Ukraine-Affäre Nancy Pelosi greift Trump direkt an: «Das ist Bestechung» 

SDA/DPA

15.11.2019

Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, bezichtigt Amerikas Präsident Donald Trump bei einer Pressekonferenz am Donnerstag in Washington erstmals der Bestechung.
Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, bezichtigt Amerikas Präsident Donald Trump bei einer Pressekonferenz am Donnerstag in Washington erstmals der Bestechung.
Bild: Keystone/EPA/Jim Lo Scalzo

Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, wirft US-Präsident Donald Trump erstmals «Bestechung» vor. Die Wortwahl ist bedeutend: Bestechung gilt als Amtsmissbrauch und rechtfertigt ein Impeachment.

Nach den ersten öffentlichen Anhörungen zur Ukraine-Affäre verschärft die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, ihren Ton. Sie hat Amerikas Präsident Donald Trump erstmals «Bestechung» vorgeworfen. Trump habe die Ukraine bestochen, sagte die Demokratin am Donnerstag vor Journalisten in Washington. Der Präsident habe Militärhilfe an die Ukraine zurückgehalten, um eine öffentliche Erklärung der Ukraine über Ermittlungen zu erhalten, so Pelosi: «Die verheerenden Zeugenaussagen haben die Hinweise auf Bestechung erhärtet, die durch die Untersuchung aufgedeckt wurden.»

Am Vortag hatten die hochrangigen Aussenamtsmitarbeiter William Taylor und George Kent öffentlich zur Ukraine-Affäre ausgesagt. Pelosi betonte aber zugleich, dass über die Eröffnung eines Amtsenthebungsverfahrens noch nicht entschieden sei.

Pelosis Wortwahl deutet darauf hin, dass die Demokraten davon ausgehen, dass die vorgebrachten Belege aussagekräftig genug sind, um den Vorwurf des Amtsmissbrauchs gegen Trump zu stützen. In der Verfassung der Vereinigten Staaten ist Bestechung einer der Anklagegründe, die eine Amtsenthebung rechtfertigen könnten.



Ermittlungen gegen demokratischen Herausforderer

Trump wird vorgeworfen, seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj am 25. Juli telefonisch um Ermittlungen gegen seinen möglichen demokratischen Herausforderer Joe Biden und dessen Sohn Hunter gebeten zu haben, nachdem er zuvor millionenschwere Militärhilfen an die Ukraine zurückgehalten hatte. Dies könnte als Amtsmissbrauch gewertet werden und zu einer Amtsenthebung führen. Trump bestreitet jedes Fehlverhalten und bezeichnet sich wie schon oft in seiner kurzen Politikerkarriere als Opfer einer Hexenjagd.

Taylor erwähnte in seiner Aussage, dass Trump sich einen Tag nach seinem Telefonat mit Selenski beim US-Botschafter für die EU, Gordon Sondland, über «Ermittlungen» erkundigt habe. Sondland habe geantwortet, die Ukraine sei bereit, diesen weiter nachzugehen. Taylor sagte, Mitarbeiter von ihm hätten das Telefonat zwischen Trump und Sondland mitgehört, weil Sondland mit ihnen in einem Restaurant gesessen habe.

Trump erklärte, er könne sich an ein Telefonat mit Sondland vom 26. Juli nicht erinnern. «Nein, überhaupt nicht, nicht ein kleines bisschen», sagte er. Die Republikaner betonten, dass Taylor das Telefonat des Präsidenten mit Sondland nicht selbst gehört habe, seinen Inhalt also nur vom Hörensagen kenne.

Die Person, die das Telefonat zwischen Trump und Sondland gehört hat, ist nach AP-Informationen der politische Berater der US-Botschaft, David Holmes. Er soll am Freitag hinter verschlossenen Türen aussagen.

Heikles Telefonat mit Zeugen

Am Donnerstag wurde bekannt, dass ausser Holmes auch die Botschaftsmitarbeiterin Suriya Jayanti das Telefonat mitgehört hat. Auch sie habe gesagt, Trump und Sondland hätten darüber gesprochen, dass ukrainische Behörden «Ermittlungen» aufnehmen sollten, erfuhr die Nachrichtenagentur AP von einer über die Kenntnisse Jayantis informierten Person aus dem US-Aussenministerium.

Bislang hatten die Demokraten Trumps Vorgehen als Geschäft auf Gegenseitigkeit – als Quid pro Quo – bezeichnet. Jetzt ersetzte Pelosi diese lateinische Formel durch einen griffigeren Vorwurf: Wenn jemand Militärhilfe gewähre oder zurückhalte, um eine öffentliche Erklärung über Ermittlungen zu erhalten, dann sei das Bestechung, sagte sie und zitierte auch gleich, was die US-Verfassung als Gründe für eine Amtsenthebung nennt: «Verrat, Bestechung oder andere und ernste Verbrechen und Vergehen.»

Frühere und aktuelle US-Regierungsmitarbeiter kritisierten zudem, es sei ein bemerkenswerter Bruch der Geheimhaltungsregeln, dass Sondland an einem öffentlichen Platz in der Ukraine über ein Mobiltelefon mit der US-Regierung heikle Fragen besprochen habe – ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sein Gesprächspartner offenbar der Präsident war.



Ehemalige US-Botschafterin in der Ukraine sagt aus

Am heutigen Freitag soll die ehemalige US-Botschafterin in der Ukraine, Marie Yovanovitch, im Zuge der Untersuchungen für ein mögliches Amtsenthebungsverfahren gegen Trump öffentlich aussagen. Es wird erwartet, dass Yovanovitch ihre Vorwürfe gegen die US-Regierung am Freitag öffentlich wiederholt. Sie sei im Mai wegen «unbegründeter und falscher Behauptungen von Menschen mit klar fragwürdigen Motiven» als Botschafterin abgezogen worden, hatte sie im Oktober in einer nicht-öffentlichen Anhörung gesagt. Das ging aus dem später veröffentlichten Transkript der Anhörung hervor.

Trump wirft Biden vor, in seiner früheren Funktion als US-Vizepräsident Anstrengungen unternommen zu haben, um seinen Sohn vor der ukrainischen Justiz zu schützen. Hunter Biden war bei einem Gaskonzern in der Ukraine beschäftigt. Joe Biden hat gute Chancen auf die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten bei der Wahl nächstes Jahr. Trump will für die Republikaner zur Wiederwahl antreten.

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