Riads Krokodilstränen Khashoggis Sohn in den Palast bestellt – «ich möchte schreien und kotzen»

Philipp Dahm

24.10.2018

Treffen im königlichen im Yamama-Palast in Riad: Salah bin Jamal Khashoggi muss Kronprinz Mohammed bin Salman (rechts) die Hand geben.
Treffen im königlichen im Yamama-Palast in Riad: Salah bin Jamal Khashoggi muss Kronprinz Mohammed bin Salman (rechts) die Hand geben.
Keystone

Mohammed bin Salman trifft in Riad medienwirksam Jamal Khashoggis Sohn, der mit einem Ausreiseverbot belegt wurde. Der Fall wird immer makabrer.

In Riad läuft seit dem 23. Oktober die «Future Investment Initiative»: Saudi-Arabien verkauft die Veranstaltung als «Davos in der Wüste», um etwas vom Glanz der grossen Schweizer Wirtschaftskonferenz abzubekommen. Verträge im Wert von 50 Milliarden Franken sollen bei dem Event unter Dach und Fach gebracht werden, berichtet «Reuters»: Der Kronprinz freue sich demnach, die Konferenz beginne «grossartig – mehr Leute, mehr Geld».



Es ist nicht die einzige frohe Botschaft, die der de-facto-Regent gerne unters Volk bringen will. Er spielt auch im Fall des getöteten Journalisten Jamal Khashoggi weiterhin das Unschuldslamm. In einem Staat, der seine Bürger strengstens überwachen lässt, will er nichts von einem Mordkomplott gewusst haben. Auf der Konferenz ging Mohammed bin Salman (MbS) sogar nun so weit, Angehörige des Opfers zu treffen.

König Salman (Zweiter von rechts) C-R) spricht Sahel bin Ahmed Khashoggi aus der Familie des Jorunalisten sein «Beileid» aus.
König Salman (Zweiter von rechts) C-R) spricht Sahel bin Ahmed Khashoggi aus der Familie des Jorunalisten sein «Beileid» aus.
Keystone

«Möchte schreien und kotzen, wenn ich das Bild sehe»

Dies sichtlich deshalb, um es medienwirksam für seine Zwecke zu nutzen – doch das von der staatlichen Nachrichtenagentur verbreitete Foto stellt in Wahrheit eine unheimliche Szene dar: Der Kronprinz lässt Jamal Khashoggis Sohn Salah antreten, der jenem Mann die Hand schütteln muss, der womöglich den Mord an seinem Vater in Auftrag gegeben hat. Selbst der greise König Salman ibn Abd al-Aziz ist für das Maskenspiel im Yamama-Palast vor den PR-Karren gespannt worden.

Die Szene ist auch deshalb so grotesk, weil für die gesamte Khashoggi-Familie ein Ausreiseverbot gelten soll. Um Jamal Khashoggi sozusagen mundtot zu machen, schreckte das Regime angeblich auch nicht davor zurück, dessen Partnerin zu drangsalieren. «Jamal sagte mir, seiner Ehefrau wurde die Ausreise verboten, und sie wurde gezwungen, sich scheiden zu lassen», sagte die Aktivistin Yehia Assiri der Londoner Webseite «Middle East Eye».

Unter diesen Vorzeichen ist es wenig verwunderlich, dass die PR-Fotos aus dem Königspalast für einen Aufschrei sorgen: «Ich möchte schreien und kotzen, wenn ich das Bild sehe», findet eine andere Aktivistin, Manal al-Sharif, deutliche Worte.

Mord schlecht vertuscht – Trump «schwenkt» um

Gute Geschäfte, gute Laune – doch Donald Trump hat mittlerweile Mühe, seinen Kuschelkurs mit Riad zu rechtfertigen.
Gute Geschäfte, gute Laune – doch Donald Trump hat mittlerweile Mühe, seinen Kuschelkurs mit Riad zu rechtfertigen.
Keystone

Die vom saudischen Königshaus aufgesetzte gute Miene zum bösen Spiel kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Gegenwind so stark wie wohl noch nie ist. Nicht unbedingt deshalb, weil viele Wirtschaftsbosse, Investoren und Politiker ihre Teilnahme an der Investitionskonferenz abgesagt haben – problematisch ist vor allem die öffentliche Meinung in den USA.

