Polit-Ringen in Grossbritannien Johnson: «Brexit-Deal ist historische Chance»

dpa, tasc

19.10.2019

Erstmals seit 37 Jahren tagt das britische Unterhaus wieder an einem Samstag, um über Wohl und Wehe des Brexits zu entscheiden. Premier Johnson beginnt mit einem eindringlichen Aufruf, seinen Brexit-Deal zu unterstützen. Doch es droht eine weitere Verschiebung.

In einer historischen Sondersitzung des britischen Unterhauses hat Premierminister Boris Johnson noch einmal eindringlich um Unterstützung für den neuen Brexit-Vertrag mit der Europäischen Union geworben. Es sei ein grossartiger Deal, der einen geregelten EU-Austritt am 31. Oktober erlaube, sagte Johnson am Samstag wenige Stunden vor den entscheidenden Abstimmungen des Parlaments im Unterhaus. Oppositionsführer Jeremy Corbyn von der Labour-Partei erteilte Johnson aber sofort eine Absage. Der Premierminister hat keine eigene Mehrheit im Parlament. Er ist daher auf die Unterstützung aus der Opposition angewiesen.

Premier Johnson hatte am Donnerstag mit der EU einen geänderten Austrittsvertrag vereinbart, der von den EU-Staats- und Regierungschefs sofort abgesegnet wurde. Für diesen Deal braucht er nun dringend die Zustimmung des Parlaments. Ansonsten ist er per Gesetz zum Antrag auf eine weitere Verlängerung der Brexit-Frist verpflichtet.

Es «droht» eine weitere Verschiebung

Doch es könnte sein, dass es erst gar nicht zur Abstimmung über den Deal kommt. Ein überparteilicher Änderungsantrag sieht vor, die Entscheidung bis zur Verabschiedung des Ratifizierungsgesetzes zu verschieben. Dieses Gesetz ist notwendig, um dem Austrittsabkommen in Grossbritannien Geltung zu verschaffen. Sollte also der Änderungsantrag, das sogenannte Letwin-Amendment, angenommen werden, läge Johnsons Deal auf Eis.

Neu geklärt wurde in dem jetzt geänderten Austrittsvertrag die Frage, wie die Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland auch nach dem Brexit offen bleiben kann. Zudem vereinbarte Johnson mit Brüssel in einer politischen Erklärung, dass es auf längere Sicht nur eine lose Bindung seines Landes an die EU geben soll. Eine frühere Fassung des Pakets war im Unterhaus drei Mal durchgefallen.

Jetzt aber habe man den bestmöglichen Deal, sagte Johnson. «Heute hat dieses Haus eine historische Gelegenheit», sagte der Regierungschef in einer im Ton verbindlichen und staatstragenden Rede. Er nannte seinen Deal die «grösste einzelne Wiederherstellung nationaler Souveränität in der Geschichte des Parlaments».

Die Furcht der Labour-Opposition vor einer Senkung von Umwelt- und Sozialstandards versuchte Johnson zu entkräften – daran habe niemand ein Interesse. Labour-Chef Corbyn nahm ihm das allerdings nicht ab. Das seien «leere Versprechungen», sagte Corbyn. «Er hat das Austrittsabkommen nachverhandelt und hat es sogar noch schlechter gemacht.» Dieser Deal führe unweigerlich zu einem Handelsabkommen nach Trump-Manier, sagte der Altlinke. Seine Partei werde den «Ausverkauf» nicht zulassen. Das Abkommen biete keinerlei Sicherheit.

In Angriffslaune

Johnson warnte in seiner Rede die Abgeordneten davor, noch einmal auf eine Verzögerung des Brexits abzuzielen. Auch die EU wolle das nicht mehr, sondern sich endlich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern. Der Brexit war im Frühjahr zweimal verschoben worden, zuletzt auf den 31. Oktober, also in knapp zwei Wochen.

Neben einer Reihe von Abgeordneten, die er im September aus der Fraktion geworfen hat, dürfte Johnson vor allem versuchen, Labour-Abgeordnete auf seine Seite zu ziehen. Der Ausgang der Abstimmung könnte denkbar knapp ausfallen.

Das Parlament zeigte sich in der Vergangenheit extrem zersplittert. Konsens war bisher nur, dass es keinen ungeregelten Austritt ohne Vertrag geben soll. Johnson sagte jetzt, das wolle er auch nicht.

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