Grenzöffnungen EU-Kommissar: «Wir werden eine Sommer-Touristensaison haben»

dpa/dor

13.5.2020 - 02:15

Zwei Polizisten kontrollieren am 13. April 2020 einen coronabedingt verwaisten Strand in Manacor auf Mallorca. 
Zwei Polizisten kontrollieren am 13. April 2020 einen coronabedingt verwaisten Strand in Manacor auf Mallorca. 
Bild: KeystoneEPA/Cati Cladera

Sommerferien im Ausland doch nicht ade? EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni stellt eine Tourismus-Sommersaison in Europa trotz des Coronavirus in Aussicht. Auch die Schweiz und drei Nachbarländer wollen die Grenzen für Touristen öffnen.

Die Sommerferien müssen aus Sicht der EU-Kommission wegen der Corona-Krise nicht zwingend ausfallen. «Wir werden definitiv im Sommer eine Touristensaison haben, allerdings mit Sicherheitsmassnahmen und Einschränkungen», sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni der «Süddeutschen Zeitung» (Mittwoch).

Es werde keine andere Branche so sehr unter der Pandemie leiden wie der Tourismus, sagte Gentiloni weiter. Daher gehöre Tourismus zu jenen Wirtschaftszweigen, die besonders profitieren werden vom Hilfspaket, das die Kommission gerade schnüre.

Was die Schweiz angeht, so könnten die Grenzen zwischen der Schweiz und den drei Nachbarländern Deutschland, Frankreich und Österreich Mitte Juni geöffnet werden, auch für den Tourismus. Darüber ist sich Bundesrätin Karin Keller-Sutter mit ihren Ministerkollegen in Berlin, Wien und Paris in Telefongesprächen am Montag und Dienstag einig geworden.



Eine Öffnung der Grenzen zum von der Corona-Pandemie stark betroffenen Italien ist offenbar vorerst kein Thema. Mit Italien verhalte es sich anders, zumal dort noch nicht einmal im Landesinneren die volle Reisefreiheit wiederhergestellt sei, zitierte der «Tages-Anzeiger» einen Sprecher des Justizdepartements.

Am heutigen Mittwoch präsentiert die Brüsseler Behörde Empfehlungen an die EU-Staaten, wie es doch noch klappen könnte – ohne dass es zu einem heftigen Anstieg an Corona-Infektionen kommt.

Die Vorschläge im Überblick

DIE GRENZFRAGE Die Grenzkontrollen sollten nach Ansicht der Behörde vorsichtig und abgestimmt gelockert werden – aber nur, falls die Virus-Situation es zulässt. Zu forsches Vorgehen könne zu einem Wiederanstieg an Infektionen führen, heisst es im Entwurf der Empfehlungen, der der dpa vorliegt. Sobald die Viruszirkulation reduziert worden sei, sollten pauschale Einschränkungen durch gezielte Massnahmen ersetzt werden. Zunächst solle dort gelockert werden, wo die epidemiologische Situation in beiden Ländern vergleichbar sei. Es müsse genügend Test- und Krankenhauskapazitäten geben. Zudem sollten die Hygiene-Vorgaben in beiden Ländern gleich sein. Abstandsgebote müssten eingehalten und Infektionsketten verfolgt werden können. Freiwillige Apps könnten dabei helfen.




DEUTSCHLAND UND DIE GRENZKONTROLLEN Deutschland kontrolliert seit Mitte März seine Grenzen zu mehreren Nachbarstaaten. Innenminister Horst Seehofer (CSU) musste dafür zuletzt deutliche Kritik einstecken. Darüber, wie lange die Kontrollen noch fortgesetzt werden, ist er mit den Ministerpräsidenten der Grenz-Bundesländer im Gespräch. Die Entscheidung, ob sie über Freitag hinaus verlängert werden, ist wahrscheinlich ebenfalls an diesem Mittwoch zu erwarten. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Dienstag Hoffnung auf eine schrittweise Öffnung der Grenzen gemacht. An diesem Mittwoch berät das Bundeskabinett, wie es nach dem 15. Mai mit den Kontrollen an den Grenzen zu den Nachbarländern weitergehen soll. Auch in der Regierungsbefragung Merkels im Bundestag dürften Fragen zu weiteren Lockerungen etwa an den Grenzen zu den Nachbarstaaten kommen.

