Lagebild Ukraine So systematisch schiesst Kiews Militär Russlands Nachschub weg

Von Philipp Dahm

6.8.2023

Ukraine: Russisches Landungsschiff bei Drohnenangriff beschädigt

Ukraine: Russisches Landungsschiff bei Drohnenangriff beschädigt

Bei einem ukrainischen Seedrohnenangriff auf den russischen Schwarzmeerhafen von Noworossijsk ist nach Angaben aus Kiew ein Landungsschiff schwer beschädigt worden. Eine Seedrohne des Geheimdienstes SBU, beladen mit 450 Kilogramm Sprengstoff, soll das feindliche Schiff angegriffen haben, zitierten mehrere ukrainische Medien einen Informanten.

05.08.2023

Die ukrainischen Streitkräfte tun alles, um Moskaus Armee die Grundlagen zum Kampf zu nehmen:  Sie reduzieren die Artillerie-Unterstützung, den Treibstoff-Nachschub und bedrohen Russlands Verbindungen in den Süden.

Von Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die ukrainischen Streitkräfte machen sichtlich mehr Jagd auf die russische Artillerie: Angeblich 712 gegnerische Systeme sollen alleine Juli zerstört worden sein.
  • Gleichzeitig werden nicht nur mit Marschflugkörper, sondern auch durch wohl orchestrierte Angriffe von See- und Flug-Drohnen wichtige Nachschub-Objekte gezielt attackiert.
  • Die Bedrohung der Sicherheit der russischen Nachschubwege auf die Krim und nach Saporischschja führen nun erneut zu heftigen Kämpfen um Wuhledar im Oblast Donezk.
  • Aus der erhöhten Lage gerät die Eisenbahnlinie in Reichweite, die die Südukraine von Osten her mit Russland verbindet. Es wäre die letzte Lebenslinie, wenn die Kertsch-Brücke fallen sollte.

Die ukrainischen Streitkräfte nehmen weiterhin gezielt zum einen die russische Logistik ins Visier, während sie sich andererseits besonders auf die Zerstörung von Artillerie- und Flugabwehr-Systemen sowie denen zur elektronischen Kriegsführung konzentriert.

Wie im obigen Video bei der Zerstörung der 9K37 Buk zu sehen ist, werden für die präzisen Artillerie-Attacken Systeme wie Himars oder etwa wie die deutsche Panzerhaubitze 2000 oder die französische Caesar eingesetzt, nachdem Drohnen die Ziele aufgeklärt haben.

Ein Raketenwerfer wie der tschechische RM-70 Vampire (siehe oben) wirkt dagegen besser in der Fläche – etwa gegen Munitionslager oder Truppenkonzentrationen. Dank der Lieferung amerikanischer Cluster-Munition kann nun aber auch eine Ceasar eine solche Wirkung entfalten.

Allen Artillerien gemein ist, dass sie nach dem Schuss möglichst schnell den Standort wechseln, um Counter-battery fire zu vermeiden. Im Deutschen sind damit Artillerieduelle genannt: Spezielle Radargeräte ermitteln den Abschuss-Orten und weisen der eigenen Artillerie das Ziel zu. Diese Artillerieduelle hat die russische Armee vernachlässigt, kritisierte General Generalmajor Iwan Popow – und wurde dafür gefeuert.

Angeblich 712 Artilleriesysteme zerstört – alleine im Juli

Dieses Procedere schlägt sich in Zahlen nieder. Die ukrainische Seite meldet, im Juli 73 Flugabwehr-Systeme und 69 Raketenwerfer  zerstört zu haben. Die weitaus grössten Verluste beim Kriegsgerät hat Russland demnach aber bei der Artillerie zu verkraften: 712 Exemplare wurden angeblich aus dem Verkehr gezogen. Die genauen Werte dürfen dabei bezweifelt werden, doch sie zeigen einen Trend bei Kiews Vorgehen.

Dass russische Soldaten an der Front nun mitunter über mangelnde Artillerie-Unterstützung klagen, hat aber noch mit einer zweiten ukrainischen Strategie zu tun: den gezielten Angriffen auf russische Nachschubwege. Zuletzt haben Storm-Shadow-Marschflugkörper auf der Krim die Kertsch- und Tschonhar-Brücke ins Visier genommen.

Die Strategie wird nun nahtlos weitergeführt, zeigt Reporting from Ukraine mit Blick auf die jüngsten Seedrohnen-Attacken im Schwarzen Meer auf. Diese waren ein wohl-orchestrierter Angriff, bei der zuerst Drohnen eine Ablenkungsmission im Westen der Krim erledigt haben. So hatte eine zweite Gruppe Drohnen freie Bahn, direkt über die Krim zu fliegen und die Öl-Raffinerie in Feodossija anzugehen.

Heftige Kämpfe bei Wuhledar

Russiche Quellen zufolge wurden alle Drohnen abgeschossen, doch eine ist angeblich über der Raffinerie abgestürzt. Ob sie dort Schaden angerichtet hat, ist nicht bekannt. Gleichzeitig fährt eine Gruppe Seedrohnen auf die Kertsch-Meerenge zu, bevor sie sich teilt. Die erste nimmt sich ein Landungsschiff im russischen Noworossijsk vor.

Taktisch klug: die ausgefeilte ukrainische Drohnen-Attacke auf einen Blick.
Taktisch klug: die ausgefeilte ukrainische Drohnen-Attacke auf einen Blick.
YouTube/Reporting from Ukraine

Die Marine hat vor Seedrohnen gewarnt, doch im heimischen Gewässer fühlen sich die Russen offenbar zu sicher: die Olenegorski gornjak wird schwer beschädigt. Die zweite Gruppe nimmt den Tanker «Sig» aufs Korn und trifft den Maschinenraum: Fast wäre es Kiew gelungen nicht nur den Transporter des Treibstoffs von Moskaus Armee auszuschalten, sondern auch noch die seine Herstellung zu stören.

Um die Sicherheit der Nachschubwege zur Krim und aus der Halbinsel heraus ist es also nicht gut bestellt. Das ist auch der Grund, warum es in Wuhledar nun wieder heftige Gefechte gibt, das weit entfernt in Oblast Donezk liegt – siehe obiges Video. Jenes Wuhledar, das Russland schon Anfang des Jahres unbedingt einnehmen wollte – und dabei Hunderte Fahrzeuge verlor – siehe Bildergalerie.  

Nun versucht man es wieder, doch Moskaus Armee wurde zurückgeworfen – und nun ist es die Gegenseite, die das russisch besetzte Mykilske unter Feuer nimmt, das gut drei Kilometer südöstlich von Wuhledar liegt. Doch die Angegriffenen werden sich wehren – und erneut attackieren. Wuhledar muss fallen, denn die Siedlung ist Schlüssel zu Russlands potenziell letzter Verbindungsader zu den Truppen auf der Krim und in Saporischschja.

Warum das so ist, erklärt am anschaulichsten eine neue Bildergalerie: