Reaktorunglück Betreiber sieht Fortschritte in der Atomruine Fukushima

dpa

31.1.2019

Okuma Machi liegt im Sperrgebiet um Fukushima, wohnen darf hier niemand mehr. Aber eine Strasse führt hindurch.
Okuma Machi liegt im Sperrgebiet um Fukushima, wohnen darf hier niemand mehr. Aber eine Strasse führt hindurch.
Bild: Lars Nicolaysen/dpa

Im März 2011 löste der Super-Gau in Fukushima weltweit Angst und Schrecken aus. Inzwischen ist Fukushima aus den Schlagzeilen verschwunden. Ein Ortsbesuch.

Fast acht Jahre nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima haben sich die Bedingungen für die Tausenden Arbeiter in der Atomruine nach Angaben des Betreiberkonzerns Tepco deutlich verbessert. In 96 Prozent der havarierten Anlage könnten sich die Arbeiter inzwischen ohne aufwendige Strahlenschutzkleidung bewegen, erklärte Tepco-Sprecher Kenji Abe am Donnerstag einer kleinen Gruppe ausländischer Journalisten bei einem Ortstermin. «Wir sehen deutliche Fortschritte.» Waren zwischenzeitlich rund 7'000 Arbeitskräfte von Tepco sowie angeheuerten Vertragsunternehmen tagtäglich im Einsatz, sind es heute im Durchschnitt noch gut 4'200.

Rund 18'500 Menschen starben, als an jenem 11. März 2011 ein schweres Erdbeben und ein gewaltiger Tsunami den Nordosten des Inselreiches heimsuchten. Zum Sinnbild der Katastrophe aber wurde der Super-Gau im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi, auch wenn dadurch niemand direkt ums Leben kam. Wegen der radioaktiven Strahlung von Kernschmelzen in drei der Reaktoren mussten rund 160'000 Anwohner damals fliehen. Mehr als 30'000 können noch immer nicht in ihre Wohnungen und Heimatorte zurück. Es war die schlimmste Atomkatastrophe seit Tschernobyl 1986.

Arbeiten ohne Schutzanzüge möglich

Die Strahlenwerte gehen zurück. Doch es liegt noch viel Arbeit vor den Betreibern des ehemaligen Atomkraftwerks.
Die Strahlenwerte gehen zurück. Doch es liegt noch viel Arbeit vor den Betreibern des ehemaligen Atomkraftwerks.
Bild: Keystone

Noch heute lassen grotesk verbogene Stahlstreben und geborstene Betonplatten an den Reaktoren das Chaos erahnen, das hier damals herrschte. Die Fahrt zur Atomruine führt durch die Stadt Okuma, in der niemand mehr leben kann. Vor den langsam verfallenen und vom Beben zerstörten Häusern und Geschäften wuchert das Unkraut, Zufahrtswege sind gesperrt. Nur die Durchfahrt über die Hauptstrasse ist erlaubt. In anderen Gebieten dagegen dürfen die ehemaligen Bewohner nach Dekontaminierungsarbeiten wieder zurück. Doch viele weigern sich, andere haben woanders längst ein neues Leben begonnen.

Derweil gehen die Arbeiten in der Atomruine Fukushima weiter. 30 bis 40 Jahre wird es noch dauern, bis der Meiler stillgelegt ist. Vieles hat sich hier seit dem Super-Gau getan. Die meisten Trümmer sind beseitigt, das Gelände mit Beton übergossen. Was am meisten erstaunt, ist, dass sich die Arbeiter in weiten Gebieten nicht mehr wie früher mit speziellen Schutzanzügen und Vollgesichtsmasken bewegen.

«Damals, als die Katastrophe begann, herrschten an dieser Stelle hier Strahlenwerte von 50'000 Mikrosievert pro Stunde. Jetzt sind es noch 110 bis 120 Mikrosievert pro Stunde», erläutert Sadanobu Kanno, «Risk Communicator» bei Tepco, und blickt von einer zubetonierten Anhöhe auf die Unglücksreaktoren herunter. Obwohl die Entfernung zu den zerstörten Reaktoren von hier nur rund 100 Meter beträgt, müssen weder er noch die Reporter Masken oder sonstige Schutzkleidung tragen. Das war vor noch nicht langer Zeit völlig undenkbar.

Bergungsarbeiten dauern an

Die Reaktoren 1 und 2 sollen ab 2023 beräumt werden, Reaktor 3 ist schon eher an der Reihe.
Die Reaktoren 1 und 2 sollen ab 2023 beräumt werden, Reaktor 3 ist schon eher an der Reihe.
Bild: Lars Nicolaysen/dpa

Doch dies kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es noch gewaltige Herausforderungen gibt. Noch immer lagern in den Reaktoren 1 bis 3 jeweils mehrere Hundert abgebrannte Brennstäbe in Abklingbecken, insgesamt rund 1'500. Doch auch hier macht der Betreiberkonzern Fortschritte, im März soll mit der Bergung im Reaktor 3 begonnen werden. In den beiden anderen zerstörten Reaktoren sollen ab 2023 die Brennstäbe entfernt werden, um sie dann an einem sichereren Ort zu lagern. Noch schwieriger dürfte es sein, an den geschmolzenen Brennstoff zu gelangen. Bislang weiss man nur in etwa, wo er sich befindet. Da die Strahlung im Inneren tödlich ist, muss Tepco Roboter einsetzen, um den Brennstoff zu lokalisieren.

Angepeilt ist, die Bergung des geschmolzenen Brennstoffs im Jahr 2021 in Angriff zu nehmen. Doch zunächst muss man erst einmal entscheiden, wie das überhaupt funktionieren soll. Derweil müssen die havarierten Reaktoren ständig weiter gekühlt werden. Tagtäglich dringt Grundwasser auf das Gelände der Atomruine, ein Teil davon gelangt in die Untergeschosse der Reaktoren. Dort mischen sie sich mit Wasser, mit dem Tepco die zerstörten Reaktoren kühlt. Ein Teil des dadurch radioaktiv belasteten Wassers wird nach Durchlaufen eines Filtersystems in riesigen Tanks zwischengelagert – inzwischen sind es rund 1,1 Millionen Tonnen. Bald ist kein Platz mehr für neue Tanks.

Die Lage ist unter Kontrolle

In riesigen Tanks wird verstrahltes Wasser gelagert.
In riesigen Tanks wird verstrahltes Wasser gelagert.
Bild: Lars Nicolaysen/dpa

Immerhin aber konnte die Menge an einsickerndem Grundwasser deutlich verringert werden, nicht zuletzt auch durch den Bau eines unterirdischen Eiswalls rund um die zerstörten Reaktoren. Waren es früher rund 400 Tonnen Grundwasser am Tag, seien es inzwischen nur noch etwa 100 bis 150 Tonnen am Tag. Dem Betreiberkonzern ist es wichtig, die Weltöffentlichkeit zu informieren.

Denn auch nach acht Jahren halten sich Gerüchte, Fukushima sei ein gefährlicher Ort. Länder wie Taiwan verbieten weiter die Einfuhr von Lebensmitteln aus Fukushima. «Wohl nirgendwo sonst sind die Lebensmittelkontrollen derart strikt wie heute in Fukushima», erklärt Tepco-Sprecher Kanno. Die klare Botschaft: Die Lage ist unter Kontrolle. Auch deswegen werden die Auftaktspiele des Olympia-Gastgebers Japan im Baseball und Softball im kommenden Jahr in der Provinz Fukushima stattfinden.

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