Energie-Bredouille Kuba in der Zwickmühle zwischen den USA und Russland

29.10.2022

Der Hurrikan «Ian» liess auf Kuba die Lichter ausgehen.
Der Hurrikan «Ian» liess auf Kuba die Lichter ausgehen.
Bild: KEYSTONE

Die Energie ist knapp, der Druck auf die kubanische Regierung hoch. Beim großen Nachbarn USA dringt sie auf Lockerung der Sanktionen, von Russland kommt dringend benötigtes Öl - ein Drahtseilakt.

Als mit Hurrikan «Ian» im September in Kuba die Lichter ausgingen, war der Unmut in der Bevölkerung gross - und der Karibikstaat inmitten einer sich zuspitzenden Energiekrise weiter in die Enge getrieben. Bei der Suche nach Auswegen steckt Kuba dabei in der Zwickmühle im neuen Ost-West-Konflikt.

Auf der einen Seite steht der grosse Nachbar USA, bei dem die kubanische Regierung auf eine Lockerung der Sanktionen dringt. Auf der anderen Seite ist es das aus kommunistischen Zeiten verbündete Russland, das mit Öllieferungen die Energieengpässe schmälert.

«Sie stecken in der Bredouille», sagt der Kuba-Experte William LeoGrande von der American University in Washington mit Blick auf den Inselstaat. «Kuba kann es sich nicht leisten, eine der beiden Seiten in einem neuen Kalten Krieg zu verärgern.»

Abhängig von ausländischem Öl

Der grosse Knackpunkt ist die Energie: Seit Jahrzehnten ist Kuba von ausländischem Öl als Hauptenergiequelle abhängig. Bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991 verkauften die Sowjets dem Bruderstaat Öl weit unter Marktpreis. Später schloss Kuba eine ähnliche Vereinbarung mit dem sozialistischen Verbündeten Venezuela und schickte Mediziner im Tausch gegen verbilligtes Erdöl nach Südamerika. Inzwischen steckt Venezuela jedoch selbst in der Krise.

Derweil verfielen die wichtigsten Kraftwerke wegen mangelnder Wartung immer mehr. Die kubanische Regierung versuchte, im Gegenzug ihren eigenen Energiesektor zu stärken und das Potenzial der Insel für Solar- und Windenergie zu nutzen – mit nur begrenztem Erfolg. Für fehlende Investitionen macht Kuba dabei die US-Sanktionen verantwortlich.

Der schöne Schein trügt: In Havanna wächst der Druck auf die Regierung.
Der schöne Schein trügt: In Havanna wächst der Druck auf die Regierung.
Bild: KEYSTONE

«Die Blockade entzieht Kuba unverzichtbare finanzielle Ressourcen», erklärte kürzlich der kubanische Aussenminister Bruno Rodríguez auf einer Pressekonferenz. Die Krise der Energieversorgung gehöre zu den Ergebnissen dieser Beschränkungen.

Sanktionen seit der Zeit des Kalten Krieges

Die US-Sanktionen reichen in die Zeit des Kalten Krieges zurück. Unter der Regierung von Barack Obama schien sich ein Ende der Eiszeit anzudeuten, Kuba bekam eine Atempause. Doch unter der Regierung von Donald Trump wurden die Beschränkungen wieder in vollem Umfang auferlegt und verstärkten noch einmal die Lasten der Corona-Pandemie. Präsident Joe Biden hat inzwischen zwar wieder einige Sanktionen gelockert, doch ein guter Teil ist weiter in Kraft.

Mit Öllieferungen aus Russland konnte sich Kuba etwas Luft verschaffen. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs lieferte Moskau Öl im Wert von schätzungsweise 352 Millionen Dollar (351 Millionen Euro) in den Karibikstaat. Dies ist die stärkste Belieferung aus Russland in diesem Jahrhundert, sie reicht unabhängigen Schätzungen zufolge aus, etwa 40 Prozent der Versorgungslücke Kubas zu schliessen. Die anderen 60 Prozent kommen aus Venezuela.

Russland wiederum helfen die gesteigerten Verkäufe an China, Indien und auch Kuba, das Gewicht der internationalen Sanktionen wegen des Einmarsches in der Ukraine zu mildern. «Wir wissen, dass die russischen Lagertanks voll sind», sagt Jorge Piñon vom Energie-Institut an der University of Texas in Austin. Moskau müsse die Ware loswerden. «Also eine gute Nachricht für Kuba und eine gute Nachricht für Russland, dass Kuba in dieser Lage ist.»

Kubas Aussenminister Bruno Rodriguez Parrilla vor der UN: Zu Russlands Annexionen in der Ukraine enthielt sich der Inselstaat.
Kubas Aussenminister Bruno Rodriguez Parrilla vor der UN: Zu Russlands Annexionen in der Ukraine enthielt sich der Inselstaat.
Bild: KEYSTONE

Laut Piñons Institutsdaten hat Russland seit Beginn des Ukraine-Krieges mindestens acht Lieferungen von insgesamt 4,3 Millionen Barrel Öl, hauptsächlich Rohöl, nach Kuba geschickt. Zwei weitere Lieferungen seien auf dem Weg, sagt Piñon. Seit der Jahrtausendwende waren es nach Daten der UN-Statistikabteilung Comtrade zuvor nur zwei Lieferungen gewesen: eine im Jahr 2017 im Wert von 35,3 Millionen Dollar und eine weitere im Jahr 2018 im Wert von 55,8 Millionen Dollar.

Russlands Annexionen werden nicht verurteilt

Wenig überraschend gehörte Kuba nun zu der Minderheit der Staaten in den Vereinten Nationen, die Russland nicht für die Annexion von vier ukrainischen Regionen verurteilten. Stattdessen enthielt sich der Karibikstaat bei der Abstimmung.

«Sie müssen eine gute Beziehung zu Russland aufrechterhalten», erklärt Kuba-Experte LeoGrande. Es stehe einfach zu viel auf dem Spiel für die Regierung in Havanna, als dass sie das gute Verhältnis riskieren könne. Das wiederum könnte aber das Bemühen um ein Ende der US-Sanktionen und eine Annäherung an die USA weiter verkomplizieren.