Mietzinsstreit in Zürich Hunderte Freilager-Mieter müssen klein beigeben

tbz

24.4.2024

In der Zürcher Freilager-Siedlung ist ein Mietstreit entfacht.
In der Zürcher Freilager-Siedlung ist ein Mietstreit entfacht.
Bild: KEYSTONE

Hunderte Bewohnerinnen und Bewohner der Freilager-Siedlung in Zürich kämpfen gegen eine Mietzinserhöhung. Vor der Schlichtungsbehörde geben nun viele klein bei. Dabei stünden ihre Chancen gar nicht schlecht.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • In der Freilager-Siedlung in Zürich-Albisrieden ist ein Mietstreit entbrannt. 300 Parteien fechten eine Mietzinserhöhung aus dem vergangenen Jahr an.
  • Bei ersten Verhandlungen vor der Schlichtungsbehörde zeichnet sich ab, dass es für die meisten Mieter*innen nicht viel zu holen gibt, obwohl ihre Erfolgschancen wohl gar nicht so schlecht wären. 
  • Ein Kampf vor Gericht ist vielen Anwohner*innen zu teuer. Bei ihnen entsteht nun das Gefühl, dass die Verwaltung genau darauf spekuliert hat.

Die Mietzinserhöhung. Für viele gleicht das Duell zwischen Mieter- und Vermieterschaft dem Kampf zwischen David und Goliath. Aber was tun, wenn tatsächlich eine Mieterhöhung ins Haus flattert? In der Zürcher Freilager-Siedlung ist in über 800 Wohnungen genau das geschehen.

Hunderte Mieterinnen und Mieter haben sich deshalb zusammengeschlossen und den Fall vor die Schlichtungsbehörde gezogen. Doch dort ist der Kampf nicht so schnell vorbei, wie der aktuelle Fall zeigt.

«Gestützt auf Artikel 269a, b, c und d sowie 270b des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) geben wir Ihnen folgende Mietzinsänderungen bekannt» – alleine die Einleitung des Schreibens, das blue News vorliegt, kann bereits Kopfschmerzen auslösen.

Darauf folgt eine für Laien komplizierte Rechnung, die auf einer Anpassung des Referenzzinssatzes, dem Teuerungsausgleich und der allgemeinen Kostensteigerung begründet wird.

Mietverband rät zur Anfechtung

Nachdem sich die Anwohner*innen im Freilager miteinander austauschen und die Mietzinserhöhung hinterfragen, wird für viele bald klar, dass sie die Änderung nicht einfach so hinnehmen wollen. Gemäss «Tages Anzeiger» kommt es in der Siedlung mit über 800 Wohnungen zu 300 Anfechtungen. Der Grund: Ein Mietzuschlag aufgrund der allgemeinen Kostensteigerung ist für viele nicht gerechtfertigt.

Das sieht auch der Zürcher Mieterinnen- und Mieterverband so. Grundsätzlich gilt: Bei einer Erhöhung des Leitzinses um 0,25 Prozent (dieser stieg von 1,5 auf 1,75 Prozent) ist eine Mietzinserhöhung von 3 Prozent gerechtfertigt. Auch die Teuerung darf zu 40 Prozent auf den Mieter abgewälzt werden.

Zudem kann die Vermieterschaft eine allgemeine Kostensteigerung geltend machen, wenn ihre Ausgaben für den Betrieb und Unterhalt einer Liegenschaft aufgrund der Teuerung gestiegen sind.

Im Fall der Freilager-Siedlung fordert die Verwaltung eine Mietzinserhöhung in allen drei Punkten. Doch der letzte Punkt ist laut Mieterverband im Falle eines Neubaus wie der Freilager-Siedlung nicht gerechtfertigt. «Bei Neubauten besteht kein Unterhaltsbedarf, der zu einer Kostensteigerung führt», sagt der Verband dem «Tages Anzeiger» und rät den Bewohnerinnen und Bewohnern, die Vertragsänderungen anzufechten.

David gegen Goliath

Isoliert betrachtet handelt es sich dabei in den meisten Fällen um einen mittleren zweistelligen Betrag pro Monat. Das mag nach wenig wirken, summiert sich über die Jahre aber auf mehrere tausend Franken. Bei den ersten Verhandlungen vor der Schlichtungsbehörde geben nun dennoch viele der anfechtenden Mieterinnen und Mieter auf.

Die Freilager-Siedlung in Zürich-Albisrieden bietet Platz für 800 Wohnungen.
Die Freilager-Siedlung in Zürich-Albisrieden bietet Platz für 800 Wohnungen.
Bild: KEYSTONE

Zwar wurde ihnen laut «Tages Anzeiger» sowohl vom Schlichtungsrichter als auch vom Anwalt der Verwaltung eine Reduktion angeboten, was darauf hindeutet, dass sie tatsächlich im Recht sind.

Um die gesamte Mietzinserhöhung aufgrund der allgemeinen Kostensteigerung abzuwenden, müssten sie den Fall aber vor das Mietgericht ziehen – ein teures Unterfangen für einen monatlichen Betrag im mittleren zweistelligen Bereich – und ohne Garantie auf einen Sieg.

Auf der Gegenseite stehen mit dem Axa-Versicherungskonzern und der Axa-Pensionskasse – den Besitzern der Freilager-Siedlung – zwei Grossunternehmen, die sich in rechtlichen Angelegenheiten bestens zu helfen wissen und im Falle von 800 Wohnungen mit viel grösseren Beträgen jonglieren.

Kein Anwalt, keine Chance?

«Grosse Immobilienfirmen spekulieren wahrscheinlich genau darauf, dass verunsicherte Mieter ihre Anfechtung im Zweifel zurückziehen. Es bleibt nichts anderes übrig, als den Vorschlag anzunehmen», schildert einer der Betroffenen dem «Tages Anzeiger». Auch bei blue News treffen ähnliche Stimmen ein. Die Anfechtung der Mietzinserhöhung sei mehr eine Frage des Prinzips. Zudem wolle man der Vermieterschaft zeigen, dass man sich nicht alles gefallen lässt.

150 Mietparteien lehnen den Gegenvorschlag trotzdem ab und ziehen nun vor Gericht. Sie haben laut «Tages Anzeiger» die Hilfe eines Anwalts in Anspruch genommen. Wer sich das nicht leisten will, hat wenig bis keine Chance auf Erfolg.

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