»

«Ich habe Angst, dass künstliche Intelligenz zu stark wird»

KI entwickelt sich rasant und wird immer mehr Teil unseres Alltags. blue News wollte von Zürcher*innen wissen, welche Erwartungen sie an die Software haben und ob ihnen die Technik auch manchmal Angst macht.

05.04.2023

Künstliche Intelligenz revolutioniert gerade Wirtschaft, Gesundheit und Gesellschaft. Das sagen Forschende. Doch was ist KI überhaupt und wie geht es weiter? Ein Erklärversuch.

Von Monique Misteli

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Künstliche Intelligenz ist gerade im Begriff, Wirtschaft, Gesellschaft, aber auch Politik und Staat zu revolutionieren.
  • Obwohl erste KI-Technologien seit Mitte der 1950-er Jahre existieren, wird deren Entwicklung erst seit wenigen Jahren von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen.
  • Erst die Fortschritte bei der Rechenleistung sowie die Verfügbarkeit und neue Algorithmen haben in den letzten Jahren zu bahnbrechenden Durchbrüchen in der KI geführt. 
  • Diese bergen sowohl grosse Chancen als auch gleichermassen Risiken.

Kannst du in ein bis zwei Sätzen erklären, was künstliche Intelligenz (KI) ist? Nein? Dann dürfte es dir wohl so gehen, wie den meisten Menschen hierzulande: eine vage Ahnung, irgendetwas mit Informatik, Codes, Algorithmen.

Zugegeben, es ist auch schwierig, eine allgemein gültige Definition zu formulieren, wenn der Kern von KI, nämlich «Intelligenz» und «intelligentes menschliches Verhalten» als Begriffe selbst nicht klar definiert sind.

Das Europäische Parlament definiert KI als «zukunftsweisende Technologie», die Fähigkeit einer Maschine, menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität zu imitieren. 

Arten von KI

Software: virtuelle Assistenten, Bildanalyse-Software, Suchmaschinen, Sprach- und Gesichtserkennungssysteme

Eingebettete KI: Roboter, autonom fahrende Autos, Drohnen, Anwendungen des Internets der Dinge

Menna El-Assady forscht am KI-Zentrum der ETH Zürich und beschreibt KI so: «KI ist ein Mustererkennungssystem, das auf Daten basiert ist.» Solche Muster kann das System beispielsweise in Textdaten oder in Bildern in Form von Objekte erkennen. Dabei empfängt das System Daten, die bereits über eigene Sensoren wie zum Beispiel mit einer Kamera vorbereitet oder gesammelt wurden, verarbeitet sie und reagiert darauf. KI-Systeme können ihr Tun anpassen, indem sie ihr früheres Handeln analysieren.

ETH forscht in vielen verschiedenen Bereichen

Dafür müssen die KI-Systeme trainiert werden. Und für dieses Training braucht es immer Daten. In der einfachsten Version gibt es einen Trainings-Datensatz, in dem man zum Beispiel einem Bilderkennungs-Algorithmus sagt: «Auf all diesen Fotos sind Katzen zu sehen, und auf jenen nicht» – dann lernt der Algorithmus sozusagen aus den Paaren von Bild und Beschreibung (Katze oder keine Katze), selbständig auf neuen Bildern zu erkennen, wo eine Katze drauf ist.

Genau dieser Vorgang passiert unter anderem am neuen KI-Zentrum der ETH. Über 60 Fellows forschen, entwickeln und sammeln zu den Grundlagen, Anwendungen und Auswirkungen künstlicher Intelligenz. 

Ein Beispiel: Elvis, der seine Doktorarbeit im Bereich Robotik schreibt, nutzt die maschinelle Erkennung von verschiedenen Gesten, die man mit der Hand machen kann, für die intelligente Steuerung einer Roboterhand. Das Tüfteln an einer Bewegung kann zwischen wenigen Tagen und einem Monat dauern. 

