Protestwelle in den USATrump scheint von Militäreinsatz im Inland wieder abzurücken
Tobias Bühlmann
3.6.2020
Trumps Drohung, das Militär gegen Unruhen im Land einsetzen zu wollen, hat für Bestürzung gesorgt. Jetzt scheint der US-Präsident einen Rückzieher zu machen, nachdem er sich zuvor noch für sein hartes Durchgreifen selbst gelobt hat.
Einen Tag nach der Androhung eines Militäreinsatzes gegen Unruhen in den USA scheint Präsident Donald Trump davon wieder abzurücken. Die Reaktionen auf Demonstrationen in dieser Woche zeigten, dass die lokalen Regierungen im ganzen Land selbst in der Lage seien, wieder Ordnung herzustellen, sagten Mitarbeiter des Weissen Hauses, die anonym bleiben wollten.
Am Montagabend hatte Trump gedroht, er werde «Tausende und Abertausende» Soldaten entsenden, sollten die Gouverneure nicht in der Lage sein, selbst Ordnung in ihren Staaten zu schaffen.
China wirft USA Doppelmoral vor
Die Drohung von Donald Trump, das Militär gegen die Proteste einzusetzen, spielt in die Hände der chinesischen Propaganda. Regierungssprecher und Staatsmedien warfen den USA vor, «zweierlei Mass anzulegen» und «sich selbst zu widersprechen». Auch beklagten Kommentatoren Rassismus, Ungleichheit und Ungerechtigkeit in den USA. Vor dem Hintergrund des Jahrestages der Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Tienanmen am 4. Juni 1989 in China und der Proteste in Hongkong fand Trumps Ankündigung besondere Aufmerksamkeit.
In Washington war die Situation am Montagabend eskaliert und wurde zu einem Symbol Trumps Polizeitaktik, sowie eine Demonstration seiner Rhetorik: Beinahe 30 Minuten vor Inkrafttreten einer Ausgangssperre in Washington räumte die Polizei den Lafayette-Park, laut eigener Aussage, mithilfe von Rauchpetarden und Pfefferspray. Der Präsident habe mit einer aggressiven Aktion in der Hauptstadt ein Beispiel für den Rest des Landes setzen wollen, sagte ein hochrangiger Mitarbeiter des Weissen Hauses später.
Trump missfallen Berichte über Flucht in den Bunker
Die Proteste in Washington und anderen Städten gingen am Dienstag vergleichsweise ruhig weiter, was Trump sich selbst als Erfolg gutschrieb. «D. C. hatte keine Probleme gestern Abend. Viele Festnahmen. Guter Job von allen. Überwältigende Stärke. Beherrschung», twitterte er, nachdem schwer bewaffnete Militäreinheiten und Bundespolizisten in der Stadt ausgeschwärmt waren. Trump fügte hinzu «(danke, Präsident Trump!)».
Im texanischen Houston marschierten Zehntausende im Gedenken an den getöteten George Floyd.
Bild: Keystone/AP/David J. Philipp
Demonstrationen fanden am Dienstag unter anderem auch in Los Angeles, New York und Washington statt.
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Bei einem Gedenkmarsch in Los Angeles kniete Bürgermeister Eric Garcetti nieder.
Bild: Getty/Kent Nishimura
Der gewaltsame Tod von George Floyd bewegt in den USA die Gemüter. Der Afroamerikaner war am 25. Mai bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis brutal getötet worden, obwohl er unbewaffnet war.
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Ein weisser Polizist hatte fast zehn Minuten lang sein Knie in den Nacken des am Boden liegenden Floyd gedrückt, bis dieser das Bewusstsein verlor. Floyd hatte mehrfach gesagt, er bekomme keine Luft.
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Die Polizei hat Floyd angehalten, weil er mit einer gefälschten Banknote bezahlt haben soll. Der Bruder des Opfers (im weissen T-Shirt) trauert an der Todesstelle in Minneapolis.
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Auch in zahlreichen anderen Städten gehen die Menschen auf die Strasse, um gegen Polizeigewalt gegen Schwarze zu demonstrieren. Hier etwa in New York ...
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... und in Charlotte im Bundesstaat North Carolina.
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Wie hier in Seattle verlaufen die Demonstrationen oft friedlich, doch ...
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... kommt es auch zu Gewalt, Sachbeschädigungen und Plünderungen. Hier haben Randalierer in Philadelphia ein Polizeiauto in Brand gesetzt.
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Los Angeles im Jahr 2020: In der Westküstenmetropole wecken solche Bilder Erinnerungen an die schweren Unruhen von 1992. Damals gab es Dutzende von Toten, nachdem Polizisten freigesprochen wurden, die den Afroamerikaner Rodney King bei einer Verhaftung massiv verprügelt hatten.
Bild: Keystone
Bereits wurden Tausende Festnahmen aus zahlreichen US-Städten gemeldet. Im Bild ein Demonstrant in Washington.
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«Black Lives Matter», auch die Leben von Schwarzen zählen – so lautet das Motto der Protestbewegung ...
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... die auch von vielen Weissen unterstützt wird.
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Am Montagabend, 1. Juni, liess US-Präsident Donald Trump die Polizei mit Tränengas gegen die Demonstranten vor dem Weissen Haus vorgehen.
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Der Grund dafür wurde später klar: Trump lief öffentlichkeitswirksam zu Fuss zum nahegelegenen Lafayette-Park ...
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... wo er sich mit einer Bibel in der Hand vor der historischen St.-John's-Kirche fotografieren liess. Für diese Aktion wurde Trump unter anderem von der für die Kirche zuständigen Bischöfin kritisiert.
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Auch nach einer Woche ist die Protestwelle noch nicht abgeflacht. Trump droht Staaten und Gemeinden, die «zu wenig» gegen die Proteste unternähmen, mit dem Militär.
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Der Präsident soll sich über Bilder vom Wochenende geärgert haben, bei denen Feuer im Park und das Weisse Haus zu sehen waren, wie frühere und aktuelle Mitarbeiter seines Wahlkampfteams und der Regierung berichteten. Er war demnach ebenfalls erbost, dass berichtet worden war, wie Sicherheitsleute ihn am Freitagabend wegen der Proteste in einen Bunker des Weissen Hauses gebracht hatten.
Kritik auch von Republikanern
Obwohl das Durchgreifen in Washington von einigen Trump-Unterstützern gepriesen wurde, äusserten einige Republikaner auch die Sorge, dass dadurch gegen die Rechte von Protestierenden verstossen werde. Die zumeist friedlichen Proteste wurden durch den Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis angestossen. In vielen Städten in den USA und auch weltweit wurde gegen rassistische Polizeigewalt demonstriert.
Das Verteidigungsministerium hatte Notfallpläne ausgearbeitet, wie aktive Militärangehörige entsendet werden könnten. Dokumente des Pentagons, die der Nachrichtenagentur AP vorlagen, zeigten, dass Soldaten der Armee das Weisse Haus und andere Bundesgebäude schützen sollten, falls sich die Situation in der Hauptstadt verschlimmere und die Nationalgarde den Schutz nicht allein bewältigen könne.
Verteidigungsminister Mark Esper distanzierte sich von Trumps Entscheidung, nach der Räumung durch den Park Lafayette zu gehen, um für ein Foto vor der St. Paul's Kirche zu posieren. «Ich wusste nicht, wo ich hinging», sagte Esper dem Sender NBC News. Er habe erwartet, den Schaden an einer Toiletteneinrichtung im Park zu begutachten, die im Zuge der Proteste beschädigt worden war, und mit der Nationalgarde dort zu sprechen.