Schlacht um ChersonRussen lassen eine Geisterstadt zurück, Ukrainer rücken nur langsam vor
Von Philipp Dahm
3.11.2022
Ukraine: an der Front in Cherson
Bilder von der Frontlinie im Raum Cherson. Die Ukraine will alle von Russland annektierten Gebiete zurückerobern. Die Region Cherson im Süden des Landes ist hart umkämpft. Die russischen Truppen haben sich eingegraben und weichen nicht weiter zurück.
27.10.2022
Putins Truppen bereiten offenbar den Rückzug aus Cherson vor: Die russische Flagge über einem Verwaltungsgebäude wurde eingeholt, Material wird demontiert und 70'000 Menschen sollen evakuiert werden.
Von Philipp Dahm
03.11.2022, 19:15
03.11.2022, 19:42
Philipp Dahm
Russlands Statthalter in Cherson bläst zum Rückzug: Kirill Stremousow hat in einem Telegram-Video die Einwohner*innen aufgefordert, das Gebiet zu verlassen. 70'000 Menschen sollen evakuiert werden.
Das russische Militär bezieht demnach neue Stellungen östlich des Dnjepr: Eine 15 Kilometer breite Zone in diesem Gebiet werde deshalb geräumt, so Stremousow. «Es gibt eine Liste gewisser Siedlungen, in denen die Verteidigungslinie sein wird», wird der 45-Jährige zitiert.
Ungewöhnlich an seiner Botschaft ist, dass er die Menschen auffordert, Unregelmässigkeiten durch russische Truppen zu melden. «Sie können mich direkt kontaktieren», sagt Stremousow. «Ich brauche Berichte über alle Fakten – vom Trinken übers Plündern und Erniedrigungen bis hin zu versuchter Gewalt.»
Ein «ABC»-Reporter berichtet von der Front in Cherson.
Russische Fahne eingeholt
Die ukrainische Seite bestätigt, dass Putins Männer östlich des Dnjepr neue Stellungen beziehen und sich zum Beispiel im Gebiet von Nowa Katschowka eingraben. Die dortigen Bewohner seien entführt worden, weiss der ukrainische Generalstab. Die Verwaltung des Oblasts soll von Cherson nach Skadowsk verlegt worden sein, das am Schwarzen Meer in der Nähe der Krim liegt.
Russians have removed their flag from the main administrative building in Kherson pic.twitter.com/tn6lE1zGCD
Dazu passt ein Bild aus Cherson, das das Verwaltungsgebäude der Stadt ohne russische Flagge zeigt. Ein prorussischer Blogger hat es auf Telegram veröffentlicht. Alexander Kots schreibt dazu: «Ich kann bestätigen, dass [das Gebäude] keine russische Fahne hat.» Über anderen Gebäuden wehe sie gleichwohl noch, ergänzt er laut «Moscow Times».
This adds up to earlier reports of locals reporting the same.
Andere Fotos und Videos auf Social Media zeigen, dass die Besatzer Checkpoint am westlichen Ufer des Dnjepr geräumt haben. Die Kontrollpunkte waren berüchtigt, schreiben ukrainische Quellen: Das Video von Buspassagieren, die ob der leeren Checkpoints applaudieren, scheint ihnen recht zu geben.
Kherson locals applaud in a city bus as they pass by an abandoned Russian checkpoint for the first time P.S: Yesterday Russians abounded one of the city most cruel and infamous checkpoints in Kherson, Ostrov district pic.twitter.com/tcnD1ZS67F
Dass Putins Truppen abziehen, ohne dabei Schaden anzurichten, darf jedoch nicht erwartet werden. Auch wenn von verbrannter Erde keine Rede sein kann, zerstören die Soldaten zumindest alle Boote in ihrem Einflussbereich: So soll wohl ein Nachrücken des Feindes erschwert werden.
In recent days, Kherson residents have reported that Russians have begun threatening to destroy any boats in the city. Today, first photos of sunken boats appeared on one of the city piers. Russians reportedly shot holes in the boats. Link - https://t.co/TMqs5svjEjpic.twitter.com/6pyzpl1Whh
Bezeichnend ist, dass Moskaus Männer angeblich Funkantennen demontieren und abtransportieren. Sie rechnen offenbar nicht damit, dass sie diese in Cherson noch brauchen werden. Stattdessen sollen sie wohl woanders wieder aufgebaut werden.
Russia has started to destroy antennas in Kherson Oblast on the Western side of the Dnipro river. Ivanivka, Tokarivka and Beryslav are the possible location of those picture. That implies that Putin has issued a "Nero Decree" making all valuable items useless before retreating. https://t.co/YOIlLglS4bpic.twitter.com/fdTM04N6wJ
«France 24»-Reporter Gulliver Cragg berichtet aktuell, dass sich die ukrainischen Kräfte erst 25 Kilometer an die Stadt herangekämpft haben. Zum Teil seien sie noch bis zu 100 Kilometer entfernt. «Der Grossteil der Front ist 50 Kilometer entfernt», sagt der Franzose. Kiews Truppen würden versuchen, mit Artillerie Rückzugswege und Depots unter Beschuss zu nehmen. Das Gefecht werde noch mindestens Tage dauern, glaubt Cragg.