Gluthitze über dem MittelmeerDas Inferno im Ferien-Paradies ist laut Forschern erst der Anfang
tafi
3.8.2021
Paradiesisch ist es in Griechenland, Italien und der Türkei derzeit nicht. Die beliebten Ferienländer leiden unter Hitze und Trockenheit, Waldbrände wüten, der Strom fällt aus. Experten sagen: Das ist nur der Anfang.
tafi
03.08.2021, 13:10
03.08.2021, 16:13
tafi
Sizilien ist betroffen, auf der griechischen Ferieninsel Rhodos werden ganze Dörfer evakuiert, in der Türkei, wo bisher acht Menschen ums Leben gekommen sind, starb unter anderem ein deutsch-türkisches Ehepaar. Der Mann und die Frau seien leblos auf einem Weg in der Nähe ihres Hauses in Manavgat in der Region Antalya gefunden worden, schreibt die regierungsnahe türkische Nachrichtenagentur Demirören Haber Ajansi (DHA).
Busch- und Waldbrände und unerträgliche Temperaturen machen den östlichen Mittelmeerraum seit einer Woche zu einem Glutofen.
Meteorologen gehen davon aus, dass die Hitze nicht so schnell nachlassen wird. Sie könnte bis zu zwei Wochen andauern und verheerende Folgen haben. Die Menschen bekommen sie am eigenen Leib zu spüren: Griechenland erlebt die schlimmste Hitzewelle seit 1987. Das Thermometer kletterte zuletzt für mehrere Stunden am Tag auf mehr als 40 Grad Celsius. In Athen sinken die Temperaturen auch nachts nicht unter 30 Grad.
Ein neuer europäischer Temperaturrekord gilt nicht mehr als ausgeschlossen: 1977 waren in Athen 48 Grad Celsius gemessen worden. Diese Marke könnte in dieser Woche übertroffen werden.
Die Türkei erlebt die schlimmsten Waldbrände seit einem Jahrzehnt. 156 Brände sind laut der türkischen Kommunikationsdirektion in der vergangenen Woche in dem Land ausgebrochen. Davon seien am Dienstagmorgen 146 unter Kontrolle gebracht worden. Die Brände toben vornehmlich an der Mittelmeerküste, besonders betroffen sind die Regionen Antalya, Mugla aber auch Adana. Etliche Regionen wurden evakuiert, viele Dörfer und Landstriche wurden von den Flammen zerstört, zahlreiche Tiere konnten nicht gerettet werden.
Und dann fiel Anfang der Woche in mehreren Regionen auch noch der Strom aus, unter anderem in Istanbul, Ankara, Izmir, Bursa und Mersin. Mit der Hitze ist der Stromverbrauch gestiegen: Klimaanlagen laufen an vielen Orten seit Tagen auf Hochtouren.
Dass Brände und unerträgliche Temperaturen nur Symptome sind, wie Wetterexperten gebetsmühlenartig wiederholen, geht inmitten der im Stundentakt veröffentlichten Hiobsbotschaften unter. Die Ursache lässt sich nicht mehr wegdiagnostizieren. Die Erde leidet unter dem Klimawandel, oder wie knapp 14'000 Wissenschaftler warnen: Die Lebenszeichen des Planeten werden schwächer.
Wissenschaftler schlagen unermüdlich Alarm
Schon vor zwei Jahren hatten mehr als 11’000 Wissenschaftler aus rund 150 Ländern gemeinsam einen weltweiten «Klima-Notfall» erklärt. Im Fachjournal «BioScience» haben sie nun ihren Dringlichkeitsappell, bei dem mehr als 2800 weitere Unterzeichner hinzugekommen sind, wiederholt und sofortige Veränderungen gefordert, um das Leben auf der Erde zu schützen.
«Die extremen Klima-Ereignisse und Muster, die wir in den vergangenen Jahren – und sogar nur in den vergangenen Wochen – beobachtet haben, unterstreichen die gestiegene Dringlichkeit, mit der wir die Klimakrise angehen müssen», erklärte Ko-Autor Philip Duffy vom Woodwell Climate Research Center im US-Bundesstaat Massachusetts.
William Ripple von der Oregon State University warnt: «Es gibt wachsende Anzeichen dafür, dass wir uns Wendepunkten von verschiedenen Systemen der Erde – wie den Warmwasser-Korallenriffen, dem Amazonas-Regenwald und der Eisdecke der West-Antarktis und Grönlands – nähern oder diese sogar schon überschritten haben.»
In einigen Gebieten Russlands hat die grosse Hitze vor einem Jahr grosse Mengen des klimaschädlichen Gases Methan freigesetzt, wie eine aktuelle Studie um den Bonner Wissenschaftler Nikolaus Froitzheim zeigt. Grund dafür: Die Permafrostböden Sibiriens tauen ungewöhnlich stark auf – was für die Menschen vor Ort akute Gefahr bedeutet. Ihnen bricht der Boden buchstäblich unter den Füssen weg.
Das Wetter bleibt länger gleich – und wird dadurch extremer
Auch die Hitzewelle in Südeuropa lässt sich ziemlich konkret auf den Klimawandel zurückführen. Weil sich die Arktis wegen des Klimawandels stärker erwärmt als der Äquator, wird der Temperaturunterschied zwischen den beiden Regionen kleiner. Dadurch geht dem Jetstream, einem Höhenwind-Band, der Schnauf aus: Die Hoch- und Tiefdruckgebiete können nicht mehr so leicht über Europa hinwegbewegt werden.
Das wiederum führt zu länger anhaltenden Wetterlagen in einem Gebiet: «Ein lang anhaltendes Wetter mit viel Niederschlägen führt dann zu Hochwassern, ein lang anhaltendes Wetter ohne Regen zu Trockenheit und Dürren», erklärt der Hydrologe Fred Hattermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) in Deutschland. Die Folgen waren vor einigen Wochen bei den Hochwassern in der Schweiz und in Deutschland zu sehen – und sind nun in Südeuropa zu spüren.