Erster Erfolg seit Monaten Soledar ist für Putin bestenfalls ein taktischer Pyrrhussieg

Moskau beansprucht Kontrolle über Soledar – Kiew dementiert

Die russischen Streitkräfte haben nach eigenen Angaben die vollständige Kontrolle über die seit Monaten heftig umkämpfte Stadt Soledar im Osten der Ukraine übernommen. Kiew bestritt die russischen Angaben umgehend, sprach aber von einer «sehr schw

13.01.2023

Erstmals seit einem halben Jahr verkündet Russland im Krieg gegen die Ukraine wieder die Einnahme einer Stadt. Doch was bedeutet die Eroberung der Kleinstadt Soledar für die nächsten Kriegswochen?

Russland vermeldet die endgültige Einnahme von Soledar, allerdings hat das ukrainische Militär die Angaben aus dem Kreml dementiert. Wie zuletzt schon häufiger: Um Soledar liefern sich die ukrainischen Verteidiger und die russischen Angreifer seit Wochen erbitterte Kämpfe. Die Stadt ist völlig zusammengeschossen.

Lagebild UkraineSo grausam läuft die Schlacht um die Salztunnel von Soledar ab

Es würde in Soledar kaum noch ein Stein auf dem anderen sein, beschrieb Wolodymyr Selenskyj ein apokalyptisches Szenario. Das Gelände sei von russischen Raketeneinschlägen zerfurcht und und mit russischen Leichen übersät. 

Kontrolle ja, aber kaum Vorteile

Wie viel Glauben ist der Siegesmeldung aus dem Kreml also zu schenken? Westliche Experten gehen davon aus, dass die ostukrainische Kleinstadt gefallen ist. Der US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW) schrieb bereits gestern, dass «russische Streitkräfte wahrscheinlich den grössten Teil, wenn nicht sogar die gesamte Ortschaft kontrollieren und die ukrainischen Streitkräfte aus dem westlichen Randgebiet der Siedlung verdrängt haben».

Allerdings schränken die Fachleute ein, dass die militärische Bedeutung für Russland sehr überschaubar ist. Dies, weil Soledad nur eine kleine Stadt (Vorkriegsbevölkerung von etwa 10’000 Menschen) ist. Auch mit dem nun eroberten Gebiet würde Russland noch keine Kontrolle über kritische ukrainische Bodenkommunikationslinien (GLOCs) nach Bachmut ausüben können. Dass sich die russischen Streitkräfte nun in eine bessere Position bringen könnten, um Bachmut kurzfristig einzukesseln, sei ebenso unwahrscheinlich.

Russische Armee erheblich geschwächt

Auch wenn die Eroberung Soledars, wie das ISW schreibt, «bestenfalls ein taktischer Pyrrhussieg» sei: Wladimir Putin kommt die Erfolgsmeldung gerade recht. Der Kreml-Herrscher brauchte dringend positive Nachrichten von der Kriegsfront: Es wäre schliesslich die erste Einnahme einer Stadt durch die russische Armee seit Anfang Juli, als sie Lyssytschansk in dem Angriffskrieg gegen die Ukraine erobert hatte.

General-RochadePutin setzt seinen Bluthunden einen Erzfeind vor die Nase

Soledar ist vor allem ein wichtiger psychologischer Erfolg für Putins nach vielen Niederlagen geschwächte Armee. Dass sie nun mit voller Kampfkraft weitermachen kann, daran gibt es allerdings erhebliche Zweifel: Der zermürbende Kampf um die Kleinstadt hat beträchtliche Ressourcen gekostet. Das ISW geht davon aus, dass die Erschöpfung von Mensch und Material die Kampfkraft erheblich schwächt: Auch wenn Russland Bachmut nun mit einem konstant hohes Tempo angreift, würden diese Angriffe kaum zu operativ bedeutsamen Ergebnissen führen.

Ins Wanken geraten ist die Verteidigungslinie der Ukraine nun trotzdem. Sollten sich auch Berichte über russische Geländegewinne südlich von Bachmut als wahr erweisen, könnte sich damit für die ukrainischen Truppen die Frage stellen, wie zweckmässig es ist, dort weiter zu verbleiben. Würde die Ukraine Bachmut preisgeben, wären die nächsten Ziele für die russische Armee die bisher relativ verschonten Städte Slowjansk, Kramatorsk, Druschkiwka und Kostjantyniwka.

Söldnergruppe Wagner meldet Einnahme der Stadt Soledar

Nach tagelangen Kämpfen hat die russische Söldnergruppe Wagner die Einnahme der ostukrainischen Stadt Soledar verkündet. Russische Nachrichtenagenturen zitierten den Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin am Dienstag mit den Worten, dass «Wagner-Einheiten das gesamte Gebiet von Soledar unter ihre Kontrolle gebracht haben».

11.01.2023