Kampf ums Weisse Haus«Wer, wenn nicht Joe Biden, kann Donald Trump schlagen?»
Von Andreas Fischer
25.4.2023
Im Wortlaut: Biden gibt erneute Kandidatur bekannt
US-Präsident Joe Biden hat offiziell seine Kandidatur für eine Wiederwahl verkündet. Der 80-Jährige sagte in einem Video, er werde bei der Präsidentschaftswahl im November 2024 für eine zweite Amtszeit antreten.
25.04.2023
Er macht's nochmal: Joe Biden hat mit 80 Jahren seine erneute Kandidatur als US-Präsident erklärt. Sein wahrscheinlicher Gegner bei der Wahl 2024: Donald Trump. Eine Expertin erklärt, wie Bidens Chancen stehen.
Von Andreas Fischer
25.04.2023, 18:22
Von Andreas Fischer
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
US-Präsident Joe Biden kandidiert mit 80 Jahren für eine zweite Amtszeit im Weissen Haus.
US-Expertin Claudia Franziska Brühwiler erklärt, warum Joe Biden die beste Wahl für die Demokraten ist.
Bidens potenzieller Gegner ist ein alter Bekannter: Donald Trump steht zwar derzeit unter Anklage, könnte aber theoretisch sogar aus dem Gefängnis heraus regieren.
Als Joe Biden 2021 als ältester Präsident der US-Geschichte ins Weisse Haus einzog, versprach er, das Land wieder einen zu wollen. Von diesem Ziel ist er ein gutes Stück entfernt.
Wohl auch deshalb will es der Demokrat erneut wissen und tritt für eine zweite Amtszeit an. Dabei läuft der Wahlkampf auf einen Re-Match mit Donald Trump hinaus. Claudia Franziska Brühwiler, Lehrbeauftragte und Expertin für US-Konservatismus an der Universität St. Gallen, erklärt im Interview mit blue News, wie seine Chancen stehen und was vom Wahlkampf zu erwarten ist.
Zur Person
zVg
Claudia Franziska Brühwiler ist ständige Dozentin für amerikanisches politisches Denken und Kultur an der Universität St. Gallen. Die Staatswissenschaftlerin forscht schwerpunktmässig unter anderem zum Konservatismus in den USA, zu Libertarismus und Populismus.
Nun ist es raus: Joe Biden tritt für eine zweite Amtszeit als US-Präsident an, an deren Ende er 86 Jahre alt wäre. Warum tut er sich das an?
Darüber kann man natürlich nur Mutmassungen anstellen. Zum einen hat Joe Biden eine nach wie vor sehr ambitionierte Agenda, die er zu Ende bringen möchte. Biden hat grosse wirtschaftliche Infrastrukturpläne: Einen Teil konnte er bereits umsetzen, nun möchte er dieses Werk vollenden. Das ist das offizielle Narrativ. Auf der anderen Seite: Mit Donald Trump tritt sein letzter Gegner erneut an, und es stellt sich die Frage: Wer, wenn nicht Joe Biden, kann Donald Trump schlagen?
Die Demokraten hatten also gar keine andere Wahl als Joe Biden?
Nein. Joe Biden hat die Entscheidung für eine Kandidatur selbst in der Hand. Zumal er als Präsident auch formell der Kopf der Partei ist. Es gibt keine Hierarchie, die hätte eingreifen können.
Dabei hat die Partei mit Kamala Harris, Pete Buttigieg, Gretchen Whitmer oder Elizabeth Warren potenzielle Kandidaten. Warum haben die sich auffällig zurückgehalten?
Man kann keine nationalen Ambitionen an den Tag legen, wenn der eigene Präsident noch im Amt ist und sich noch nicht entschieden hat, ob er noch einmal antritt. Das wäre gegen die politische Form oder ein Zeichen einer grösseren innerparteilichen Krise. Die von Ihnen genannten Politiker haben auch nicht die Reichweite und Bekanntheit eines Präsidenten. Kommt hinzu, dass Kamala Harris als Vizepräsidentin eine Schattenposition innehat, in der sie sich nicht wirklich profilieren konnte.
Laut Umfragen hätte dennoch eine Mehrheit der demokratischen Wählerschaft lieber einen anderen Kandidaten ist Rennen geschickt …
In der Tat wünschten sich laut letzter Umfragen 70 Prozent der Amerikaner und auch die Hälfte der Demokraten, dass ein anderer Kandidat antritt. Gleichzeitig werden Biden aber im direkten Duell mit Donald Trump die grösseren Erfolgsaussichten eingeräumt. Viele von Bidens politischen Weggefährten sehen das ähnlich. Von daher setzen die Demokraten auf einen sicheren Wert. Zumal der Amtsinhaber bei Wahlen immer einen Vorteil hat – mit der besonderen Situation, dass Bidens wahrscheinlicher Herausforderer ebenfalls Präsident war.
Biden ist 2020 nach vier Jahren Trump als grösser Versöhner im Wahlkampf angetreten: Ist es ihm gelungen, die Gesellschaft wieder zu kitten?
Nein, das hat er nicht geschafft. Aber: Die US-amerikanische Gesellschaft ist schon vor Donald Trump auseinandergedriftet. Trump war quasi das Symptom einer grösseren Störung. Die politische Polarisierung ist älter als seine Präsidentschaft, und mit ihr ging auch die gesellschaftliche Polarisierung einher. Von daher wäre es vermessen, die Hoffnung an einen Präsidenten zu knüpfen, das Land wieder zu einen.
