Russisches Gericht gnadenlos Putin-Kritiker Nawalny zu 19 Jahren Straflager verurteilt

sda/dpa/tjnj

4.8.2023

Der Kremlkritiker Alexej Nawalny ist zu weiteren 19 Jahren im Straflager verurteilt worden.
Der Kremlkritiker Alexej Nawalny ist zu weiteren 19 Jahren im Straflager verurteilt worden.
Bild: Evgeny Feldman/Meduza/AP/dpa

Kremlkritiker Alexej Nawalny ist zu 19 Jahren Haft in einem Straflager verurteilt worden. Er soll angeblich eine extremistische Organisation gegründet und die «Nazi-Ideologie wiederbelebt» haben.

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  • Kremlkritiker Alexej Nawalny ist zu einer Haftstrafe von 19 Jahren in einem Straflager verurteilt worden.
  • Nawalny wird vorgeworfen, eine extremistische Organisation gegründet und zu extremistischen Aktivitäten aufgerufen zu haben.
  • Nawalny bestreitet die Vorwürfe. Sie seien erfunden worden, um ihn mundtot zu machen.

Ein russisches Gericht hat den inhaftierten Kremlgegner Alexej Nawalny am Freitag zu einer Haftstrafe von 19 Jahren in einem Straflager verurteilt. Die Haft muss der 47-Jährige im Straflager absitzen. Das Verfahren wegen angeblichen Extremismus wird international als politische Inszenierung kritisiert. 

Der Prozess fand im Hochsicherheitsgefängnis IK-6 unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Dort ist Nawalny bereits unter anderem wegen Betrugs inhaftiert.

Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch erklärte auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur, dass mit dem Urteil die Gesamtlänge der Haftdauer gemeint sein sollte – also die neun Jahre Straflager, zu denen Nawalny bereits verurteilt wurde – mit eingerechnet seien. Es bleibe aber das schriftliche Urteil abzuwarten, sagte sie.

Nur zehn Tage für die Vorbereitung auf den Prozess

Die Staatsanwaltschaft wirft Nawalny vor, eine extremistische Organisation gegründet und finanziert sowie zu extremistischen Aktivitäten aufgerufen zu haben. Er habe ausserdem die «Nazi-Ideologie wiederbelebt».

Um sich auf den Prozess, dessen Anklageschrift 3828 Seiten umfasste, vorzubereiten, hatte die Verteidigung nur zehn Tage Zeit.

Nawalny bestreitet die Vorwürfe: Sie seien frei erfunden und lediglich ein Versuch, ihn mundtot zu machen. Laut Menschenrechtsgruppen und einigen Regierungen westlicher Staaten ist der Aktivist ein politischer Gefangener.

Neue Haftbedingungen könnten noch härter werden

Nawalnys Team im Exil erklärte, dass die Strafe in einem Lager unter besonderen Haftbedingungen abgesessen werden soll, die noch strenger seien als die in der bisherigen Kolonie.

Nawalny sei wie ein «König» lächelnd ohne Fesseln allein in den Saal gekommen, kommentierten seine Mitarbeiter, die sich im Exil in der EU aufhalten, bei einer Livesendung bei YouTube. Sein Bruder Oleg Nawalny, der selbst schon inhaftiert gewesen war, sagte, dass Alexej in guter «moralischer und physischer Verfassung» sei.

Seine Unterstützer kritisieren zudem, dass der Prozess nicht vor dem Moskauer Stadtgericht, sondern direkt in Nawalnys Strafkolonie im 260 Kilometer von Moskau entfernten Melechowo abgehalten wird.

Harsche Haftbedingungen trotz angeschlagener Gesundheit

Dort versammelten sich vereinzelt Aktivisten, um den Oppositionsführer zu unterstützen. Nawalny wird nach Berichten seines Teams durch unmenschliche Haftbedingen und Dauerisolation gefoltert.

Menschenrechtler weisen immer wieder auf die angeschlagene Gesundheit Nawalnys hin, der im Sommer 2020 nur knapp einen Nervengiftanschlag überlebte.

Nawalny wirft dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB und Präsident Wladimir Putin vor, hinter dem Mordanschlag vor drei Jahren zu stecken. Der Kreml dementiert das. Nach einer Behandlung in Deutschland kehrte Nawalny damals in seine Heimat zurück. Noch am Flughafen wurde er festgenommen.

Nawalny: Urteil soll Bevölkerung abschrecken

Das neue Urteil gegen ihn diene der gesellschaftlichen Einschüchterung, schrieb Nawalny vorab. Es solle die kritischen Teile der russischen Bevölkerung davon abhalten, sich öffentlich gegen Putin und Russlands Krieg in der Ukraine zu stellen.

Er bat auch um Solidarität mit politischen Gefangenen. Schon in seinem Schlusswort vor zwei Wochen hatte der Oppositionspolitiker dazu aufgerufen, gegen das «gewissenlose Böse, das sich selbst ‹Staatsmacht der Russischen Föderation›» nennt, zu kämpfen.