Late Night USA Darum ist Washington wie «Dallas»

Von Philipp Dahm

11.12.2021

Hot, hot, hot: In Amerika brennt der Baum.
Hot, hot, hot: In Amerika brennt der Baum.
Scvreenshot: YouTube

Gnadenbringende Weihnachtszeit? Nicht in den USA: Republikanische Heisssporne freuen sich darauf, bald gegen das FBI zu ermitteln. Dabei haben sie selbst nicht gerade weisse Westen, wissen die Late-Night-Hosts.

Von Philipp Dahm

Die Älteren unter den Lesenden mögen sich noch an «Dallas» erinnern. In der TV-Serie war die Welt noch in Ordnung. Nicht, dass es keine Intrigen gab. Im Gegenteil. Ordnung herrschte insofern, als dass Gut und Böse hier klar erkennbar waren – beinahe wie im Märchen.

Gar nicht märchenhaft ist, wenn sich solche fast schon comicartige Boshaftigkeit auf der politischen Bühne manifestiert. So wie kürzlich in New York am Fox Square, wo ein konservativer TV-Sender zu Hause ist. Der berichtet selbst in einer Breaking News, was vor der eigenen Haustür passiert ist.

«Ein Verdächtiger hat den All-American-Weihnachtsbaum in Brand gesetzt und das Symbol von Frieden und Freude entstellt», eröffnet eine Fox-Nachrichtensprecherin dem Publikum. Es sei «Amerikas Baum» gewesen, heisst es weiter. Ein «Hassverbrechen gegen Fox News» – und Janine Pirro weiss: «Es geht um das Gute gegen das Böse. Punkt.»

Die «Daily Show with Trevor Noah» hat dieses «Dallas»-ähnliche Drama in einem Clip verarbeitet, der sich sehen lassen kann:

Vom Hass gegen Trottel

Und obwohl Tucker Carlson sagt, der Staat wisse genau, wie viele Ausgaben des Koran in den USA verbrannt würden, aber auf die Weihnachtsbäume schaue niemand, hat die Polizei den Übeltäter bald darauf dingfest gemacht.

Der Verdächtige ist ein Obdachloser mit psychischen Problemen, der bereits dreimal verhaftet worden ist. Zuletzt, als er sich beim Prozess gegen Ghislaine Maxwell vor dem Gebäude entblösst hat. «Kommt schon», lästert «The Late Show with Stephen Colbert», «warum mussten wir die Sache mit Jeffrey Epstein eklig machen?»

Stephen Colbert macht Fox News verbal Feuer unter dem Hintern.
Stephen Colbert macht Fox News verbal Feuer unter dem Hintern.
Screenhot: YouTube
Late Night USA – Amerika verstehen
blue News

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

Der Mann wurde ohne Festlegung einer Kaution vorerst freigelassen, was wiederum Fox News aufregt. Brandstifter würden nur dann eingesperrt, wenn ihre Tat jemanden verletzen sollte oder ein Hassverbrechen ist. «Ja», stimmt Colbert zu. «Es ist ein ganz klares Hassverbrechen gegen eine marginalisierte Gruppe: Trottel.» Erregt ruft er aus: «Fox lives matter!» – in Anlehnung an Black Lives Matter.

Die Gaetz-Prophezeiung

Nun ja, Fox hat einen neuen Baum aufgestellt, und nun kann sich ein Mantel von Schnee und Vergessen über dieses Weihnachtskapitel legen. Was die Zukunft bringt, wird aber nicht unbedingt besser. Zumindest, wenn es stimmt, was eine Gruppe um den Republikaner Matt Gaetz prophezeit – zu sehen im Video bei «Late Night with Seth Meyers» ab Minute 7:23.

«Wir werden nach diesen nächsten [Zwischenwahlen 2022] die Macht übernehmen», meint der 39-jährige Gaetz, «und wenn wir das tun, schlägt die Stunde von Jim Jordan, Marjorie Taylor, Dr. [Paul] Gosar und mir selbst.» Hoppla! Was ist da denn los?

Von links: Jim Joordan, Marjorie Taylor-Greene, Matt Gaetz, Paul Goslar und natürlich Seth Meyers. Jim Jordan machte kürzlich Schlagzeilen, als er in einem Anime-Video eine Figur köpfte, deren Konterfei er mit dem Gesicht der Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez austauschte.
Von links: Jim Joordan, Marjorie Taylor-Greene, Matt Gaetz, Paul Goslar und natürlich Seth Meyers. Jim Jordan machte kürzlich Schlagzeilen, als er in einem Anime-Video eine Figur köpfte, deren Konterfei er mit dem Gesicht der Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez austauschte.
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Gaetz fährt fort: «Wir werden alles tun, um Antworten auf diese Fragen zu bekommen. Wir werden Vorladungen abschicken. Wir werden eine echte Untersuchung durchführen. Wir werden persönlich auftauchen und Antworten bekommen.» Auf welche Fragen jetzt genau? Geht es schon wieder um Wahlbetrug? Jetzt auch als Weihnachtsmärchen? Matt Gaetz, präzisieren Sie!

