Litauer helfen der Ukraine Sie sammelten für eine Waffe – nun spenden sie an Kriegsopfer

Von Philipp Dahm

3.6.2022

Eurovision-Gewinner machen Trophäe zu Drohne

Eurovision-Gewinner machen Trophäe zu Drohne

Das ukrainische Kalush Orchestra hat die Trophäe versteigert, die es beim Eurovision Song Contest 2022 gewonnen hat. Von dem Erlös soll das Luftfahrsystem PD-2 gekauft werden.

03.06.2022

Das kleine Litauen macht grosse Schlagzeilen: In Rekordzeit sammeln die Bürger*innen fünf Millionen Dollar ein, um eine türkische Drohne für die Ukraine zu beschaffen. Damit haben sie übers Ziel hinausgeschossen.

Von Philipp Dahm

Wenn es um Waffenhilfe für die Ukraine im Grossen geht, überstrahlen die Milliarden der USA einfach alles. Doch auch ganz einfache Bürger nehmen im Kleinen Geld in die Hand, um den Verteidigern dabei zu helfen, nötiges Kriegsgerät zu beschaffen.

In Litauen geht es um ein nationales Projekt, mit dem eine TB2-Drohne des türkischen Herstellers Bayraktar beschafft werden soll – und Beträge wie 100 Euro, die Agne Belickaite gespendet hat: «Vor dem Krieg hätte niemand von uns gedacht, dass wir einmal Waffen kaufen», sagt die Litauerin.

Eine ukrainische TB-2-Drohne mit der Präzisionsbombe Mam-L im Dezember 2020.
Eine ukrainische TB-2-Drohne mit der Präzisionsbombe Mam-L im Dezember 2020.
Ukrainische Luftwaffe

«Ich spende nun schon seit einer Weile, um Waffen für die Ukraine zu kaufen», erklärt die 32-Jährige der Nachrichtenagentur «Reuters». «Und wir werden so weitermachen bis zum Sieg.» Während grosse Länder «endlos» nachdächten, komme «die litauische Gesellschaft einfach zusammen und ist dabei, fünf Millionen Euro zu sammeln und die Drohne zu kaufen».

Ihr Land setze damit ein «eindrucksvolles Zeichen an die Welt», glaubt Agne Belickaite. Der ukrainische Botschafter in Litauen hört das natürlich gern: «Das ist beispiellos, das ist unglaublich», frohlockt der Diplomat. «Zum ersten Mal in der Geschichte sammeln gewöhnliche Leute Geld, um so etwas wie eine Bayraktar zu kaufen.»

Türkische Überraschung

Die Aktion, die der Journalist Andrius Tapina angestossen hat und die vom Verteidigungsministerium unterstützt wird, schlägt wie eine Bombe ein. Nach nur drei Tagen ist das Ziel erreicht und die Drohne kann in der Türkei bestellt werden. Auch Russland hat von der Sache Wind bekommen: Obwohl das Gerät noch gar nicht montiert ist, behaupten russische Internet-Trolle, die TB-2 sei nach dreieinhalb Minuten Flug abgeschossen worden.

Für die litauischen Unterstützer der Ukraine kommt es aber noch besser. «Gute Initiativen bleiben nicht unbemerkt», zitiert der litauische Sender LRT den stellvertretenden Verteidigungsminister Vilius Semeschka. «Wir sind in die Türkei gereist, um über Konditionen, die Deadline für die Produktion und das Übergabe-Prozedere zu verhandeln, aber sie haben uns die erfreulichste Überraschung gemacht, die möglich ist.»

Der Grund: «Die Türkei und Hersteller Baykar haben sich dazu entschieden, Litauen eine hochmoderne Bayraktar-TB-2-Drohne mit Optik und allem Zubehör zu SCHENKEN», schreibt Initiant Andrius Tapina auf Facebook. In drei Wochen werde das Fluggerät fertig sein und bald darauf von der litauischen Luftwaffe an die Ukraine übergeben werden.

Buy Me a Fighter Jet

Von den Spendengeldern würden nun 1,5 Millionen ans litauische Verteidigungsministerium gehen, das Waffen für die Drohne beschaffen will. 4,4 Millionen Euro werden für anderweitige humanitäre oder Rüstungshilfe frei, freut sich Tapina.

Für Privatleute, die die Ukraine explizit bei der Waffen-Beschaffung helfen wollen, gibt es neben privaten Aktionen wie der in Litauen diverse andere Möglichkeiten, ans Ziel zu kommen. Die NGO Promote Ukraine kauft von Spendengeldern beispielsweise Material wie Munition, Schutzwesten, Helme, Funk- oder Nachtsichtgeräte. Und bei BuyMeAFighterJet.com ist der Name der Website auch ihr Programm.

Den grössten Einschlag hat aber ein Programm aus Tschechien verursacht, das zwei Tage nach Beginn des Krieges in Leben gerufen worden ist: Das Crowdfunding, das die ukrainische Botschaft in Prag online angestossen hat, zählte bereits nach zwei Tagen einen Spendenstand von 15 Millionen Dollar. Nach knapp drei Monaten stehen über 50 Millionen Euro für Waffen zur Verfügung.