Freundschaft zerrüttet? Russische Propaganda warnt vor türkischem Angriff

gbi

18.7.2023

Auf Kollisionskurs? Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin.
Auf Kollisionskurs? Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin.
Bild: Pavel Golovkin/AP Pool/dpa

Getreideabkommen, schwedischer Nato-Beitritt: Die Konfliktpunkte zwischen Moskau und Ankara mehren sich. Die russische Propaganda warnt jetzt sogar vor einem türkischen Angriff auf russisches Gebiet. 

gbi

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die russisch-türkische Freundschaft sei in Feindschaft umgeschlagen. Das sagen russische Propagandisten.
  • Ein Duma-Abgeordneter warnt sogar unverhohlen davor, dass die Türkei einen Angriff auf Russland plane.
  • Der türkische Präsident Erdogan dagegen hofft auf ein Treffen mit Kreml-Chef Putin – und will diesen zu einem Einlenken beim Getreideabkommen mit der Ukraine bewegen.

Dass Russland am Montag das Getreideabkommen mit der Ukraine versenkt hat, trifft auch den türkischen Präsidenten hart. Immerhin hatte sich Recep Tayyip Erdogan mit grossem Einsatz für eine Verlängerung des Vertrags eingesetzt, der vor einem Jahr auch unter seiner Vermittlung zustande gekommen war.

Und auch jetzt bleibt er zuversichtlich, dass er den Kreml-Chef noch umstimmen könne. «Ich glaube, dass mein Freund Putin das Abkommen trotz der heutigen Erklärung fortsetzen will», sagte Erdogan in einer ersten Stellungnahme. 

Von «Freundschaft» zwischen Moskau und Ankara könne dagegen keine Rede mehr sein. Das sagen zumindest Akteure der russischen Propaganda. Diese hatten die jüngste Entscheidung Erdogans, seinen Widerstand gegen den Nato-Beitritt von Schweden aufzugeben, ohnehin nie goutiert. Doch nun verschärft sich der Ton nochmals, wie verschiedene Medien berichten.

Warnung vor türkischem Angriff auf die Krim

Die deutsche «Bild»-Zeitung zitiert etwa den Duma-Abgeordneten Semjon Bagdasarow, der von einem türkischen Angriff auf russisches Gebiet fantasiere. «Sie wollen die entstandene Situation nutzen, um Gebiete zurückzuholen, von denen sie glauben, dass sie ihnen gehörten. Das ist nicht nur der Süd-Kaukasus, sondern auch unser Nord-Kaukasus, die Schwarzmeer-Küste und die Krim. All das wird dort ernsthaft diskutiert.» Die russische Regierung dürfe es nicht so weit kommen lassen.

Auch bei der russischen nationalistischen Rechten mehrten sich die Stimmen, die die Einstufung der Türkei als «unfreundliches Land» verlangen. Das schreibt Gerhard Mangott, Professor für Politikwissenschaften und spezialisiert auf internationale Beziehungen, in einem Gastbeitrag für das Magazin «Focus».

Und nicht zuletzt macht der Fernsehmoderator Wladimir Solowjow, eine der gewichtigsten Stimmen des russischen Staatssenders Rossija 1, Stimmung gegen Erdogan. «Die Türkei ist ein imperialer Staat mit einer imperialen Geschichte. Das Osmanische Reich hatte eine sehr komplizierte Geschichte mit dem Russischen Reich. Wir haben mit niemandem so oft und so blutig Krieg geführt wie mit der Türkei. Und das sollten wir nicht vergessen.»

Dass der türkische Präsident sich so gar nicht martialisch geäussert hat und sogar auf ein persönliches Treffen mit Putin hofft, passt freilich schlecht in diese feindselige Darstellung.

«Times» erkennt ein «hochriskantes Manöver»

Dennoch bildet das Aus für das Getreideabkommen auch nüchtern betrachtet Konfliktpotenzial für die türkisch-russischen Beziehungen, wie die britische «Times» in einem Kommentar festhält: Sollte es Erdogan nicht gelingen, Putin umzustimmen, «könnte er einen radikalen Schritt wagen und türkische Marineschiffe anweisen, Getreidetransporte über das Schwarze Meer zu eskortieren», heisst es in dem Meinungsstück. Dies würde Russland herausfordern, sich mit Nato-Schiffen anzulegen – «ein hochriskantes Manöver».

Getreideabkommen mit Russland offiziell ausgelaufen

Getreideabkommen mit Russland offiziell ausgelaufen

Der Kreml macht seine Drohungen wahr: Trotz aller internationalen Appelle hat Russland das internationale Getreideabkommen mit der Ukraine auslaufen lassen.

18.07.2023