Late Night USA «Wem glauben Sie? Dem Purple Heart oder orangenen Gesicht?»

Von Philipp Dahm

30.10.2019

Immer erfrischend direkt: Gastgeber Jimmy Kimmel.
Immer erfrischend direkt: Gastgeber Jimmy Kimmel.
Screenshot: YouTube

Ein Militäroffizier, der in der Ukraine-Affäre gegen Donald Trump ausgesagt hat, ist fürs Weisse Haus verdächtig – denn der hochdekorierte Veteran ist erst mit drei Jahren ins Land gekommen. 

Jimmy Kimmel liest einen aktuellen Tweet von Donald Trump: Die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, sei nervös und wolle die republikanische Partei zerstören, warnt der US-Präsident – und verschreibt sich dabei noch.

Dem Mann aus dem Weissen Haus scheint selbst unbehaglich zu sein: Die Ukraine-Affäre und das damit verbundene Amtsenthebungsverfahren sitzen dem Trump im Nacken. Da trifft es sich gut, dass auch mal ein unverfänglicher Empfang ansteht – wie das Verteilen von Schleckzeug vor Halloween an ausgewählte Kinder.

«Und was für eine Musik spielst du, wenn ein Haufen Kinder vorbeikommt?», fragt der Gastgeber der «ABC»-Show «Jimmy Kimmel Live», bevor die ab Minute 1:41 eingespielten Bilder die Antwort geben. «Genau, Michael Jackson. Wahrscheinlich können sie im Weissen Haus kein HBO empfangen», lästert der TV-Comedian mit Blick auf die Enthüllungsdokumentation «Leaving Neverland», die den King of Pop als Pädophilen outet.

Witzig dabei: Mehrere Kinder holen ihre Naschware bei Melania Trump ab und lassen ihren Gatten links liegen. Vielleicht ahnen die Kleinen, dass Süsses vom Oberbefehlshaber ganz schön bitter sein kann: Einem als Minion verkleideten Kind legt Trump die Schokolade einfach auf den Kopf seines Kostüms.

Das präsidiale Halloween-Geschenk geht an diesem Knaben total vorbei.
Das präsidiale Halloween-Geschenk geht an diesem Knaben total vorbei.
Screenshot: YouTube

Das ist, als würde man einem Hund ein Stück Wurst an den Hinterkopf binden und sich dann daran erfreuen, wie das Vieh erfolglos versucht, das Fleisch herunterzubekommen. 

Trump: Namen nie gehört

Zurück in die noch härtere Welt der Politik: Am Donnerstag will das Repräsentantenhaus den Amtsenthebungsprozess formal in Gang bringen und sammelt dafür Beweise. Gestern «wurde Trumps Top-Experte in Sachen Ukraine angehört», erklärt Kimmel.

Dass Minion-Kostüm ist nichts für heisshungrige Kinder.
Dass Minion-Kostüm ist nichts für heisshungrige Kinder.
Screenshot: YouTube

«Ein Typ vom Nationalen Sicherheitsrat: Lieutnant Colonel Alexander Vindman hat ausgesagt, und er ist ein besonders relevanter Zeuge, denn er hat bei dem Anruf [Trumps beim ukrainischen Präsidenten] zugehört und was er gehört hat, hat ihm nicht gefallen. Er hat seine Sorgen seinen Vorgesetzten mitgeteilt.»

Der US-Präsident reagierte mit einem Tweet, der mittlerweile gelöscht worden ist: «Warum sagen Leute über das Telefonat aus, von denen ich noch nie gehört habe. LEST EINFACH DAS TRANSKRIPT DES TELEFONATS UND DER AMTSENTHEBUNGSBETRUG IST VORBEI. Die Ukrain sagte KEIN DRUCK.» Ja, Trump schreibt Ukraine wirklich falsch.

CAPSLOCK

Kimmel analysiert: «Man weiss, dass das Impeachment gut läuft, wenn er die Capslock-Taste an seinem Handy eindrückt. Er besteht weiter darauf, dass der Anruf perfekt war und er nichts falsch gemacht hat. Er hat vier Mal getweetet, die Leute sollten das Transkript lesen. Ja, wir haben [es] gelesen. Genau deshalb wirst du im Moment deines Amtes enthoben.»