WARUM SIND OFFENE GRENZEN SO WICHTIG? Die EU-Kommission betont den Stellenwert des freien Reisens – für die schwer von der Pandemie getroffene Branche, aber auch für Bürgerinnen und Bürger. Wenn man es koordiniert und sicher angehe, könnten die kommenden Monate den Europäern dringend benötigte Erholung verschaffen. Dann könnten die Menschen Freunde und Familie über Ländergrenzen hinweg wiedersehen.

VORAUSSETZUNGEN FÜR DIE FERIEN Die EU-Kommission macht mehrere Vorgaben. Am wichtigsten sei, dass die Ausbreitung des Virus im Zielland deutlich zurückgegangen sei und für längere Zeit auf niedrigem Niveau bleibe. Zudem müsse es ausreichend Kapazitäten im Gesundheitssystem geben, damit Krankenhäuser nicht von einem möglichen Anstieg an Infektionen überwältigt würden. Auch müsse es ausreichend Covid-19-Tests geben. Vor ihre Ferien sollten Verbraucher auf einer Online-Karte prüfen können, wie die Situation in ihrem Zielort ist. Eine solche Karte, in denen einzelne Regionen angezeigt werden können, solle nun aufgesetzt werden.



HYGIENEPFLICHTEN FÜR HOTELS Das Personal von Hotels müsse geschult werden, Gäste sollten regelmässig über Neuigkeiten der Behörden informiert werden. Für den Fall eines Corona-Ausbruchs müsse eine Kontaktverfolgung gewährleistet sein. Für Restaurants oder Cafés solle eine Maximalzahl an Gästen festgelegt werden. Zudem könnten Slots für die Mahlzeiten, den Pool oder das Fitnessstudio erwogen werden. Grundlegende Corona-Regeln müssten eingehalten werden: etwa ein Mindestabstand oder regelmässiges Händewaschen.

GUTSCHEIN ODER ERSTATTUNG? In dieser Frage bleibt die EU-Kommission hart. Verbraucher sollten im Falle abgesagter Reisen weiterhin die Wahl haben. Nach EU-Recht müssen Anbieter die Kosten für Flugtickets und Pauschalreisen erstatten. Deutschland will Verbraucher jedoch dazu verpflichten, bei Absagen in der Corona-Krise vorerst einen Gutschein statt einer Erstattung zu akzeptieren. Weil die EU-Kommission zuletzt wenig Entgegenkommen gezeigt hatte, gibt es in der Koalition zunehmend Stimmen, nach Alternativen zu suchen – etwa einen Fonds für die Reisebranche. Andere Staaten haben bereits nationale Regelungen erlassen, die dem EU-Recht widersprechen.

Die EU-Kommission empfiehlt den EU-Staaten nun, die Gutscheine möglichst attraktiv zu machen. Sie sollten gegen eine Insolvenz des Anbieters abgesichert werden und bis zu ihrem Ablauf gegen Geld eingetauscht werden können. Ausserdem sollten sie auch für andere Produkte des Unternehmens genutzt werden können.



EU-KONSERVATIVE SCHREIBEN AN LEYEN Führende europäische Konservative haben EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) aufgefordert, sich für ein Ende der Grenzkontrollen in der Europäischen Union nach dem 15. Mai einzusetzen. Auch die Quarantänevorschriften für EU-Bürger, die in ein anderes EU-Land reisen, sollten aufgehoben werden, fordern 18 Präsidiumsmitglieder und Leiter nationaler Delegationen der Europäischen Volkspartei (EVP) am Dienstag in einem Brief an ihre deutsche Parteifreundin. Das Schreiben lag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Mittwoch) und der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vor.

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dpa/dor