Skandalnudel Herschel WalkerVerdirbt Trumps Wunschkandidat seiner Partei die Wahlen?
Von Philipp Dahm
16.10.2022
Georgia ist einer von vier US-Staaten, die bei den Zwischenwahlen über die Mehrheit im Senat entscheiden. Der republikanische Kandidat hat zwar Trumps Segen, doch Herschel Walker könnte für die Partei zum Fluch werden.
Von Philipp Dahm
16.10.2022, 19:00
Philipp Dahm
Als sich Donald Trump für Herschel Walker starkmacht, ist das Rennen um den Spitzenplatz in Georgia gelaufen, berichtet der Sender CNN im April 2021. Auch wenn sich einige Republikaner fragen, ob der Neuling bei den Midterms am 8. November wirklich den Senatoren-Posten erringen kann: Niemand will Trumps Verdikt widersprechen.
Es liegt auf der Hand, warum der Ex-Präsident Walker überredet, den Demokraten Raphael Warnock herauszufordern. Die beiden kennen sich aus den 80er-Jahren, als Walker in der United States Football League für die New Jersey Generals spielte. Der Besitzer des Teams war: Donald Trump.
Ein schwarzer Footballstar, der Donald Trump liebt – das brauchen die Republikaner, um einen Teflon-Effekt zu erreichen, bringt es «Vanity Fair» auf den Punkt. Doch nun droht ausgerechnet jener Herschel Walker der Partei eine Niederlage zu bescheren, die sich nicht auf Georgia beschränken, sondern auch auf Washington auswirken könnte.
Immer ganz oben, immer top
Doch der Reihe nach. Herschel Walkers Vita hat ein bisschen was von Märchen: Er wird 1962 in Wrightsville, Georgia, als eines von sieben Kindern geboren. In seiner Kindheit ist er übergewichtig und stottert, doch in der Jugend entdeckt er den Sport. Mit 14 Jahren tritt er ins Footballteam seiner Highschool ein.
Walker legt eine Profikarriere wie aus dem Bilderbuch hin: Erst glänzt er bis 1983 in den College-Mannschaften, dann setzt er sich auf Profi-Niveau durch. Er beendet seine Laufbahn 1997 bei den Dallas Cowboys. Schon 1984 eröffnet er ein Restaurant in Athens, Georgia, und zwei Jahre nach seinem Ende als Footballprofi steigt er ins Nahrungsmittelgeschäft ein.
In seiner Autobiographie von 2008 schreibt Walker, er habe in der Highschool nur Bestnoten gehabt. Sein Wahlkampfteam weist ihn gar als besten Schüler aus. Im College gehört er zum «obersten 1 Prozent des Jahrgangs», sagt Walker 2017. Heute beschäftigt er viele Mitarbeiter, und 15 Prozent seines Gewinns spendet er.
«Pro Life»-Vertreter droht mit Schüssen in den Kopf
Der 60-Jährige ist religiös, gegen Geschlechtertoleranz und gegen Abtreibung – ohne Ausnahme. Auch bei Vergewaltigung. Auch, wenn das Leben der Mutter bedroht ist. Er glaubt nicht an den Klimawandel, aber daran, dass es bei der letzten Präsidentschaftswahl «landesweiten Wahlbetrug» gegeben habe.
Es ist also kein Wunder, dass Trumps Wunsch wahr und Walker im August 2021 offiziell Kandidat wird. Der schillernde Footballstar steht aber bald viel mehr im Rampenlicht, als es sich Donald Trump wohl hätte träumen lassen – obwohl Mitarbeiter ihn gewarnt haben sollen. Denn der Kandidat ist nicht ganz koscher.
Seine Scheidung 2002 wird wieder zum Thema: 1983 heiratet Walker seine College-Liebe, mit der einen Sohn hat. Wie die Gerichtspapiere zeigen, beschuldigt ihn seine Ex-Frau ihn nach 19 Jahren jedoch, sie heftig bedroht zu haben. 2005 setzt die Frau eine einstweilige Verfügung durch, nachdem Walker ihr gedroht hatte, sie und ihren neuen Freund zu erschiessen.
Lügen pflastern seinen Weg
Recherchen legen schnell weitere Lügen offen. Die Behauptung, Walker sei bester Highschool-Schüler gewesen, verschwindet aus dem Netz. Der Mann war im College auch nicht unter den besten seines Jahrgangs und hat auch keinen Uni-Abschluss, weil er Football spielen wollte. Die Lügen häufen – und wiederholen – sich.
Während des Wahlkampfes erzählt Walker immer wieder, er hätte für das FBI oder die Polizei gearbeitet – ohne dass die jeweilige Gegenseite das bestätigen kann. Er sagt, er habe eine wohltätige Organisation für Kriegsveteranen gegründet. Es stimmt nicht. Und von vier Organisationen, denen er von seinem Gewinn gespendet haben will, wissen vier nichts von ihrem Glück.
