Tests statt Après-SkiWie sich Ischgl gegen eine neue Coronawelle wappnet
dpa/gbi
29.8.2020
Der Tiroler Skiort Ischgl bleibt unweigerlich als Coronahotspot in Erinnerung. Dennoch sollen im Winter wieder Touristen die Pisten füllen. Mit welchen Schutzkonzepten? Und was planen Schweizer Bergbahnen?
Zu Beginn der Pandemie wurde Ischgl in die Schlagzeilen katapultiert: Das österreichische Skigebiet, das mit jenem von Samnaun GR verbunden ist, wurde zu einem der grössten Coronahotspots in Europa. Allein in Österreich liessen sich über 600 Infektionsfälle auf den für Après-Ski-Partys bekannten Wintersportort zurückführen. Die eilige Abreise von Gästen aus halb Europa gab zusätzlich zu reden.
Damit sich solch ein Szenario in der kommenden Saison nicht wiederholt, trifft Ischgl bereits Massnahmen gegen eine abermalige Coronavirus-Verbreitung. So sollen alle Tourismusmitarbeiter mit einem negativen Test anreisen oder vor Ort getestet werden müssen. Auch während der Saison würden den Mitarbeitern dann laufend Testmöglichkeiten angeboten.
Testen, testen – und desinfizieren
Den Touristen wird ebenfalls empfohlen, bereits beim Bezug der Hotels ein negatives Testergebnis vorzuweisen. Ansonsten könnten sie sich vor Ort auf das Virus testen lassen. Darüber hinaus soll das Abwasser auf der Suche nach dem Virus analysiert werden.
Die Seilbahnkabinen sollen laufend mittels Kaltvernebelungsgeräten desinfiziert werden. Dieselbe Methode wird auch in den Skibussen, in Sportshops, Skidepots, WC-Anlagen, Aufzugskabinen und den Erste-Hilfe-Stationen täglich angewendet.
Und viellicht der einschneidendste Vorsatz: Après-Ski soll es in der bisherigen Form nicht mehr geben.
Die Seilbahnen in Österreich wollen klare Regeln für die bevorstehende Wintersaison, gerade für das Feiern beim Après-Ski. Die Branche fordern, dass sich die Besucher beim Après-Ski und in den Discos der Skiorte zwingend registrieren müssen. Zudem soll es eine Zwischensperrstunde ab etwa 18:30 Uhr oder 19 Uhr geben, während der die Lokale gereinigt und desinfiziert werden, und die Gästezahlen sollen limitiert werden.
«Ein kontrolliertes Après-Ski ist sicher besser als Partys in den Seitengassen», sagte jüngst Franz Hörl, der Seilbahn-Sprecher in der Wirtschaftskammer Österreich. Der Entscheid müsse aber bald fallen.
Schweizer Bergbahnen setzen auf Eigenverantwortung
Auch bei der Schweizer Wintersportbranche laufen die Vorbereitungen für die kommende Saison auf Hochtouren. Man stecke jedoch mitten in der Arbeit, weshalb noch keine Details genannt werden könnten, erklärt Andreas Keller auf Anfrage von «Bluewin». Er ist beim Branchenverband Seilbahnen Schweiz für die Kommunikation verantwortlich.
Man stehe mit den Behörden auf Bundes- und Kantonsebene im Kontakt, so Keller. Grundsätzlich spricht sich der Verband für den erprobten Ansatz aus, dass die Branche selber Lösungen für die Coronavirus-Situation findet. «Dadurch wird zum einen die Möglichkeit erhalten, auf spezifische Situationen/Besonderheiten vor Ort einzugehen, und zum anderen sind Anpassungen einfacher und schneller möglich.»
Man sei zuversichtlich, dass mit entsprechenden Schutzmassnahmen ein Skigebietsbetrieb in der Schweiz möglich sein werde. «Einschränkungen dürfte es vor allem dort geben, wo grössere Menschenmassen auf engem Raum auftreten würden, etwa beim Après-Ski», sagt Keller.
Beim eigentlichen Kerngeschäft, dem Schneesport auf den Pisten, sieht er dagegen betreffend Gesundheitsschutz keine Probleme. Der Pistensport sei mit anderen Aktivitäten wie dem Jogging, Velofahren und Langlaufen in der freien Natur vergleichbar. Was den Transport angehe, würden sich die Bergbahnen am Schutzkonzept für den öffentlichen Verkehr orientieren.
Und was sagt man bei den Bergbahnen zur Ankündigung von Bundesrat Alain Berset, der beim Wintersport auf Koordination mit den Nachbarländern hofft? «Im Moment arbeiten alle Alpenländer darauf hin, dass es gar nicht erst zu einer zweiten Welle kommt», sagt Keller.
Sollten wegen des Virus in einem Gebiet dennoch wieder verschärfte Schutzmassnahmen nötig werden, «sollten diese aus unserer Sicht in jedem Fall regional an die dortige Situation angepasst passieren», so Keller. «Einen landesweiten Lockdown oder gar einen alpenweiten gilt es unbedingt zu vermeiden.»
Opfer klagen gegen Ischgl
Unterdessen zeichnen sich zur Rolle Ischgls bei der Verbreitung des Coronavirus erste Musterprozesse ab. Er werde Ende September erste Klagen von Opfern auf Schadenersatz und Anerkennung von Folgeschäden beim Landgericht Wien einbringen, kündigte der österreichische Verbraucherschützer Peter Kolba an.
Darunter seien auch viele Fälle von Touristen, die entweder durch die Erkrankung gestorben seien oder mit Folgeschäden zu kämpfen hätten. «In einzelnen Fällen geht es um 100'000 Euro», sagte Kolba.
Nach seiner Darstellung haben die Verantwortlichen in Ischgl zu spät und nicht umfassend genug auf den Ausbruch des Coronavirus reagiert. Von Ischgl aus sei das Virus in 45 Staaten getragen worden. Auch die teils chaotischen Umstände der Abreise der Touristen würden Teil des Verfahrens, so Kolba.
Mehr als 6'000 Tirol-Touristen haben sich inzwischen bei Kolba als Geschädigte gemeldet. Rund 1'000 Menschen haben sich laut dem Verein bereits dazu entschlossen, sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte anzuschliessen.