Abschlussbericht zum Kapitolsturm: Trump ist die Ursache
Der Untersuchungsausschuss zum Sturm auf das Kapitol hat kurz vor Weihnachten seinen Abschlussbericht veröffentlicht. Bei seiner letzten öffentlichen Anhörung am Montag hat das Gremium eine strafrechtliche Verfolgung des Ex-Präsidenten empfohlen.
23.12.2022
Der Kapitol-Sturm am 6. Januar 2021 prägt bis heute das politische Klima in den USA. Der Politikwissenschaftler James W. Davis zeigt, in welche Richtungen sich die Dinge bis zu den nächsten Wahlen entwickeln könnten.
Der Untersuchungsausschuss hat den Sturm auf das Kapitol 18 Monate lang untersucht und über 1000 Zeugen angehört. Was war das Resultat?
Der Ausschuss hat klar festgestellt, wie zentral der frühere Präsident war für die Ereignisse, die zum Sturm auf das Kapitol geführt haben. Es ist auch klar, dass Trump und Mitglieder seiner Administration, auch inoffizielle wie Rudy Giuliani, gewusst haben, dass sie die Wahl verloren haben. Trotzdem wollten sie eine Story entwickeln, um behaupten zu können, die Resultate der Präsidentschaftswahl seien manipuliert.
Hat der Ausschuss bewiesen, dass Donald Trump für die Vorgänge verantwortlich ist?
Es gab eine Koordination von Trumps Team mit anti-demokratischen Gruppen wie den Proud Boys. Trump war die zentrale Figur. Aber es gibt keine Indizien dafür, dass er den Sturm auf das Kapitol befohlen hat.
Ist das der Grund, weshalb das Justizministerium den Ex-Präsidenten bis jetzt nicht angeklagt hat?
Es läuft eine Reihe von Untersuchungen im Justizministerium. Als Donald Trump bekannt gegeben hat, wieder als Präsident zu kandidieren, hat der Justizminister einen Sonderermittler ernannt.
Wieso das?
Eine Anklage des Justizministers wäre auch die Anklage des Präsidenten, also des Gegenkandidaten von Donald Trump. Alles, was der Minister entscheidet, könnte den Anschein erwecken, politisch motiviert zu sein. Ich rechne damit, dass die Ernennung des Sonderermittlers die Sache beschleunigt.
«Würde der Justizminister Trump anklagen, würde dies als Anklage des Präsidenten gegen seinen politischen Gegner aufgefasst.»
James W. Davis
Universität St. Gallen
Rechnen Sie damit, dass der Sondermittler Anklage erheben wird?
Ich rechne damit, dass es Massnahmen geben wird. Ob das eine Anklage sein wird oder ein aussergerichtlicher Deal, kann ich nicht sagen.
Wie könnte so ein Deal aussehen?
Man könnte dem ehemaligen Präsidenten anbieten, ihn nicht anzuklagen, wenn er auf jegliche politischen Ämter verzichtet. Das wäre eine elegante Lösung. Trump müsste für sein Verhalten büssen, aber wir müssten keine ewige, traurige Justizgeschichte erleben. Einen früheren Präsidenten anzuklagen, ist unschön, auch wenn die Faktenlage ist, wie sie ist. Wichtig ist, dass Trumps Verhalten Konsequenzen hat.
Denken Sie, Trump würde auf ein solches Angebot eingehen?
Da wage ich keine Vorhersage.
Präsident Biden ist auffällig still in dieser Debatte. Warum?
Er muss zeigen, dass es keine politisch motivierten Ermittlungen gibt. Er muss den Vorwurf entkräften, den Staat als Waffe gegen seinen politischen Gegner einzusetzen. Er darf jenem Teil der republikanischen Basis, die zu Trump hält, keine Munition liefern.
James W. Davis
Universität St. Gallen
James W. Davis ist Professor für Politikwissenschaft der Universität St. Gallen. Er stammt aus dem US-Bundesstaat Connecticut und begann seine akademische Laufbahn an der Harvard University. Eine seiner Spezialisierungen ist die politische Psychologie neben der US-Aussen- und Sicherheitspolitik sowie den transatlantischen Beziehungen.
Würde eine Anklage Trump überhaupt schaden?
Er würde sich sicher als Opfer der Justiz darstellen. Aber die Leute im Justizdepartement wissen, dass sie ihren Weg gehen müssen, ohne auf die politischen Folgen zu schauen. Die Politiker müssen einen Weg finden, Trump politisch zu schlagen, nicht die Justiz.
Gegen Trump laufen bereits Ermittlungen in zwei Bundesstaaten.
Besonders die Ermittlungen in Georgia wegen der mutmasslichen Einmischung in die Wahl 2020 könnten zu einer Anklage führen. Ob das bedeuten würde, dass er nicht mehr für politische Ämter kandidieren dürfte, müssen Sie aber einen Juristen fragen. Ein Angeklagter als Präsidentschaftskandidat wäre in jedem Fall extrem schwierig, besonders für die Republikanische Partei.
Wie geht die Grand Old Party damit um?
Mein Eindruck ist, dass die Republikanische Partei versucht, von ihm wegzukommen. Der Minderheitsführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, hat sich mit Präsident Biden getroffen, zusammen haben sie die überparteilichen Infrastruktur-Ausgaben gefeiert. Er vertritt ganz andere Positionen als die von Trump unterstützten Kandidaten. Und auch im Repräsentantenhaus suchen viele republikanische Abgeordnete nach einem Weg weg von Trump.
Wie spielt die Kontroverse um Trumps Verhalten beim Sturm auf das Kapitol in die Wahl des Sprechers des Repräsentantenhauses hinein?
Es ist kompliziert. Es ist eine kleine Gruppe von Abgeordneten, die nicht zu Kompromissen bereit ist. Ihre Strategie ist: Entweder werden auch ihre extremsten Forderungen erfüllt, oder sie versuchen, die politischen Institutionen zu zerstören. McCarthy hat dieser kleinen Gruppe schon extrem viele Zugeständnisse gemacht. Viele sagen, es seien bereits zu viele Zugeständnisse.
«Eine kleine Gruppe versucht, ihre extremsten Forderungen durchzusetzen oder die politischen Institutionen zu zerstören.»
James W. Davis
Universität St. Gallen
Und jetzt erreicht nicht einmal mehr Trump seine radikalsten Anhänger im Repräsentantenhaus. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Die Republikanische Partei hat Kräfte freigelassen, die man nicht mehr kontrollieren kann. Das war schon lange zu befürchten. Ich finde, genau deshalb darf man keine weiteren Zugeständnisse an diese Gruppe machen. Wenn McCarthy sie jetzt nicht unter Kontrolle bekommt, dann werden sie in den nächsten zwei Jahren immer wieder den politischen Prozess mit theatralischen Aktionen blockieren.
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