Epidemie Pazifikinseln setzen in der Pandemie auf Selbstversorgung

AP/toko

30.12.2020 - 00:00

Mitarbeiterinnen des Suva Christian School, arbeiten in einem Garten in Suva, Fidschi.
Mitarbeiterinnen des Suva Christian School, arbeiten in einem Garten in Suva, Fidschi.
Fiji Ministry of Agriculture/AP/Keystone

Die traditionellen Anbaumethoden gerieten in den vergangenen Jahren in Vergessenheit, der Tourismus versprach sichere Arbeit und ein höheres Einkommen. In der Krise ist der eigene Garten wieder populär – mit möglicherweise positiven Folgen für die Gesundheit der Menschen.

Das Corona-Virus hat viele entlegene Inseln im Pazifik nicht erreicht. Aber auch wenn nur sehr wenige Infektionen bestätigt sind, bekommen die Menschen dort die Auswirkungen der weltweiten Krise zu spüren. Lieferketten sind unterbrochen, wichtige Lebensmittelimporte fehlen und die Preise steigen, während die Einnahmen aus dem Tourismus wegbrechen. Die Regierungen versuchen, mit Hilfsprogrammen gegenzusteuern und erreichen möglicherweise sogar dauerhafte Veränderungen in der Ernährungsweise.

So haben die Behörden die Fischfangsaison verlängert, klären über traditionelle Lebensmittel auf und verteilen Saatgut, damit die Menschen sich besser selbst versorgen können. Die Nachfrage ist gross. «Wir haben ursprünglich mit 5000 Samen angefangen und dachten, die Verteilung würde neun Monate dauern», erklärt Vinesh Kumar, Bereichsleiter im Landwirtschaftsministerium in Fidschi. «Aber die Resonanz war gross und wir haben die Samen innerhalb einer Woche ausgegeben.» Im Rahmen des Projekts erhalten die Teilnehmer nicht nur Saatgut, sondern auch Setzlinge und Gartenwerkzeuge, die ihnen beim Anlegen eines Gemüsegartens helfen sollen.

Beschäftigung und Sparsamkeit

Für Elisabeta Waqa in Fidschi gab das Projekt den Anstoss zu handeln. Sie habe schon länger über einen Garten zur Selbstversorgung nachgedacht, erklärt sie. Aber ohne Arbeit, mit viel freier Zeit und dann noch den Samen vom Ministerium habe sie endlich mit der Arbeit begonnen. Sie sammelte Eimer und Kisten am Strassenrand ein, um kein Geld ausgeben zu müssen, und kurze Zeit später war ihr Garten übersät mit Pflanztöpfen. Darin wachsen nun grüne Bohnen, Gurken, Kohl und anderes Gemüse. «Als ich zwei oder drei Wochen später mit der Ernte anfing, wurde mir klar: Meine Güte, das ist ein Hobby, das viele Menschen schon lange betreiben. Ich habe daran gedacht, wie viel Geld ich damit sparen kann.»



In den vergangenen Jahren sind die Menschen auf den Pazifikinseln eher den umgekehrten Weg gegangen, weg vom traditionellen Anbau auf den ohnehin knapp bemessenen fruchtbaren Flächen, hin zur Arbeit in der Tourismusbranche. Damit sind die Inseln nun verstärkt abhängig von Lebensmittelimporten, von Konserven, Nudeln und anderen hoch verarbeiteten Nahrungsmitteln, während traditionelle Gemüse wie Yams und Taro seltener verzehrt werden.

Für den Direktor des Verbindungsbüros der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen in Japan, Eriko Hibi, ergeben sich aus diesem Wandel gleich drei Probleme für die Gesundheit der Menschen auf den Inseln: Unterernährung, ein Mangel an Mikronährstoffen und Fettleibigkeit.

Traditionelle Anbaumethoden

Als die Pandemie ihre Reise um die Welt antrat, schlossen praktisch alle Länder der Region ihre Grenzen. Lieferketten brachen auseinander und die Preise stiegen. In Suva in Fidschi stiegen zum Beispiel die Preise für einige Obst- und Gemüsesorten in den ersten Wochen um 75 Prozent. Gleichzeitig kam der Tourismus zum Erliegen, der in einigen Ländern 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Tausende Menschen wurden arbeitslos. «Es geht nicht nur um die Preise auf dem Markt, sondern auch um die Kaufkraft der Konsumenten, die gesunken ist», erklärt Hibi.

In Tuvalu boten die Behörden Arbeitskreise an, in denen traditionelle Anbaumethoden erklärt wurden. In Fidschi verlängerte die Regierung die Fischfangsaison, damit Korallenforellen und Zackenbarsche länger für den eigenen Bedarf gefangen oder verkauft werden können. In einigen Ländern wurden die Menschen auch aufgefordert, zurück aufs Land zu ziehen, wo die Eigenversorgung leichter ist.

Dieser Aufforderung folgten Tevita Ratucadre und seine Ehefrau in Fidschi. Im Dorf sind ihre Lebenshaltungskosten deutlich geringer, ein wichtiger Faktor, seit beide wegen der Pandemie ihre Arbeit im Hotel verloren haben. «In der Stadt muss man alles mit Geld kaufen, selbst wenn man Essen auf den Tisch bringen muss», erklärt Ratucadre. «Im Dorf kann man seine eigenen Dinge anbauen.» Weil er schon als Kind seine Eltern beim Anbau beobachtet habe, sei ihm die Umstellung leicht gefallen. Jetzt wächst genug im eigenen Garten, um die Familie zu ernähren.

«Ich will es nicht wieder machen wie früher»

Ob sich aus der veränderten Einstellung dauerhafte Vorteile für die Gesundheit der Menschen ergeben, ist noch nicht klar, wie Mervyn Piesse erklärt, Forschungsleiter am australischen Institut Future Directions International. «Da ist, glaube ich, eine Bewegung in Teilen der Pazifikregion im Gang, in der die Menschen darüber nachdenken «Wenn wir während einer globalen Pandemie unsere eigenen Lebensmittel anbauen können, warum können wir das gleiche nicht in normalen Zeiten machen?».»

Waqa hat bereits nachgedacht und eine Entscheidung getroffen. Sie hat wieder Arbeit, will aber trotzdem an der Selbstversorgung festhalten. Wenn sie nicht zu Hause ist, kümmern sich die Kinder um den Garten und ernten. «Jetzt spare ich Geld für Lebensmittel, weiss, wo meine Lebensmittel herkommen und fühle mich sicherer, was meine Versorgung betrifft», erklärt sie. «Ich will es nicht wieder machen wie früher.»

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