«Last Week Tonight» John Oliver und die starken Männer oder: die Rückkehr der Autoritären

Philipp Dahm

19.11.2018

Unbedingt abwehrbereit: Philippinen-Präsident Rodrigo Duterte.
Unbedingt abwehrbereit: Philippinen-Präsident Rodrigo Duterte.
Keystone

Im «Last Week Tonight»-Finale 2018 zeigt John Oliver auf, an welchen drei Kriterien man den autoritären Führer erkennt, dessen Typus weltweit wieder im Kommen ist.

Die vielleicht traurigste Nachricht zuerst: «Last Week Tonight» geht in die Winterpause. Ein kleines Trostpflaster ist, dass der News-Komiker in der Dernière der HBO-Serie nochmal zu Hochform aufläuft, als er über die Rückkehr der starken Männer spricht.

Ein ganzer Kerl: Wladimir Putin in den privaten Ferien – ganz alleine mit einem Fotografen.
Ein ganzer Kerl: Wladimir Putin in den privaten Ferien – ganz alleine mit einem Fotografen.
Keystone

Der Grund ist offensichtlich – und damit sind nicht bloss die üblichen Verdächtigen wie Russlands Wladimir Putin oder Chinas Xi Jinping gemeint, die ihre Macht in diesem Jahr weiter gefestigt haben. 2018 ist das Jahr, in dem ein Viktor Orbán in Ungarn und ein Recep Tayyip Erdoğan in der Türkei wiedergewählt worden sind. Und 2018 markiert einen Wendepunkt in Brasilien, wo nun ein radikaler Ex-Soldat am Ruder ist.

Kriterium eins: Stärke zeigen

Das ist notabene der Mann, der die Militärdiktatur preist, Folter befürwortet und seine politischen Gegner ins Exil treiben will. «Er ruft zur Einheit auf», sagt eine Off-Sprecherin in einem der Ausschnitte. «Oh, das ist nett», kommentiert der Gastgeber. Dabei seien politische Internetseiten doch eigentlich wie Profile bei Tinder: «Wenn man erstmal Folter befürwortet, ist das alles, woran sich die Leute erinnern werden.»

Tatsächlich aber sei der globale Trend zum Autoritären «alarmierend»: «In vielen Fällen entscheiden sich die Leute aktiv dafür: Ein Drittel der Weltbevölkerung lebt in einer schwindenden Demokratie.» Grund genug für seine Redaktion, die drei Kriterien herauszuarbeiten, die allen selbsternannten Führern gemein sind.

Nummer eins: Stärke zeigen – zum Beispiel mit Militärparaden. Manchmal wird bei denen sogar gesungen. Olivers Kommentar zu einem scheppernden Rotarmisten: «Eine kleine Warnung, Russland: So hören sich Musicals an, wenn man Homosexualität verbietet.»

Ein Lächeln hat Putin für Militärs immer übrig – sofern sie die richtige sexuelel Präferenz haben.
Ein Lächeln hat Putin für Militärs immer übrig – sofern sie die richtige sexuelel Präferenz haben.
Keystone

Kriterium zwei: Feinde aufbauen

Die Sorge um die Legitimität der eigenen Herrschaft sei ausschlaggebend für diese Power-Betonung, fährt Oliver fort. «Es ist im Grunde dasselbe wie bei einem Mann, der unsicher wegen seines Penis' ist. Er kauft ein Motorrad, er geht ins Fitnessstudio oder erfindet den Tesla.... Was hast du für einen verrückten Penis, Elon?»

Stärke zeigen die starken Männer auch gerne privat. Wladimir Putins Ferienfotos sind der visuelle Beweis für die These, aber den Vogel schiesst der turmenische Präsident mit seinem Hurra-Kabinett ab. Sehen Sie selbst, was Gurbanguly Berdimuhamedow alles stemmen kann:

Das zweite Merkmal des schamlosen Führers ist das Dämonisieren des Gegners, vor dessen Umtrieben dann auch bloss eine harte Hand hilft. So gesehen hat Rodrigo Duterte Pranken aus Stahl: Seit er 2016 Präsident der Philippinen geworden ist, haben 12'000 Menschen seinen Kampf gegen Drogen mit dem Leben bezahlt. Wer an seiner Botschaft zweifelt, sollte sich Dutertes Weihnachtsbotschaft und Olivers Thankgiving-Gruss ab Minute 5.42 ansehen.

Philippinen-Patriarch Rodrigo Duterte wünscht allen Verbrechern einen langsamen, quaslvollen Tod. Halt, nein, also auch, aber auch frohe Weihnachten.
Philippinen-Patriarch Rodrigo Duterte wünscht allen Verbrechern einen langsamen, quaslvollen Tod. Halt, nein, also auch, aber auch frohe Weihnachten.

