Corona hat ihr Leben verändert«Für mich war die Pandemie etwas Positives»
Von Gil Bieler
27.2.2022
Die Corona-Krise hat für viele auch ihr Gutes. Etwa für Sophia aus Zürich: Sie hat von der Gastronomie zur IT-Branche übergesetzt. Jetzt fühlt sie sich besser für künftige Lockdowns aufgestellt.
Von Gil Bieler
27.02.2022, 00:00
27.02.2022, 10:55
Gil Bieler
«Als alle Kulturhäuser und die Gastronomie schliessen mussten, war für mich klar: Ich muss etwas verändern. Es ging mir nicht um die finanziellen Einbussen, da war ich dank Kurzarbeitsentschädigung abgesichert. Aber da war diese Unsicherheit: Was, wenn es diese Situation noch einmal gibt?»
2 Jahre Corona-Pandemie
Vor zwei Jahren, am 25. Februar 2020, hat das Coronavirus die Schweiz erreicht – und Land und Leute verändert. blue News porträtiert Menschen, deren Leben die Krise verändert hat.
Sophia aus Zürich ist eine jener Personen, die die Krise positiv nutzen konnten – für einen beruflichen Neustart. Davor war sie in der Gastronomie tätig, zuletzt leitete sie ein Café und den Frontdesk in einem Zürcher Museum. An eine Umschulung dachte sie immer wieder mal, doch in der Corona-Zwangspause im Winter 2021 gab sie sich den nötigen Ruck. «Mein Mann arbeitet in der IT-Branche. Für ihn ging es im Lockdown einfach weiter, wenn auch im Homeoffice. Da habe ich mir gedacht: Es wäre doch ideal, wenn ich auch von daheim aus arbeiten könnte.»
Gesagt, getan: Erst tastete sie sich über Onlinekurse an die Basics des Web heran. «Ich wollte wissen, welche Möglichkeiten es gibt.» Dann eignete sie sich die Grundlagen in den Programmiersprachen Python, Javascript, HTML und CSS an. Schliesslich absolvierte sie ein dreimonatiges Bootcamp – einen Intensivkurs im Programmieren. «Meine Kenntnisse sind ehrlich gesagt immer noch oberflächlich, aber ich habe die Grundlagen. Und mit den im Kurs erstellten Arbeiten konnte ich mich gut bewerben.»
Die 38-Jährige ist nicht allein: Sie kenne mehrere Kolleginnen aus der Gastronomie, die in der Pandemie ebenfalls eine Umschulung angepackt hätten. Eine arbeite heute als Kinderpflegerin, eine andere bildet sich zur Physiotherapeutin weiter. Die Branche wurde von der Pandemie durchgeschüttelt. Der Verband Gastrosuisse klagte im Januar, 70 Prozent der Restaurants, Cafés und Bars seien in die roten Zahlen gerutscht.
Und im Sommer 2021, nach der vollständigen Wiedereröffnung, bekundete man Mühe, genug Fachkräfte zu finden. Dafür gebe es verschiedene Gründe, sagte Verbandspräsident Casimir Platzer, doch der eine oder die andere habe im Lockdown wohl die Perspektive verloren und die Branche gewechselt.
Der Entscheid zur Umschulung fiel Sophia nicht leicht: «Ich hatte im Museum eine gute Stelle und ein gutes Auskommen, es war eine komfortable Situation. Ausserdem wusste ich nicht genau, wie ich den Weg in die Tech-Branche finden könnte. Ich hatte ja keine Programmierkenntnisse, sondern habe meinen Computer nur zum Surfen, für Netflix und so genutzt», sagt sie mit einem Lachen. «Nach zwölf Wochen Intensivkurs habe ich dann sogar vom Programmieren geträumt!»
«Es war das Intensivste, was ich je gemacht habe. Härter als 12-Stunden-Schichten in der Gastronomie», sagt Sophia. Aber es hat sich ausbezahlt: Sie fand eine Stelle als Associated Developer bei einer IT-Firma. «Ich selber bin momentan nicht am Programmieren, sondern in einer Schnittstellenfunktion zu unseren Kundinnen und Kunden tätig. Aber natürlich will ich mich weiterentwickeln.» Hätte sie die Stelle ohne ihre Ausbildung erhalten? «Nein, niemals.»
«Für mich war die Pandemie am Ende etwas Positives», resümiert Sophia nach zwei Jahren Corona-Krise. Sie fühlt sich beruflich besser aufgestellt, denn eines stehe fest: «Die Digitalisierung wird nicht weniger werden, sondern nur noch mehr Und mein Hauptantrieb war: Ich will bei dieser Entwicklung mitgehen, nicht stehenbleiben.»