«Radikale Rechtspopulistin» Britische Ex-Premierministerin Liz Truss wandelt auf Trumps Spuren

Von Jill Lawless, AP

18.4.2024 - 00:00

Von Ex-Premier Liz Truss sind zunehmend populistische Töne zu vernehmen.
Von Ex-Premier Liz Truss sind zunehmend populistische Töne zu vernehmen.
Bild: Keystone

Kein britischer Regierungschef war kürzer im Amt als Liz Truss. Die ehemalige Premierministerin teilt inzwischen gegen «das Establishment» aus, will die UN abschaffen und Trump als US-Präsident.

18.4.2024 - 00:00

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Lediglich 49 Tage lang war Liz Truss britische Regierungschefin, in der konservativen Partei sorgte sie für Unruhe.
  • Inzwischen teilt sie gegen «Technokraten» und «das Establishment» aus.
  • Sie wünscht sich Donald Trump als US-Präsident und die Abschaffung der Vereinten Nationen.
  • In dieser Woche erschien ihr Buch, in dem sie ihre Politik zu verteidigen versucht.

Liz Truss war nur 49 Tage Premierministerin von Grossbritannien und damit so kurz im Amt wie kein britischer Regierungschef vor ihr. Die Zeit reichte allerdings aus, um auf den Finanzmärkten und innerhalb ihrer Konservativen Partei für Turbulenzen zu sorgen. Doch Truss gibt sich sicher: Schuld daran habe sie selbst nicht. In Interviews und einem neuen Buch meldet sie sich zu Wort und macht «Technokraten» und «das Establishment», Beamte und die britische Zentralbank für ihren Sturz verantwortlich.

«Ich sage nicht, dass ich perfekt bin», berichtet Truss in der BBC. Doch die anderen werde sie nicht davonkommen lassen.

Normalerweise ist von ehemaligen Premierministerinnen und Premierministern nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt erstmal eine Weile nichts zu hören. Bei Truss ist das anders: In dieser Woche erschien ihr Buch «Ten Years to Save the West» (Deutsch: «Zehn Jahre, um den Westen zu retten»), in dem Truss ihre Politik zu verteidigen versucht.

Truss wünscht sich Trump als US-Präsident

Sie zieht über ihre Kritiker her und erklärt, was zu tun sei, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Dazu gehöre es, die Vereinten Nationen abzuschaffen und Donald Trump zur Wiederwahl zu verhelfen.

«Ich glaube, dass wir ein starkes Amerika brauchen», sagt Truss in der BBC. Als Trump US-Präsident war, sei «die Welt sicherer» gewesen, behauptet die 48-Jährige. «Ich denke, dass unsere Gegner mehr Angst vor der Trump-Präsidentschaft hatten, als sie Angst davor haben, dass die Demokraten im Amt sind.»

Liz Truss' neues Buch trägt den Titel «Ten Years to Save the West».
Liz Truss' neues Buch trägt den Titel «Ten Years to Save the West».
Bild: KEYSTONE

Der Karrieredurchbruch für Truss kam im September 2022, als sie von den Konservativen zur Nachfolgerin von Premierminister Boris Johnson gewählt wurde, der über allerlei Skandale gestolpert war. Für Begeisterung unter Parteimitgliedern sorgte Truss mit ihrem Versprechen, mit Steuerkürzungen und Deregulierung für Wirtschaftswachstum zu sorgen.

Doch ein Haushalt, der Steuersenkungen von 45 Milliarden Pfund vorsah, ohne dass es dafür eine Grundlage gab, machte sich auf den Finanzmärkten negativ bemerkbar: Die Kosten für die staatliche Kreditaufnahme stiegen, das britische Pfund erreichte seinen niedrigsten Wert aller Zeiten im Vergleich zum Dollar. Die britische Zentralbank musste aktiv werden, um den Anleihenmarkt zu stützen und grössere wirtschaftliche Probleme zu verhindern. Aufgrund der gestiegenen Zinssätze müssen aktuell noch immer Millionen von Menschen höhere Hypothekenabzahlungen leisten.

Im Oktober 2022 trat Truss zurück und wurde von dem derzeitigen Premierminister Rishi Sunak abgelöst. Truss fällt es leicht aufzuzählen, wer Schuld an der Entwicklung habe. Die Zentralbank habe die Zinssätze auf einem zu niedrigen Wert belassen, sagt sie. Das Büro für Budgetverantwortung (OBR), das der britischen Regierung wirtschaftliche Prognosen vorlegt, habe es unterlassen, davor zu warnen, dass britische Rentenfonds Zinsschwankungen sehr stark ausgesetzt gewesen seien. Truss will das OBR abschaffen und fordert den Rücktritt von Zentralbankgouverneur Andrew Bailey.

Kopfschütteln bei den Oppositionsparteien

Oppositionsparteien können nicht glauben, was Truss da von sich gibt – und sind gleichzeitig froh, dass Truss Wählerinnen und Wählern die Turbulenzen in Erinnerung ruft, die es unter der regierenden Konservativen Partei gegeben hat. Schliesslich stehen noch in diesem Jahr Parlamentswahlen in Grossbritannien an.

«Dass Liz Truss andere für das wirtschaftliche Chaos verantwortlich macht, das sie verursacht hat, wird Familien, die unter steigenden Hypothekenkosten leiden, nur noch mehr Schaden zufügen», sagte eine Sprecherin der oppositionellen Liberaldemokraten, Sarah Olney.

Truss nimmt bei ihren Medienauftritten auch Richter ins Visier, die Entscheidungen der Regierung abgelehnt haben. Truss spricht sich dafür aus, den Obersten Gerichtshof Grossbritanniens abzuschaffen und der Regierung die Befugnis zu geben, Richterinnen und Richter zu ernennen. Sie hält auch nichts vom Menschenrechtsgesetz des Landes und tritt dafür ein, dass Grossbritannien aus der Europäischen Menschenrechtskonvention aussteigt. An den Vereinten Nationen stört sie der Sicherheitsrat, den sie in der BBC als «absolut schädlich» bezeichnet hat.

Politikprofessor nennt sie «menschliche Handgranate»

Der Politikprofessor Tim Bale von der Queen Mary University of London sagt zu Truss' aktuellen Medienauftritten, die frühere Regierungschefin bestätige damit «ihre Verwandlung in eine radikale Rechtspopulistin». Sie sei «eine menschliche Handgranate, die die Konservative Partei offenbar nicht begraben oder entschärfen kann».

Die Ex-Premierministerin ist derzeit noch britische Abgeordnete und will zur Wiederwahl antreten. Dabei hat sie gute Chancen, ihren Parlamentssitz zu behalten, auch wenn die Konservative Partei – wie Umfragen vorhersagen – abgewählt wird. Truss gibt auch zu verstehen, dass sie nicht abgeneigt wäre, wieder für den Parteivorsitz zu kandidieren. «Ich habe definitiv unerledigte Geschäfte», sagt sie im Radiosender LBC. «Definitiv.»

Von Jill Lawless, AP