Ex-Vertrauter über Putin«Er wird immer emotionaler»
Von Andrea Moser
31.1.2023
Unnahbar, unberechenbar und gleichzeitig geheimnisvoll: So präsentierte sich der russische Präsident Wladimir Putin jahrzehntelang in der Öffentlichkeit. Doch nun habe er seine Emotionen oft nicht mehr im Griff, sagt sein ehemaliger Redenschreiber.
Von Andrea Moser
31.01.2023, 20:03
Andrea Moser
Sein Gesicht ein Pokerface, sein Verhalten oft undurchschaubar. Nun beginnt Wladimir Putins Maske offenbar zu bröckeln. Dieser Meinung ist der russische Polit-Analyst Abbas Galjamow. Während zehn Jahren hat Galjamow regelmässig als Redenschreiber für den russischen Präsidenten gearbeitet, das letzte Mal 2010.
Galjamow kennt daher Putins Verhalten gut. Dieses scheint sich jedoch, im Gegensatz zu damals, verändert zu haben. «Er wird immer emotionaler», sagt Galjamow im Interview mit CNN. Früher habe Putin seine Emotionen stets im Griff gehabt. «Er wirkt erschöpft.»
«Er macht Fehler»
Trotzdem sei Putin äusserlich in einer guten Verfassung. Er sehe gut aus, oder «jedenfalls viel besser als im letzten Frühling», sagt Galjamow. Putins Handlungen seien dagegen fraglich. «Er macht Fehler.» Beispielsweise befördere Putin gewisse Personen und unterstütze diese, nur um sie dann ein paar Monate später wieder zu degradieren.
Namen nennt Galjamow in diesem Zusammenhang keine, doch ein prominentes Beispiel für Putins unberechenbares Handeln ist Sergei Surowikin. Im Oktober 2022 wurde Surowikin zum Kommandeur aller russischen Streitkräfte in der Ukraine befördert, nur um den Posten im Januar 2023 an Waleri Gerassimow abzutreten.
Putins Schachfiguren
Im Oktober 2022 wurde Sergei Surowikin (links) von Wladimir Putin zum Kommandeur aller russischen Streitkräfte in der Ukraine befördert. Surowikins Freude (die ihm nicht anzusehen ist), war allerdings nur von kurzer Dauer.
Bild: Keystone
Im Januar 2023 wurde Surowikin bereits wieder degradiert. An seine Stelle trat Waleri Gerassimow (rechts), der die russischen Streitkräfte in der Ukraine nun führt.
Bild: Keystone
Auch Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin mischt ordentlich mit. Polit-Analyst Abbas Galjamow ist der Meinung, Prigoschin erhalte von Putin zu viel Macht.
Bild: Keystone (Archivbild)
Putins Schachfiguren
Im Oktober 2022 wurde Sergei Surowikin (links) von Wladimir Putin zum Kommandeur aller russischen Streitkräfte in der Ukraine befördert. Surowikins Freude (die ihm nicht anzusehen ist), war allerdings nur von kurzer Dauer.
Bild: Keystone
Im Januar 2023 wurde Surowikin bereits wieder degradiert. An seine Stelle trat Waleri Gerassimow (rechts), der die russischen Streitkräfte in der Ukraine nun führt.
Bild: Keystone
Auch Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin mischt ordentlich mit. Polit-Analyst Abbas Galjamow ist der Meinung, Prigoschin erhalte von Putin zu viel Macht.
Bild: Keystone (Archivbild)
«Er weiss nicht, was er tun soll»
Einen Namen nennt Galjamow dann aber doch noch: Jewgeni Prigoschin, Unternehmer und Chef der berüchtigten Söldnergruppe Wagner. Prigoschin habe von Putin viel zu viel Macht erhalten. Für Galjamow wirkt Putin verloren. «Er versteht, dass er handeln muss, aber er weiss nicht, was er machen soll.»
Putin habe über viele Jahre gewusst, wie er handeln oder reagieren müsse. Jetzt aber sei er in einer anderen Situation, mit der er nicht klarzukommen scheine, sagt Galjamow. Der Angriffskrieg gegen die Ukraine verläuft nicht nach Plan, im Gegenteil. Der Krieg tobt seit bald einem Jahr. Auch in der russischen Bevölkerung macht sich seit Monaten Unmut breit. Mit dieser unbekannten Situation hadert Putin offenbar sehr. «Das erfordert ein anderes Handeln. Aber er ist unfähig, das zu vermitteln.»
«Russen brauchen ihn nicht, wenn er nicht stark genug ist»
Dabei steht für Putin einiges auf dem Spiel. Im nächsten Jahr stehen in Russland Wahlen an. Seine Kandidatur hat Putin bisher nicht bekannt gegeben. Galjamow bezweifelt jedoch, dass die Wahlen planmässig stattfinden.
Beurteilt an Putins Handeln der letzten Wochen und den ständigen unnötigen Eskalationen kann sich Galjamow gut vorstellen, dass Putin das Kriegsrecht ausruft und die Wahlen verschiebt. Ohne einen Sieg in der Ukraine werde es für Putin sehr schwierig, dass ihn die Mehrheit der russischen Bevölkerung wählt. «Er muss beweisen, dass er stark ist. Russen brauchen ihn nicht, wenn er nicht stark genug ist.»
«Boris, ich will dir nicht wehtun»: Angeblich drohte Putin Johnson
Kreml-Chef Wladimir Putin soll nach Angaben des britischen Ex-Premiers Boris Johnson kurz vor Beginn des Ukraine-Kriegs persönliche Drohungen gegen ihn ausgesprochen haben. Der Kreml dementiert.