Anhörung im US-Senat «Meine Familie und mein Name wurden vollkommen zerstört»

dpa/phi

28.9.2018

Christine Blasey Ford hält es für ihre «Bürgerpflicht», gegen Brett Kavanaugh vorzugehen. Der Richter konterte bei der Anhörung im US-Senat, er werde nicht aufgeben.

Nach einer äusserst hitzigen Anhörung des Supreme-Court-Kandidaten Brett Kavanaugh im US-Senat hat sich Präsident Donald Trump klar hinter den mit Missbrauchsvorwürfen konfrontierten Richter gestellt. «Richter Kavanaugh hat Amerika genau gezeigt, warum ich ihn nominiert habe», twitterte Trump wenige Minuten nach der Befragung Kavanaughs. «Seine Aussage war stark, ehrlich und fesselnd.»

Die Psychologie-Professorin Christine Blasey Ford hatte dem Juristen in der Sitzung erneut versuchte Vergewaltigung vorgeworfen, wogegen sich dieser mit drastischen Worten wehrte. Trump forderte eine Abstimmung des Senats über die wichtige Personalie.

«Nationale Schande»

Ob es zu dem ursprünglich für Freitag geplanten Votum im Justizausschuss kommen wird, ist noch unklar. Der republikanische Ausschussvorsitzende Chuck Grassley sagte dem Nachrichtenportal «Politico» lediglich, dass ein Treffen am Morgen angesetzt sei.

Christine Blasey Ford mit Anwätin am 27. September im US-Senat in Washington.
Christine Blasey Ford mit Anwätin am 27. September im US-Senat in Washington.
Keystone

In seiner fast vierstündigen Anhörung vor dem Ausschuss des Senats hatte sich Kavanaugh aggressiv verteidigt. Der erkennbar aufgebrachte 53-Jährige stellte die Missbrauchsvorwürfe als Schmutzkampagne der oppositionellen Demokraten dar. «Dieser Nominierungsprozess ist zu einer nationalen Schande verkommen», schimpfte er.

Ford war zuvor getrennt von Kavanaugh von dem Ausschuss befragt worden und liess keinen Zweifel daran, dass er es gewesen sei, der sie 1982 bei einer Schülerparty versucht habe zu vergewaltigen. Sie sei sich zu «100 Prozent» sicher, beteuerte Ford.

Ford dachte, «dass Brett mich töten würde»

Die mit Spannung erwartete Anhörung der beiden geriet aus mehreren Gründen bemerkenswert. Nicht nur Ford zeigte sich sehr emotional und kämpfte immer wieder mit den Tränen. Sie beschrieb detailliert, wie ein betrunkener Kavanaugh in Anwesenheit eines seiner Freunde sexuell übergriffig geworden sei und seine Hand auf ihren Mund gelegt habe, um sie am Schreien zu hindern. «Es war schwer für mich zu atmen, und ich dachte, dass Brett mich versehentlich töten würde.»

Auch Kavanaugh zeigte sich aufgewühlt, brach mehrfach in Tränen aus. In anderen Momenten trat der 53-Jährige unwirsch und sogar äusserst wütend auf. Immer wieder wurde seine Stimme laut, immer wieder attackierte er die demokratischen Senatoren im Ausschuss scharf.

Die Anschuldigungen wies Kavanaugh zurück. Er sei unschuldig und habe niemals jemanden belästigt. Innerhalb von zehn Tagen seien seine Familie und sein Name wegen der Vorwürfe «vollständig und dauerhaft» zerstört worden. Es handele sich um einen «kalkulierten und orchestrierten politischen Schlag» gegen seine Person.

Kavanaugh sagt aus: «Meine Familie und mein Name wurden durch bösartige und falsche Anschuldigungen vollkommen und permanent zerstört.»

Ungewöhnlicher Prozess

Dass ein Kandidat für das höchst einflussreiche Oberste Gericht in den USA zu einem solchen Verbalangriff auf eine Partei ausholt, ist ungewöhnlich. In der Regel sehen Kandidaten und auch die Richter selbst von Einmischungen in parteipolitische Angelegenheiten ab. Der Supreme Court hat aufgrund seiner folgenreichen Entscheidungen eine enorme Bedeutung für das Land.

Wie gespalten die USA sind, wie tief die Gräben zwischen links und rechts klaffen, lässt sich oft an den Grundsatzentscheidungen des Gericht ablesen: Ob bei Abtreibung, Ehe für Alle oder dem grossen Streitthema Waffenkontrolle – die oft mit knapper Mehrheit gefällten Beschlüsse sind von landesweiter Bedeutung und prägen die Auslegung von Gesetzen an unteren Gerichten über Jahre, teils Jahrzehnte.

Wütend: Brett Kavanaugh.
Wütend: Brett Kavanaugh.
Keystone

Einer der neun Richterposten ist durch einen Rücktritt freigeworden, und die Nachbesetzung mit Kavanaugh könnte dem Gericht auf lange Zeit eine konservative Schlagseite geben. Die Richter dort werden auf Lebenszeit ernannt. Vorgeschlagen werden sie vom Präsidenten. Der Senat muss seine Zustimmung geben.

Taktische Geplänkel

Dass beide Parteien die Auseinandersetzung um Kavanaugh so unerbittlich führen, liegt auch daran, dass in wenigen Wochen die wichtigen Kongresswahlen anstehen. Für die Demokraten ergibt sich daraus die Chance, die Bestätigung hinauszuzögern, bis sich nach der Wahl möglicherweise die Mehrheitsverhältnisse im Senat ändern.

Der republikanische Senator Lindsey Graham warf den Demokraten deshalb taktische Verzögerung mit unmoralischen Mitteln vor, diese keilten während der Anhörung Kavanaughs nicht minder vehement zurück.

Trump hatte Kavanaugh im Juli für den Richterposten vorgeschlagen. Kurz vor der Entscheidung des US-Senats über die Personalie kamen dann Fords Vorwürfe gegen den Juristen an die Öffentlichkeit. Daneben gibt es Anschuldigungen von mindestens zwei weiteren Frauen.

Ford: Angst und Depressionen

Ford erklärte am Donnerstag, sie habe wegen des Vorfalls an Angstzuständen, Platzangst, Panik und Symptomen gelitten, die einer posttraumatischen Belastungsstörung ähnelten. «Ich bin heute nicht hier, weil ich das will», sagte sie. «Ich habe Angst. Ich bin hier, weil ich glaube, dass es meine Bürgerpflicht ist, Ihnen zu erzählen, was mir passiert ist, als Brett Kavanaugh und ich auf der High School waren.»

Senator Patrick Leahy von den Demokraten befragt Brett Kavanaugh.
Senator Patrick Leahy von den Demokraten befragt Brett Kavanaugh.
Keystone

Am deutlichsten in Erinnerung geblieben sei ihr «das brüllende Gelächter der beiden» Freunde bei dem Vorfall, «und dass sie auf meine Kosten Spass hatten». Ford betonte mehrfach, ihre Vorwürfe nicht aus politischen Motiven öffentlich gemacht zu haben. Sie habe den Kongress schon zu informieren versucht, als neben Kavanaugh noch weitere Namen für den Posten gehandelt wurden.

Kavanaugh gab sich in seinem Teil der Sitzung kämpferisch. Er werde sich nicht einschüchtern lassen und an seiner Kandidatur festhalten, erklärte er. «Sie mögen mich in der Endabstimmung besiegen, aber sie werden mich nie dazu bringen, aufzugeben.»

Die Bilder des Tages:

Zurück zur Startseite