Kriterium drei: Institutionen schwächen

«Wenn die Leute Angst haben, sind sie verführbarer für Autoritäre», fasst der Moderator zusammen. «Deshalb erfinden starke Männer eine Bedrohung, wenn keine echte da ist, und nehmen oft Gruppen wie Immigranten oder Minoritäten ins Visier. So wie Putin, der sagte, Homosexualität werde von der EU gezielt gefördert, um Russland zu schwächen - natürlich waren gerade Putins Popularitätswerte am Einbrechen.

Popularität: Putin weiss, wo oben ist.
Popularität: Putin weiss, wo oben ist.
Keystone

Das dritte Erkennungsmerkmal des furchtlosen Führers ist die Feindschaft gegenüber Insitutionen. «Journalisten werden in [diesen] Regimen regelmässig bedroht, eingesperrt, getötet oder haben wie in Putins Russland, tragische Unfälle, von denen andere vielleicht etwas lernen.» Aber auch staatstragende Organe wie Judikative oder Exekutive kommen unter Beschuss, wie zuletzt China, die Türkei, Ungarn oder Venezuela gezeigt haben.

Jair Bolsonaro, ab Januar 2019 Präsident Brasiliens, bekommt im Oktober 2018 in Rio de Janeiro von einem Jiu-Jitsu-Meister den schwarzen Gurt ehrenhalber, weil er einst einen Messerangriff überlebt hat.
Jair Bolsonaro, ab Januar 2019 Präsident Brasiliens, bekommt im Oktober 2018 in Rio de Janeiro von einem Jiu-Jitsu-Meister den schwarzen Gurt ehrenhalber, weil er einst einen Messerangriff überlebt hat.
Keystone

Nur: Wer will denn nun bloss einen Präsidenten, der alle drei Kritierien erfüllt? Offenbar mehr Menschen als man denkt. So loben beispielsweise diverse philippinische Wähler ab Minute 10.18 die Gangart Dutertes: «Die Medien sind voreingenommen. Sie zeigen nur die Tötungen. Warum zeigen sie nicht die anderen Sache wie die Infrastrukturmassnahmen.» Oups! Oder wie Oliver sagt: «Sie wäre die einzige Person der Welt, die hört, wie ein Killerkommandio der Regierung jemanden von einer Brücke schmeisst und sagt: ‹Halt, erzähl mir mehr über diese Brücke›.»

Und was ist mit Washington?

Doch warum in die Ferne schweifen? Bei dem einen oder anderen Kriterium könnten auch US-Amerikanern die Ohren klingeln: Ihr Präsident «hat offen Sympathien für einige Autoritären bekundet», weiss der Moderator. Duterte habe etwa einen «unglaublichen Job» gemacht, als er das Vebrechen um die Ecke brachte. 2016 zitiert Donald Trump auf Twitter sogar den Führer des faschistischen Italiens.

Trumps Reaktion, als er vom Urheber des Spruchs erfuhr? Ab 12.22 sagt der Politiker: «Es ist okay, dass es Mussolini war. Sehen Sie, Mussolini war Mussolini. Es ist ein sehr gutes Zitat, es ist ein interessantes Zitat. Ich weiss, wer es gesagt hat. Aber was macht das für einen Unterschied?» Damals war Trump erst Präsidentschaftskandidat, unterstreicht Oliver und zeigt ab 13.35 weitere, knackige Zitate aus dem früheren Wahlkampf. Stichworte: «ausbomben», «in die Fresse schlagen» oder «Folter wirkt».

«Das Ding ist: Die Leute mögen es», sagt der Gastgeber. Und Politiker, die das bedienen, spielen mit dem Feuer. «Denn Trump würde alles tun, wenn es ihm genug Zuspruch bringt. Die grosse Sorge also ist, dass Trump nicht einfach nur wie ein Autoritärer tönt, sondern dass hierzulande viele mögen, wie sich das anhört.» Beweise in Form von Videoschnipseln ab Minute 15.22.

Fazit: Dieser Brite wird uns fehlen

Dass das Weisse Haus nicht auch autoritär geführt wird, liege nur daran, dass die US-Instituionen noch stark genug seien, um dem Republikanern zu widerstehen. Noch. «Aber es gibt keinen Zweifel daran, dass Trump das System auf die Probe stellt», fasst Oliver zusammen. Sind die USA vor Autoritarismus gefeit? Können wir alle aufatmen?

Und John Oliver so:

Nun aber müssen wir uns erst einmal gedulden, bis uns bei John Olivers Witzen wieder einmal das Lachen im Halse stecken bleibt. Womit beschätigen wir uns bis Februar 2019, bis die nächste Staffel kommt?

Mh, haben Sie eigentlich «A Star Is Born» schon gesehen???

Zurück zur Startseite