Die zwingt nämlich jenen, der Riad bis anhin stets die Stange gehalten hat, seinen Kurs des Dementieres und Wegschauens allmählich aufzugeben. Die Rede ist natürlich von Donald Trump, der die Saudis kaum mehr verteidigen kann und inzwischen immerhin so weit ist, Folgendes zu erkennen: «Das war eine der schlechtesten Vertuschungen in der Geschichte der Vertuschungen», zitiert «CNN» den US-Präsidenten. Und weiter: «Jemand hat's versaut.»

Khashoggis Prophezeiung

Das muss Hohn in den Ohren der Angehörigen sein – zumal das Opfer ein solches Szenario vor einem Jahr im Grunde vorhergesehen hat. Das US-Magazin «Newsweek» fragte damals, was geschehen müsse, damit das Weisse Haus seine Politik gegenüber Riad endlich ändere. Khashoggis Antwort – heute wissen wir das – ist wahr, und auch makaber:

«Ich bin mir sicher, dass die Amerikaner keinen Druck auf MbS ausüben, solange es keine echte Krise in Saudi-Arabien gibt.»

Im Land der heiligen islamischen Stätten dürfte kaum etwas von der derzeitigen Krise oder Spannungen überhaupt zu spüren sein: Jeder Protest gegen das Regime wird brutal unterdrückt, politische Gegner werden kurzerhand zu Terroristen erklärt und niedergemacht. Das gilt für die Schiiten, für IS-Extremisten – und natürlich erst recht für jeden, der die Abdankung des Königs fordert.

Dass es auch für jene gilt, die als gemässigte Oppositionelle durchgehen, ist die Crux. Es sind mitunter solche, die bloss Reformen fordern, das Herrscherhaus an sich aber gar nicht infrage stellen. Zu diesen gehörte Khashoggi. Er würde sogar mit dem Königshaus zusammenarbeiten, versicherte er «Newsweek» im vergangenen Oktober.

Und: «Ich will ein besseres Saudi-Arabien. Ich sehe mich nicht als Oppositionellen. Ich rufe nicht zum Sturz des Regimes auf, weil ich weiss, dass das unmöglich und zu gefährlich ist. Ich rufe nur zu einer Reform des Regimes auf», so der Journalist damals.

Der ermordete Journalist Jamal Khashoggi.
Der ermordete Journalist Jamal Khashoggi.
Bild: ZDF

Nun ist Khashoggi tot, doch es sollte klar sein, dass sein Fall wohl nur die Spitze des Eisberges ist. Wenn schon so jemand von einem mehrköpfigen Killerkommando offenbar qualvoll hingerichtet wird, wie ergeht es wohl jenen, die noch viel deutlicher werden und sodann den Mächtigen in die Hände fallen? Körperliche Unversehrtheit, faire Prozesse? Wunschträume.

Nach Khashoggi: Darf Israa al-Ghomghom leben?

Aktivistin Israa al-Ghomgham droht die Todesstrafe.
Aktivistin Israa al-Ghomgham droht die Todesstrafe.
Screenshot YouTube

Ende Oktober entscheidet ein geheimes Straf-Tribunal in Saudi-Arabien, ob der Staat einen weiteren seiner Bürger tötet. Israa al-Ghomgham (ausgesprochen: Romram) wartet gemäss «CBS» seit 2015 auf ihren Prozess – die Schiitin hat keinen Rechtsbeistand erhalten, obwohl es um ihr Leben geht.

Die Anklagepunkte, die eine Todesstrafe rechtfertigen sollen:
1.) (Friedliche) Teilnahme an Protesten, die Unfrieden stiften sollen
2.) Moralische Unterstützung Aufständischer (durch Besuch einer Beerdigung)
3.) Nutzung einer falschen Facebook-Identität
4.) Kollaboration mit dem Iran

In diesem Fall geht es am 28. Oktober weiter. Und dann? Viele weitere Fälle werden folgen – das scheint sicher.

Die Bildergalerie «Der Verlierer muss zuerst die Menschenrechte einführen»:

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