Nicht einmal die Zahl seiner Angestellten ist konstant – mal nennt er 100, mal 600. Den Umsatz seines Unternehmens taxiert er auf 70 Millionen Dollar. Tatsächlich meldet er 2020 acht Angestellte und korrigiert den Jahresumsatz in einem Prozess auf 1,5 Millionen Dollar herunter. Doch all das scheint Walker nicht zu schaden: Seine Zustimmungswerte unter den Republikaner*innen bleibt hoch.
Enthüllung: Das erste uneheliche Kind
Doch im Juni wird aus dem Gegenwind ein veritabler Sturm. Eine Frau meldet sich bei «The Daily Beast» und sagt, dass sie einst von Walker schwanger gewesen sei und er ihre Abtreibung bezahlt habe. Als Belege präsentiert sie einen Scheck aus dem Jahr 2009 über 700 Dollar und eine Karte mit Genesungswünschen. «Ich bete, dass es dir besser geht», hat Walker geschrieben.
«Ich kann mit dieser Scheinheiligkeit nicht mehr leben», erklärt denn auch die Frau dazu, warum sie mit dieser Geschichte an die Presse geht. «Wir alle haben etwas Besseres verdient.»
Zwei Tage später äussert sich Walker beim konservativen Sender Fox News. Auf die Frage, ob er wisse, wer die Frau sei, antwortet er: «Ich habe keine Ahnung. Sie denken sich Lügen aus», sagt Walker und vermutet eine Schmutzkampagne. Auf die Karte angesprochen, meint er: «Ich schicke so viele Karten ...» Er habe nie für eine Abtreibung bezahlt. Und die 700 Dollar? «Ich schicke vielen Leuten Geld.»
Der eigene Sohn gibt öffentlich Kontra
Tatsächlich beruft sich Walker wortwörtlich auf die christliche Nächstenliebe – und kündigt an, «The Daily Beast» zu verklagen. Doch der Konter der Journalisten trifft den früheren Footballstar mitten in die Kronjuwelen: Walker kenne die Frau, weil er mit ihr ein uneheliches Kind habe. Und um dessen Abtreibung soll er die Dame auch gebeten haben.
Statt Nächstenliebe erwartet Walker nun ein mediales Fegefeuer. Eine weitere Frau meldet sich, die 2012 einen Sohn von ihm bekommen haben will. Die Existenz einer weiteren Tochter wird bekannt. Und zu Walkers Unglück rechnet schliesslich auch noch sein einziges eheliches Kind mit ihm ab, weil Walker Väter kritisiert, die nie zuhause sind.
I’ve spoken to nearly all of the people who have attacked me and told them quietly that I didn’t want to be involved.
Now they’re blaming me for everything I’m not responsible for. It’s disgusting. pic.twitter.com/rhMRNHMDaC
Er sei ja noch still gewesen, als sein Vater körperliche Gewalt gegen seine Mutter heruntergespielt habe, sagt Christian Walker. «Wisst ihr, worüber ich am liebsten rede? Die Abwesenheit von Vätern. Überraschung! Denn es hat mich beeinflusst. Familienwerte, Leute? Er hat vier Kinder von vier Frauen und war nicht bei einem zuhause, um es grosszuziehen!»
Georgia als potenzielles Zünglein an der Waage
Wer meint, damit sollte dem republikanische Kandidaten das politische Genick gebrochen sein, irrt sich gewaltig. Monetär haben Walker die Enthüllungen sogar genützt: In den Folgetagen hat seine Kampagne die bisher meisten Spenden eingesammelt, wie Walkers Wahlkampf-Manager bestätigt. Der Vorgang zeigt nicht zuletzt, wie wichtig Georgia im strategischen Schachspiel der Konservativen ist
«Es wird sehr schwer für die Demokraten, das Repräsentantenhaus zu halten, aber beim Senat kann es so oder so ausgehen», erklärt Journalist George Stephanopoulos in der «Late Show with Stephen Colbert» die Lage. «Man muss auf vier Rennen schauen: Georgia, Nevada, Wisconsin und Pennsylvania. Wenn eine Partei drei dieser vier gewinnt, wird sie den Senat kontrollieren, glaube ich.»
Und eben weil Georgia so wichtig ist, halten sich Konservative und Christen nun mit Kritik an Walker zurück, zeigt «The Daily Show with Trevor Noah» auf. «Niemand ist perfekt», sagt der eine Kommentator. «Es gab beim Football viele Gehirnerschütterungen», entschuldigt der andere.
Die konservative Radiomoderatorin Dana Loesch wird besonders deutlich: «Es wäre mit egal, wenn Walker dafür bezahlt hätte, bedrohte Baby-Adler abzutreiben – ich will Kontrolle über den Senat.»