Siegeszug der Taliban Sexsklaven, Exekutionen, Terror – was Afghanistan jetzt blüht

AP/phi

11.8.2021

In Afghanistan fällt Provinz nach Provinz an die Taliban: Sie kontrollieren nun zwei Drittel des Landes. Das weckt Erinnerungen an ihre Herrschaft zwischen 1996 und 2001 – mit Exekutionen, Terror und jeder Menge Leid.

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Die Taliban haben ihren rasanten Vormarsch in Afghanistan mit der Eroberung von drei weiteren Provinzhauptstädten und einem Heereshauptquartier fortgesetzt.

Faisabad in der Provinz Badachschan, Pul-i Chumri in Baghlan sowie Farah in der gleichnamigen Provinz stünden nunmehr unter Kontrolle der militant-islamistischen Gruppe, teilten afghanische Funktionäre der Nachrichtenagentur AP mit. Damit haben die Aufständischen schon neun der 34 Provinzhauptstädte eingenommen.

Zudem fiel die Basis des 217. Korps am Flughafen von Kundus am Mittwoch an die Taliban: Die Taliban posteten ein Video im Netz, das nach ihren Angaben zeigt, wie Soldaten den Stützpunkt verliessen. Das 217. Korps ist eines von sieben des afghanischen Heeres. Stetig wächst nun der Druck auf die Zentralregierung in Kabul, sich gegen den Vormarsch der Taliban zu stemmen.

Bisher war die Hauptstadt nicht direkt von deren Offensive bedroht, doch die weitgehend auf sich alleine gestellten Sicherheitskräfte stossen an ihre Grenzen. Der Taliban-Feldzug fällt in die Phase des Abzugs aller amerikanischen Truppen aus dem Land, der auf Anordnung von Präsident Joe Biden zum Monatsende abgeschlossen sein soll.

Auch du, Kabul?

Der US-Geheimdienst warnt jedoch, dass Kabul stark gefährdet ist: Die Taliban könnten die Hauptstadt innert 30 Tagen isolieren und in 90 Tagen einnehmen. Das weckt Erinnerungen an 1996, als die Fanatiker mit der Einnahme Kabuls ein fünfjähriges Terrorregime eingeläutet haben – mit schwerwiegenden Folgen, wie die obige Bildergalerie zeigt.

Taliban im amerikanischen Humvee am 9. August in Kundus: Die zweitgrösste Stadt des Landes ist gefallen.
Taliban im amerikanischen Humvee am 9. August in Kundus: Die zweitgrösste Stadt des Landes ist gefallen.
AP

Ausser der Provinz Balch stehen inzwischen weite Teile des Nordostens unter der Kontrolle der Taliban. Dort wollen die Warlords Abdul Raschid Dostum, Atta Mohammed Nur und Mohammed Mohakik – die selbst mit Vorwürfen über Gräueltaten und Korruption in Verbindung gebracht werden – Truppen zur Unterstützung der Regierung mobilisieren. Dazu eilte Präsident Aschraf Ghani nach Balch.

Angesichts einer 20 Jahre langen Nato- und US-Militärmission sowie Milliardenausgaben für Schulung und Ausrüstung afghanischer Truppen können sich viele Beobachter die Überforderung der lokalen Kräfte mit den Taliban nicht erklären. Mitunter flohen afghanische Soldaten zu Hunderten vor den anrückenden Aufständischen, Widerstand leisten vor allem afghanische Elite-Einheiten und die Luftwaffe.

Washington hält sich zurück

Erst am Montag betonte die US-Regierung, dass sie den Kampf allein als Sache der politischen und militärischen Führung Afghanistans betrachte. Bisher lassen die USA trotz der Geländegewinne der Taliban keinen Willen erkennen, ihre Luftangriffe zur Unterstützung der afghanischen Truppen zu forcieren.

Afghanen, die vor den Taliban geflohen sind, sammeln sich am 10. August im Park von Kabul.
Afghanen, die vor den Taliban geflohen sind, sammeln sich am 10. August im Park von Kabul.
AP

Der Erfolg der Taliban hat Rufe nach einer Wiederaufnahme seit Langem stockender Friedensgespräche in Katar laut werden lassen. Sie sollen ein Ende der Kämpfe ermöglichen und Afghanistan den Weg zu einer Übergangsregierung der Einheit ebnen. Die Taliban verweigern jedoch eine Rückkehr an den Verhandlungstisch.

Der US-Sondergesandte für Afghanistan, Zalmay Khalilzad, warnte die radikalislamische Gruppe vor einer Machtübernahme mit Gewalt. Eine solche Regierung würde international nicht anerkannt werden. Inzwischen sind Zehntausende Menschen vor den Kämpfen in Dörfern und Städten im Norden Afghanistans geflohen. Viele Familien zieht es nach Kabul, wo sie in Parks und auf den Strassen mit wenig Lebensmitteln und Wasser ausharren.