Carla del Ponte Putin «ist ein Kriegsverbrecher, ganz klar»

phi

19.1.2023

Baerbock: Russland wegen Kriegsverbrechen vor Gericht bringen

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16.01.2023

In der Aufarbeitung der Jugoslawienkriege hat sich Carla del Ponte als Chefanklägerin einen Namen gemacht. Nun ordnet die Tessinerin den Krieg in der Ukraine ein – und findet deutliche Worte.

phi

19.1.2023

Carla del Ponte glaubt nicht, dass sich Wladimir Putin einem Prozess vor einem internationalen Strafgericht entziehen kann: «Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag hat bereits eine Untersuchung wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingeleitet, die in der Ukraine von der russischen Armee begangen wurden», sagte die 75-Jährige laut «Swissinfo».

«Das schwerwiegendste Verbrechen, dessen er angeklagt werden könnte, ist das Verbrechen der Aggression», führte die Juristin aus. Dabei geht es um einen Angriffskrieg gegen einen souveränen Staat. Weil Russland aber das Statut, das dieses Verbrechen definiert, nicht unterzeichnet hat, müsste die internationale Gemeinschaft «ein spezielles Gericht bilden».

In diesem Punkt gebe es international noch keinen Konsens, obwohl der Fall für del Ponte eindeutig ist: Putin sei «ganz klar» ein «Kriegsverbrecher», ordnet die ehemalige Chefanklägerin der Internationalen Strafgerichtshöfe für Ruanda und das ehemalige Jugoslawien ein. «Ich sehe Analogien zu [dem serbischen Ex-Präsidenten und Kriegsverbrecher] Slobodan Milosevic.»

UNO ohne Macht

Ein Sondertribunal für das Verbrechen der Aggression wäre erfolgversprechend, so del Ponte. «Weil das Verbrechen der Aggression bereits bewiesen ist und keine anderen Beweise erfordert als jene, die wir bereits haben.» Als Genozid würde sie den Krieg dagegen nicht beschreiben: «Gemäss Völkerrecht muss man eine Absicht und einen Willen dafür nachweisen. Diesen Beweis zu erbringen, ist komplex.»

Carla Del Ponte meint, Wladimir Putin sei «ganz klar» ein «Kriegsverbrecher».
Carla Del Ponte meint, Wladimir Putin sei «ganz klar» ein «Kriegsverbrecher».
Archivbild: KEYSTONE

Im Unterschied zum Jugoslawien-Krieg hätten Ermittler nun den Vorteil, dass eine der Kriegsparteien mit der Justiz kooperiere. Zudem könnten dank Social Media leichter Beweise gesammelt werden. «Wenn man eine ernsthafte Untersuchung durchführt, wird es keine Zweifel mehr über die Täterschaft geben», stellte die Tessinerin mit Blick auf russische Dementi klar, die die Ukraine für entdeckte Massengräber verantwortlich machen.

Nachdem eine unabhängige internationale Untersuchungskommission der Vereinten Nationen Beweise für Hinrichtungen, Vergewaltigungen, Folter und Mord gefunden haben, müsse nun die Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine ermitteln. Und weiter? «Der IStGH müsste rasch Untersuchungen durchführen können.» Ein Sondergericht der UNO sei aber wegen Russlands Vetorecht kaum vorstellbar: Die UNO «hat aber in der aktuellen Situation nur sehr wenig Macht», so del Ponte.

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