Natürlich hatte sich Biden erhofft, einen anderen Ton in die Politik bringen zu können. Das ist teilweise gelungen, aber eine echte Versöhnung innerhalb von vier Jahren zu erreichen, war von Beginn an ein illusorisches Vorhaben.
Und wie sieht Joe Bidens politische Bilanz im Amt aus?
Die sieht gar nicht so schlecht aus, wie sie viele Republikaner darstellen möchten. Zwar konnte Biden seine «Build Back Better»-Agenda nicht komplett umsetzen, hat aber einige Teilsiege errungen. Viele seiner Errungenschaften werden als grössere Würfe angesehen. Zudem konnte Biden der Nato den Rücken stärken, er hat die USA zurück ins Pariser Klimaschutzabkommen geholt und den «Inflation Reduction Act» durchgebracht.
Warum hat es nur zu Teilsiegen gereicht?
Das war eigentlich von Anfang an klar. Wer bei derart engen Mehrheitsverhältnissen und in einem derart polarisierten System regiert, kann nicht seine ganze Agenda umsetzen. Hier prallen überstiegene Erwartungen an die Macht des US-Präsidenten an der politischen Realität und der tatsächlichen Funktionsweise des politischen Systems der USA ab. Letztlich entscheidet der Kongress, wohin die Reise geht.
Angenommen es kommt im nächsten Jahr wirklich zum Duell Biden vs. Trump, dann wäre der nächste Präsident bei der Amtseinführung 81 (Biden) respektive 77 (Trump) Jahre alt: Was sagt es über den Zustand der US-Demokratie aus, dass zwei sehr alte weisse Männer für das höchste Amt im Staat kandidieren?
Die Altersfrage sollte man nicht überwerten, zumal Alter heutzutage anders zu bewerten ist: Heute 80 Jahre alt zu sein, ist nicht mehr dasselbe, wie vor 30 Jahren. Zum anderen haben sich die beiden sogenannten alten weissen Männer bereits gegen wesentlich jüngere Damen und Herren in den Vorwahlen durchgesetzt.
Im Fall Trump hatten sich die Wähler 2016 jemanden gewünscht, der nicht dem klassischen Rollenprofil eines Republikaners entspricht – das Alter spielte dabei keine Rolle. Die Demokraten haben Biden vier Jahre später ausgewählt, weil sie einen moderaten und erfahrenen Politiker wollten, dem sie es zutrauten, Wähler auch jenseits der demokratischen Kernwählerschaft zu gewinnen. Angesichts der vielen Herausforderungen und Krisen unserer Zeit ist es nicht weiter überraschend, dass man wieder auf sichere Werte setzt.
Wie brisant würde denn eine Neuauflage des Duells Biden vs. Trump werden?
Wann immer Donald Trump antritt, wird es zur Sache gehen. Seine letzten Äusserungen lassen kaum Zweifel bestehen, dass er noch ganz der Alte ist. Wir müssen also wieder von einem heftigen Wahlkampf ausgehen. Vor allem für Joe Biden dürfte er zu einer Herausforderung werden: Es ist sein erster richtiger Wahlkampf mit zahlreichen Terminen und Veranstaltungen, bei denen sich zeigen wird, ob er der enormen körperlichen und zeitlichen Zusatzbelastung tatsächlich gewachsen ist. Der letzte Wahlkampf war diesbezüglich ja noch durch die Coronapandemie eingeschränkt.
Gegen Donald Trump wurde erst vor Kurzem offiziell Anklage erhoben, er muss sich demnächst vor Gericht in einem Prozess verantworten: Dürfte er im Falle einer Verurteilung überhaupt antreten?
Ja, das darf er. Trump könnte rein theoretisch sogar aus dem Gefängnis regieren, wie Juristen bestätigen.
Welchen Einfluss hat der juristische Ärger auf Donald Trumps Kampf ums Weisse Haus?
Die Anklage ist ein zweischneidiges Schwert: Ursprünglich gingen viele Menschen davon aus, dass es nur zu einer Anklageerhebung kommt, wenn sie aussichtsreich ist. Dem ist nun nicht so, und das Risiko besteht, dass sich Trump das zunutze macht: Er versucht es bereits, indem er sich einmal mehr zum Opfer einer Hexenjagd erklärt.
Allerdings wird das Verfahren viel Energie binden und könnte potenzielle Geldgeber abschrecken. Zudem wurden die Verhandlungen in der Zeit einer wichtigen Wahlkampfphase angesetzt. Welchen Einfluss das Verfahren aber wirklich haben wird, lässt sich nicht abschätzen: Es ist schliesslich eine nie dagewesene Situation. Und letztlich ist es auch so, dass uns Erfahrungswerte bei Donald Trump nie wirklich geholfen haben.
Wenn auch sehr wahrscheinlich, sicher ist Trumps Kandidatur für die Republikaner noch nicht. Vor allem Floridas Gouverneur Ron DeSantis werden Ambitionen nachgesagt. Wie wären die Chancen in einem allfälligen Duell Biden vs. DeSantis verteilt?
In Umfragen hat Ron DeSantis im Moment im direkten Duell mit Joe Biden die Oberhand, allerdings nur knapp, mit 48 zu 45 Prozentpunkten. Das ist alles andere als ein komfortabler Vorsprung. Kommt hinzu, dass Ron DeSantis zwar einer der bekanntesten Gouverneure der USA ist, sich aber national noch nicht stark genug exponiert hat. Seine Bekanntheitswerte sind mit denen eines Präsidenten nicht zu vergleichen, und es müsste sich erst noch zeigen, wie er sich als Präsidentschaftskandidat schlägt.