Halb-Kriminelle wollen gegen FBI ermitteln

Eines wollen diese vier Republikaner zumindest nicht machen: Politik. «Der Gedanke, dass die Republikaner die Kontrolle über den Senat gewinnen und dann mit den Demokraten im warmen Frühlingsregen Händchen halten und regieren, ist aberwitzig», poltert Gaetz. Meyers kontert, es habe ohnehin niemand gedacht, dass Gaetz in der Lage sei, zu regieren.

Selbsterkenntnis: «Ich habe gerade realisiert, dass sich unser Haar ziemlich gleicht», frotzelt Seth Meyers gerade.
Selbsterkenntnis: «Ich habe gerade realisiert, dass sich unser Haar ziemlich gleicht», frotzelt Seth Meyers gerade.
Scvreenshot: YouTube

Dann erklärt der Moderator, was der Hintergrund ist: die Theorie, nach der sich das FBI dazu verschworen hat, den Sturm aufs Kapitol am 6. Januar anzuzetteln. Ausserdem haben Gaetz und Co. noch «die verrückte Idee», dass sie Donald Trump zum Senatssprecher machen könnten. «Der muss nicht unbedingt ein gewähltes Mitglied des Kongresses sein», erklärt Meyers.

Gaetz habe auch bereits mit dem Ex-Präsidenten darüber gesprochen, sagt Meyers grinsend in die Kameras. Doch das ist alles ein bisschen grenzwertig. Nicht die Sache mit Trump: Seine Rückkehr wäre für uns Journalisten wie ein Weihnachtsgeschenk.

Pädophil sind immer nur die anderen

Aber dass Typen wie Gaetz oder Marjorie Taylor Greene politische Macht nutzen könnten, um Strafverfolgern nachzustellen, ist kein schöner Gedanke. Da würde der Bock zum Gärtner gemacht: Gegen Matt Gaetz wird wegen des Verdachts von Sex mit Minderjährigen ermittelt. Die QAnon-Anhänger nehmen ihm das übrigens nicht übel: Pädophil sind offenbar immer nur die anderen.

Verschwörungstheorien sind auch genau das Ding von Taylor Greene, die mal bekundet, Q von QAnon sei ein «Patriot» und mal vor jüdischen Laserstrahlen aus dem All warnt. Sie weigert sich beharrlich, im Parament Maske zu tragen, und ist ohnehin nur in Washington, um mit dem «Establishment aufzuräumen».

Diese fragwürdige Truppe von Republikanern wird von Lauren Boebert abgerundet, die sich nahtlos in diesen Horrorkabinett einfügt. Ein Video ist öffentlich geworden, in dem Boebert erzählt, wie sie einst die Demokratin Ilhan Omar im Fahrstuhl getroffen hat, die Muslima ist. «Und ich dachte mir: ‹Zumindest hat sie einen Rucksack auf. Es sollte okay sein.›»

Boebert und ihr «Dschihad-Squad»

Nein, Ilhan Omar hatte keine Bombe dabei, doch Boebert fliegt der Clip nun um die Ohren, in dem sie Demokraten dann auch noch als «Dschihad-Squad» beschreibt. Trevor Noah findet diese Aussagen allerdings nicht so spannend. «Denn was sie eigentlich gesagt hat, ist: ‹Ich bin mit einer Farbigen im Fahrstuhl und habe die ganze Zeit rassistische Gedanken.›»

Die 34-Jährige ist übrigens auch dafür, dass Trump Senatssprecher wird. Und was weiter ins Bild passt: Auch Boebert hat ordentlich Dreck am Stecken. Ihr Restaurant in Colorado blieb während der Pandemie offen, wo auch die Angestellten Waffen tragen. Das ist der Chefin wichtig. Die Lizenz büsste sie deswegen dennoch kurzzeitig ein.

Natürlich kokettiert Boebert auch mit der QAnon-Gemeinde, selbstredend meint auch sie, die Wahl 2020 sei geschoben – und sie hat auch den Sturm aufs Kapitol verteidigt. «Ich erlaube nicht, dass diese Leute ignoriert werden», schwor sie danach. Es ist wie 1776, twitterte sie im Januar mit Blick auf den US-Unabhängigkeitskrieg.

Dreck am Stecken

Während die vierfache Mutter das Recht auf Waffenbesitz bis zur letzten Kugel verteidigt, nimmt sie es mit anderen Regeln nicht so genau. Da vergass sie wie vorgeschrieben anzugeben, dass ihr Mann Geld aus dem Energiesektor bekommt. Rechnungen ihres Restaurants hat sie aus Wahlkampfmitteln gezahlt.

Und im Februar flog auf, dass sie sich mit 22'000 Dollar grosszügig Geld für Wahlkampfmeilen von 2020 entschädigt hat, was über 62'000 Kilometern entspricht. Dabei hatte sie zwischen März und Juli offiziell nur einen einzigen Auftritt. Als es einen öffentlichen Aufschrei gab, strich sie kurzerhand 11'200 Kilometer von ihrer Abrechnung.

Gaetz, Taylor-Greene, Boebert und Co. sind eine schrecklich nette Familie. Mit einer Vergangenheit so schwarz und dreckig wie britischer Humor. Wenn solche Leute an die Macht kommen würden, hörte der Spass aber auf. Klischeehafte Bösewichte passen zu «Dallas», aber gehören bitte nicht nach Washington.