Politik Georgien-Wahl: Erste Ergebnisse zeigen Regierungspartei vorn

SDA

26.10.2024 - 21:53

Bidsina Iwanischwili, Gründer der Partei Georgischer Traum, bei den Parlamentswahlen in Georgien vor einem Wahllokal in Tiflis. Foto: Kostya Manenkov/AP/dpa
Bidsina Iwanischwili, Gründer der Partei Georgischer Traum, bei den Parlamentswahlen in Georgien vor einem Wahllokal in Tiflis. Foto: Kostya Manenkov/AP/dpa
Keystone

Bei der Parlamentswahl in der Südkaukasusrepublik Georgien liegt die bisherige Regierungspartei Georgischer Traum nach Auszählung von 70 Prozent der Wahlzettel vorn. Die vom Milliardär Bidsina Iwanischwili gegründete Partei kommt den Angaben zufolge auf rund 53 Prozent der ausgezählten Stimmen, wie die Wahlkommission in der Hauptstadt Tiflis am Abend mitteilte. Auch Prognosen hatten den Georgischen Traum als stärkste Partei gesehen. Allerdings beanspruchten zunächst auch Teile der proeuropäischen Opposition in dem stark gespaltenen Land den Wahlsieg für sich. Die Wahlbeteiligung lag vorläufigen Angaben der Wahlkommission zufolge bei rund 59 Prozent.

Die proeuropäische Opposition war in mehreren Bündnissen angetreten, ist aber zerstritten. Das Wahlbündnis Einheit, in dem auch die bei der Parlamentswahl 2020 grösste Oppositionspartei Vereinte Nationale Bewegung ist, erhielt den Angaben zufolge rund 10 Prozent der Stimmen. Das Wahlbündnis Koalition für den Wandel ist demnach nun das stärkste Oppositionsbündnis mit rund 11 Prozent der ausgezählten Stimmen.

Die oppositionsnahe proeuropäische Präsidentin Salome Surabischwli teilte nach Veröffentlichung der ersten Prognosen bei X mit, dass die in die EU strebenden Parteien auf 52 Prozent der Stimmen gekommen seien. «Georgien hat Demokratie gezeigt, Europäertum und Reife... Ich bin stolz und überzeugt von unserer europäischen Zukunft!», teilte sie mit.

Viele rechnen bei Erfolg des Georgischen Traums mit Abkehr von EU

Einen Erfolg des von dem Milliardär Bidsina Iwanischwili gegründeten Georgischen Traums halten viele für eine Abkehr des Landes von der EU hin zu mehr Zusammenarbeit mit dem grossen Nachbar Russland. Iwanischwili ist mit Geschäften in Russland zum Milliardär geworden. Aufgerufen zur Abstimmung waren im In- und Ausland rund 3,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger.

Georgien ist EU-Beitrittskandidat, der Prozess liegt aber wegen umstrittener Gesetze auf Eis. Deshalb sprachen vor allem prowestliche Kräfte im Vorfeld von einer Schicksalswahl für das am Scheideweg stehende Land, in dem sowohl der Einfluss Russlands als auch der des Westens stark sind.

Berichte über einzelne Verstösse

Lokale Medien berichteten im Verlauf des Tages über einzelne Zwischenfälle und Konflikte in Wahllokalen. In der Kleinstadt Marneuli im Südosten des Landes warf ein Mann in einem Wahllokal mehrere Stimmzettel ein, teilte die zentrale Wahlkommission mit. Die Ergebnisse in dem Wahllokal würden nicht gezählt, hiess es. Opposition und Regierung gaben sich gegenseitig die Schuld für den Vorfall. Das Innenministerium leitete ein Strafverfahren ein.

Wegen der polarisierten Lage im Land und befürchteter Wahlfälschung hatten vor allem auch Nichtregierungsorganisationen viele Beobachter im Einsatz, um die Abstimmung zu kontrollieren. Wahlrechtsexperten hatten schon einen Missbrauch staatlicher Ressourcen durch die Regierungspartei beklagt. Auch rund 500 Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sind im Einsatz. Sie geben an diesem Sonntag ihr Urteil über die Wahl ab.

Opposition ist zersplittert – Land gespalten

Die Opposition in dem stark polarisierten Land ist zerstritten. Sie eint das Streben nach Europa. Doch den verschiedenen Parteien war es im Vorfeld nicht gelungen, sich für den Kampf gegen den Georgischen Traum zu vereinen. Knapp eine Woche vor der Wahl hatten Zehntausende in Tiflis für eine Annäherung an die EU demonstriert. Vor allem junge Leute äussern immer wieder den Wunsch, dass Georgien Teil der EU wird. Sie wollen die Visafreiheit erhalten, im Ausland studieren und fürchteten um Einhaltung der Menschenrechte unter der zunehmend autoritären Führung des Georgischen Traums, sagten Studentinnen bei der Demonstration für Europa.

Wenige Tage später waren wieder Zehntausende auf den Strassen der Hauptstadt, diesmal bei einer Kundgebung des Georgischen Traums. Die Partei hatte Busse organisiert, mit denen Menschen aus den teils weit entfernten Regionen des Landes am Schwarzen Meer in die Hauptstadt gefahren wurden.

Georgischer Traum schürte Ängste vor Krieg mit Russland

Der Georgische Traum hatte im Wahlkampf Ängste vor einem Krieg mit Russland geschürt, sollte die Opposition gewinnen. Zu sehen war das etwa an Wahlplakaten, auf denen Fotos von im russischen Angriffskrieg zerstörten Städten in der Ukraine solchen von intakten Gebäuden in Georgien gegenübergestellt wurden. Den Wählern versprach der Georgische Traum Frieden und Stabilität.

Der Regierungschef Irakli Kobachidse hatte am Morgen betont, dass die Wahl ein Referendum zwischen Krieg und Frieden sei. Auch Iwanischwili schürte bei seiner Stimmabgabe am Morgen erneut Angst vor einem Krieg, in den ausländische Mächte das Land angeblich führen wollen.

Iwanischwili macht die Partei von Ex-Präsident Saakaschwili für den Krieg mit Russland 2008 verantwortlich. Moskau erkannte danach die abtrünnigen georgischen Gebiete Abchasien und Südossetien als unabhängige Staaten an. So verlor Georgien 20 Prozent seines Staatsgebiets. Iwanischwili kündigte mehrfach an, die Partei verbieten zu wollen, sollte sein Georgischer Traum bei der Wahl eine Zweidrittelmehrheit im Parlament erlangen.

Erst Ende 2023 hatte die EU Georgien zum Beitrittskandidat gemacht. Wegen der Verabschiedung umstrittener Gesetze liegt der Prozess jedoch wieder auf Eis. Die EU warf der Führung des Landes einen antieuropäischen Kurs vor. Die Regierung hatte gegen massive Proteste Gesetze durchgesetzt, wie es sie ähnlich auch in Russland gibt. Darunter ist ein Gesetz zur Kontrolle der Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen und Medien aus dem Ausland, das den Einfluss von aussen beschneiden soll. Auch die Rechte Homosexueller und anderer sexueller Minderheiten wurden zuletzt beschnitten – in dem Land, in dem die georgisch-orthodoxe Kirche weiter grossen Einfluss hat.

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