Andere Forscher am ETH AI-Center arbeiten an der Schnittstelle von Medizin, Gesundheit und maschinellem Lernen. Zum Beispiel trainieren sie Algorithmen darin, mit höchster Genauigkeit Krankheitssymptome auf Röntgenbildern zu erkennen.

Die ETH, eine der führenden Hochschulen, hat vor knapp  zweieinhalb Jahren ihr eigenes Forschungszentrum lanciert, das am Montagabend vom wissenschaftlichen Leiter des KI-Zentrums, Andreas Krause, am neuen Standort in Zürich-Oerlikon eröffnet wurde. Mit dem ETH AI Center will die Eidgenössische Technische Hochschule gemeinsam mit europäischen Partnern (neben den USA und China) eine entscheidende Rolle in der Forschung und Entwicklung von künstlicher Intelligenz einnehmen und für Unternehmen wie für die Gesellschaft zugängliche und inklusive Systeme entwickeln.

KI ist schon fast 70 Jahre alt

Auch wenn das alles für manche immer noch wie Zukunftsmusik klingt: KI existiert nicht erst seit ein paar Jahren. Erste Technologien reichen zurück bis in die 1950er Jahre. Und oft geht vergessen, dass KI im Leben der Menschen bereits allgegenwärtig ist. Etwa die personalisierte Werbung im Onlineshopping, virtuelle Sprachassistenten, die Fragen beantworten, Übersetzungstools, intelligente Thermostate, die die Temperatur zu Hause regulieren oder Wärmebildkameras bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen.  

So kann KI in Zukunft eingesetzt werden

Gesundheit: Forscher untersuchen derzeit, wie KI eingesetzt werden kann, um grosse Datenmengen zu analysieren und Muster zu finden, die zu neuen Erkenntnissen in der Medizin und zur Verbesserung von Diagnosen führen können. Etwa um Herzstillstände mithilfe eines sprachgesteuerten digitalen Assistenten schneller und genauer zu diagnostizieren.
Verkehr: KI könnte die Sicherheit, Geschwindigkeit und Effizienz des Schienenverkehrs verbessern, indem es die Reibung der Räder minimiert, die Geschwindigkeit maximiert und autonomes Fahren ermöglicht.
Landwirtschaft: KI kann zu einem nachhaltigen Lebensmittelsystem beitragen. Sie kann für gesündere Lebensmittel sorgen, indem der Einsatz von Düngemitteln, Pestiziden und Wasser minimiert, die Produktivität gesteigert und Umweltauswirkungen verringert werden. Roboter können beispielsweise eingesetzt werden, um Unkraut zu jäten, womit der Herbizideinsatz verringert wird.

Doch erst die Fortschritte bei der Rechenleistung sowie die Verfügbarkeit grosser Datenmengen und neue Algorithmen haben in den letzten Jahren zu bahnbrechenden Durchbrüchen in der KI geführt, erklärt Menna El-Assady. Dadurch sei die KI auch für die Allgemeinheit zugänglich geworden. 

Flugzeuge und Autos machten früher auch Angst

«Wir befinden uns mitten in einer technischen Revolution», sagt die Informatikerin. Dass Menschen Respekt, ja teilweise sogar Angst davor haben, was die KI bringt, etwa Jobs gefährdet oder das Risiko auf einen Internetbetrug hereinzufallen noch grösser wird,  versteht die Wissenschaftlerin. Das sei bei anderen grossen Meilensteinen für die Menschheit auch so gewesen und nennt die  Erfindung von Flugzeugen und Autos. Davor habe man sich anfänglich auch gefürchtet, heute seien sie nicht mehr aus dem Alltag der Menschen wegzudenken, so El-Assady.

Es sei deshalb die Aufgabe der Wissenschaftler, aber auch der Politik, einen gesellschaftlichen Diskurs zur KI zu führen und Aufklärungsarbeit zu leisten. Denn bei KI gehe es nicht darum, Bestehendes wegzuautomatisieren, sondern mit dem neuen Tool Herausforderungen wie der Klimakrise oder der demografischen Entwicklung zu begegnen.

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