ProtesteWarum Iran im Ausland die Muskeln spielen lässt
AP/toko
23.10.2022 - 21:38
Drohnen für Russland, Manöver nahe Aserbaidschan, Angriffe auf kurdische Ziele im Irak: Über Aggression will sich Teheran Rückhalt sichern. Doch die Demonstranten im eigenen Land lassen nicht locker.
23.10.2022, 21:38
AP/toko
Während im eigenen Land Proteste toben, lässt der Iran im Ausland militärisch die Muskeln spielen. Die theokratische Regierung in Teheran stellt Russland für den Krieg in der Ukraine Drohnen zu Verfügung, hält Manöver an der Grenze zu Aserbaidschan ab und bombardiert kurdische Stellungen im Irak.
Damit will sich die Führung offenbar den Rückhalt von Hardlinern sichern, während im Land die Demonstrationen nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini am 16. September nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei andauern. Dem Westen und dem weiteren Nahen Osten führt das Vorgehen zudem erneut vor Augen, dass die iranische Regierung für den eigenen Machterhalt zum Einsatz von Gewalt im In- und Ausland bereit ist.
Das iranische Atomprogramm erhöht das Risiko einer Destabilisierung weiter. Teheran verfügt bereits über genug hochangereichertes Uran, um eine Atombombe zu bauen, und setzt die Produktion weiter fort. Die internationalen Verhandlungen über das Nuklearprogramm sind gescheitert.
An den Protesten beteiligen sich nun Menschen aus allen Gesellschaftsschichten, von Schulkindern bis zu Älteren, wie auf Online-Videos zu sehen ist. Nach Angaben von Aktivisten und Aktivistinnen hat sich die Bewegung seit Aminis Tod auf mehr als 100 Städte im Land ausgeweitet. Frauen nehmen aus Protest bei Kundgebungen und im Alltag ihre Kopftücher ab.
Demonstranten lassen sich nicht einschüchtern
Selbst von drohenden Festnahmen, Schlägen und sogar tödlicher Gewalt durch Sicherheitskräfte lassen sich die Demonstrierenden nicht einschüchtern. Aktivistengruppen zufolge wurden bereits Tausende Menschen festgenommen und mehr als 200 getötet.
Die Regierung versucht, mit einem eigenen Programm dagegenzuhalten. In der Hauptstadt und andernorts werben fahnenschwenkende Männer und komplett verhüllte Frauen für Veranstaltungen.
Sich den Rückhalt ihrer Anhänger zu sichern, ist für die Führung entscheidend angesichts ihrer schwersten Krise seit der Grünen Bewegung von 2009. Als Teil der Bemühungen will sie in den vergangenen Wochen demonstrieren, dass sie sich gegen ihre Feinde zur Wehr setzen kann, ob tatsächlich oder scheinbar.
Die ersten Angriffe erfolgten Ende September, als die paramilitärische Revolutionsgarde Gebiete kurdischer Separatisten im benachbarten Irak mit Drohnen und Raketen beschoss. Laut kurdischen Angaben wurden dabei mindestens 16 Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt. Zugleich behauptete der Iran ohne jegliche Belege, dass kurdische Separatisten die Demonstrationen nach dem Tod von Amini, einer Kurdin, angezettelt hätten.
Manöver an der Grenze zu Aserbaidschan
Militärische Aktivitäten wurden auch aus dem Norden von der iranischen Grenze zu Aserbaidschan gemeldet, wo die Revolutionsgarde mehrtägige Manöver abhielt. Am Mittwoch veröffentlichte die halbamtliche Nachrichtenagentur Tasnim ein Video, auf dem zu sehen ist, wie Truppen der Garde Pontonbrücken über den Grenzfluss Aras errichten und diese dann mit Panzern und Lastwagen passieren. Verärgert haben Teheran unter anderem die Verbindungen Aserbaidschans zu Israel: Das Land bezog von dort nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri zwischen 2016 und 2020 fast 70 Prozent seiner wichtigsten Waffenexporte.
Und dann ist da noch der russische Krieg in der Ukraine. Mit iranischen Drohnen vom Typ Schahed-136 zerstörten die russischen Streitkräfte unter anderem Wohngebäude und andere Ziele in der ukrainischen Hauptstadt Kiew – auch wenn beide Seiten beteuern, dass der Iran die Waffen nicht geliefert habe.
Unterdessen häuft Teheran immer mehr hochangereichertes Uran an. Israel hat erklärt, niemals zuzulassen, dass der Iran in den Besitz einer Atomwaffe kommt. Mehrfach flog das Land in der Vergangenheit Luftangriffe, um Nuklearprogramme im Irak und in Syrien zu zerstören. Auch dieses Thema birgt definitiv das Risiko, sich zu einem breiteren Konflikt auszuwachsen.