Gelöschter Trup-Tweet: Wenn Unbekannte aussagen dürfen.
Gelöschter Trup-Tweet: Wenn Unbekannte aussagen dürfen.
Screenshot: YouTube

Der Moderator kommt nicht darüber hinweg. «Wenn er sagt ‹Schaut das Transkript an›, ist das, als wenn Bill Clinton sagen würde: ‹Schaut auf diesen Fleck auf dem Kleid!›» – Ejakulat auf dem Textil von Praktikantin Monica Lewinsky hatte im damaligen Amtsenthebungsverfahren den Demokraten Clinton der Lüge überführt.

Kimmel bekundet, er hätte an Trumps Stelle niemals zum Lesen des Textes aufgefordert – wer hat sich auch noch nicht gefragt, warum um alles in der Welt Trump die Veröffentlichung des belastenden Dokuments anordnete? Doch da die Mitschrift nun mal publik ist, verlegt sich das Trump-Lager halt darauf, diejenigen zu diskreditieren, die eigentlich bloss bestätigen – und wenn man will: kommentieren –, was ohnehin geschrieben steht.

Kampferprobten Veteran anzweifeln

Kimmel drückt es so aus: «Das Widerlichste, das heute passiert ist: Der Präsident und sein Krankopathen zweifeln die Loyalität eines kampferprobten Veteranen an. Alexander Vindman war auf mehreren Auslandseinsätzen, ihm wurde das Purple Heart verliehen.» Der älteste militärische Orden wird Soldaten überreicht, die im Kampf verwundet wurden – oder getötet, wobei die Verleihung dann posthum ist.

Na, Bueb!? Willst du nicht doch ein bisschen Schoggi?
Na, Bueb!? Willst du nicht doch ein bisschen Schoggi?
Screenshot: YouTube

«Natürlich stellt sich diesen Republikanern als Erstes die Frage: Wie können wir diesen Mann zerstören. Die Patrioten von ‹Fox News› finden sehr suspekt, dass unser Top-Experte für die Ukraine aus der Ukraine kommt. Es ist aber auch verdächtig, wenn man in der Trump-Administration jemanden entdeckt, der tatsächlich Ahnung von seinem Fach hat.»

Kimmel erklärt das Problem: «Sie sagen immer wieder, dass er Ukrainer ist – dabei ist seine Familie hier eingewandert, als er drei Jahre alt war. Hier sehen sie ihn mit seinem Zwillingsbruder, als sie gerade [die Ukraine] verlassen haben. Irgendwie haben es diese Ukrainer geschafft, ein Kleinkind zu indoktrinieren, damit es unsere Häfeli benutzt und den Präsidenten der Vereinigten Staaten zu Fall bringt.»

Alexander Vindman und sein Bruder Jewgeni kurz nach der Immigration der Familie in die USA.
Alexander Vindman und sein Bruder Jewgeni kurz nach der Immigration der Familie in die USA.
Screenshot: YouTube

«Echt lächerlich»

Dann wird der New Yorker ernst: «Es ist echt lächerlich. Am Ende geht es darum: Wem glauben Sie mehr? Dem Typen mit dem Purple Heart oder dem Typen mit dem orangenen Gesicht?»

Und derweil beschwere sich Trumps Anwalt darüber, dass sein Boss nicht genug für die Tötung von Anführern des sogenannten IS gewürdigt werde. Das ist aus zwei Gründen interessant: Zum einen hat Trump 2012 kritisiert, man solle die Soldaten für die Liquidierung von Osama bin Laden loben – und nicht den damals demokratischen Präsidenten.

Zum anderen schreibt Giuliani «Ben Laden» statt bin Laden – und das als derjenige, der 2001 Bürgermeister von New York war: Seine «gesamte Karriere beruht auf den 9/11-Ereignissen», drückt es Kimmel aus. «Er war der Typ, der damals sagte: ‹Never forget›!»

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50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

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