Lagebild Ukraine Kiew stösst im Süden weiter vor, muss aber das Tempo drosseln

Von Philipp Dahm

31.8.2023

Ukraine meldet wichtigen Erfolg bei Gegenoffensive

Ukraine meldet wichtigen Erfolg bei Gegenoffensive

Nach ukrainischen Angaben und nach Einschätzung von Militärexperten haben ukrainische Truppen bei ihrer Gegenoffensive einen wichtigen Erfolg erzielt. Es sei den ukrainischen Soldaten gelungen, die ersten Elemente der wichtigsten russischen Befestigungsanlagen, der sogenannten «Surowikin-Linie» zu durchbrechen.

31.08.2023

Die ukrainischen Streitkräfte erreichen hinter Robotyne die Surowikin-Linie und könnten in dieser bald aufräumen, doch es läuft wohl wie nach der Einnahme von Urozhaine: Zunächst müssen die Flanken gesichert werden.

Von Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die Drohnen-Attacke im Raum Pskow schränkt Russlands Möglichkeiten für schnelle Truppen-Verlegungen ein.
  • Kiews Armee ist östlich von Ronotyne Richtung Werbowe vorgestossen und hat die Surowikin-Linie erreicht.
  • Gleichzeitig hat die ukrainische Armee Nowoprokopiwka im Osten umgangen und ist zru Hauptverteidigungslnie vorgerückt.
  • Nun müssen jedoch zunächst wohl die Flanken gesichert werden, bevor es dort weitergeht.
  • Hinter Urozhaine ist das bereits passiert und es aammeln sich Truppen für die nächste Attacke.
  • Der zweite ukrainische Brückenkopf am linken, östlichen Dnjepr-Ufer bei Kosatschi Laheri existiert offenbar doch noch.
  • Südlich von Bachmut erobert die 3rd Assault Brigade weitere Teile Klischtschiwkas und hat Avdiivka von drei Seiten umstellt.

Der grosse Drohnen-Angriff vom 29. auf den 30. August wirkt nach. Nach dem Angriff auf die Basis des 104th Guards Air Assault Regiment und auf den Militärflughafen bei Pskow dürfte Russlands Fähigkeit, schnell Truppen zu verlegen, geschmälert sein.

Wieviele Il-76 beschädigt oder zerstört worden sind und ob auch ein Tu-22-Bomber in Mitleidenschaft gezogen wurde, muss sich allerdings erst noch zeigen: Wolken verhindern, dass das ganze Ausmass der Zerstörung von Satelliten erspäht werden kann.

Verstärkungen könnte Moskau wohl im Süden der Ukraine brauchen: Dort ist die Front in Bewegung. Die wichtigsten Neuigkeiten kommen vom Frontabschnitt, der in Orichiw seinen Lauf nahm. Zuletzt konnte dort Robotyne befreit werden.

Ukraine erreicht die Surowikin-Linie

Anschliessend dehnen die ukrainische Streitkräfte wie im letzten Lagebild Ukraine angekündigt die Front einerseits nach Osten Richtung Werbowe aus und umgehen andererseits Nowoprokopiwka östlich der Siendlung und stossen bis zur Hauptverteidigungslinie der Russen vor.

Dieser nach ihrem Erdenker Surowikin-Linie benannte Komplex besteht aus Drachenzähnen gegen Panzer sowie Schützengräben und Minenfeldern. Bei Werbowe ist diese Linie nun offenbar zum Teil eingenommen worden, während die russische Seite mit Gegenangriffen antwortet. Die Gefechte in diesem Frontabschnitt sollen sehr schwer sein.

Und auch wenn Kiews Kräfte bei Werbowe stetig vorankommen sollen und die Verteidigungslinien von der Seite und von hinten korrumpiert werden können, wird sich die ukrainische Armee davor hüten, zu weit vorzupreschen: Erst muss der Gegner an den Flanken zurückgedrängt werden, um das Erreichte abzusichern.

Dieses Bild von Telegram zeigt angeblich, wie ukrainische Soldaten beschädigte russische Stellungen in Robotyne für ihre Zwecke umbauen.
Dieses Bild von Telegram zeigt angeblich, wie ukrainische Soldaten beschädigte russische Stellungen in Robotyne für ihre Zwecke umbauen.
Telegram

Die Verbreiterung der Front war auch nach der Eroberung von Urozhaine ein Thema. Dort haben die ukrainische Streitkräfte sich vorgearbeitet, so dass die Russen eine Linie von Prjutne im Westen über Sawitne Baschannja am Fluss Mokri Jally bis nach Kermenchyk im Osten erstreckt. Kiew konzentriert hier Truppen, die Russen halten sie sich mit ihrer Luftwaffe bisher noch vom Hals.

Südwestlich dieses Schauplatzes am Dnjepr ergab sich zuletzt der Eindruck, einer der zwei ukrainischen Brückenköpfe am linken, östlichen Dnjepr-Ufer sei aufgelöst, doch dieser Eindruck täuscht.

Das legen Bilder nahe, die zeigen sollen, wie ein thermobarischer Raketenwerfer vom Typ TOS-1A bei Kosatschi Laheri ukrainische Truppen unter Feuer nimmt. Moskau behauptet sogar, die Gegenseite wolle seine Soldaten dort weiter verstärken.

Die russische Armee steht nicht nur in der Südukraine unter Druck, sondern auch südlich von Bachmut. Sie kämpft sich in Klischtschijwka langsam, aber stetig durchs Dorf. Andriivka, das nur 2,3 Kilometer südlich liegt, soll inzwischen von drei Seiten umschlossen sein, nachdem Kiews Truppe die Bahnlinie erreicht hat, die östlich der Siedlung vorbeizieht.

Die aktueelle Lage im Süden von Bachmut laut Military Lab.
Die aktueelle Lage im Süden von Bachmut laut Military Lab.
YouTube/Military Lab

Bilder und Videos in den sozialen Netzwerken zeigen, dass auch hier heftig gekämpft wird. Major Makysm Zhorin, der stellvertretenden Kommandeur der 3rd Assault Brigade, die aus Veteranen des Asow-Regiments besteht, ist angeblich mit der Versorgung der Truppe zufrieden. Der Gegner verfüge nur über schlichte Mittel, was Waffen und Schutzausrüstung angehe.

Die Kämpfer nutzen bei ihren Angriffen ihre Vorteile in der Nacht aus, weil sie mehr und bessere Nachtsichtgeräte haben. Die Gegenseite antworte bei Nacht mit Artilleriefeuer, während am Tag Kamikaze-Drohnen die grösste Gefahr für die Ukrainer sind.