«Quasi ein Lockdown für Ungeimpfte» Diese scharfen Corona-Regeln kommen auf die Deutschen zu

2.12.2021

Die deutsche Regierung plant eine 2G-Regel für den Einzelhandel (Archivbild).
Die deutsche Regierung plant eine 2G-Regel für den Einzelhandel (Archivbild).
Daniel Bockwoldt/dpa

Deutschland verschärft die Corona-Massnahmen deutlich. Merkel, Scholz und die Länderchefs beschlossen unter anderem weitere Beschränkungen für Ungeimpfte. Besonders relevant für Grenzgänger: Die 2G-Regel gilt in fast allen Einkaufsläden.

Deutschland macht ernst: Im Kampf gegen die vierte Corona-Welle hat die Regierung schärfere Schutzvorgaben und weitere Beschränkungen für Ungeimpfte beschlossen. 

Eine Bund-Länder-Runde mit der scheidenden Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem designierten Nachfolger Olaf Scholz (SPD) beriet am Donnerstagvormittag unter anderem über Limits für Grossveranstaltungen und – besonders wichtig für Schweizer Grenzgänger*innen – weitgehende 2G-Regeln beim Einkaufen.

Vorgesehen sind auch Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte und 2G für Kinos, Gaststätten und im Einzelhandel – also Zugang nur für Geimpfte und Genesene. Zudem will die deutsche Regierung für Dezember Millionen zusätzliche Impfdosen organisieren.

2G im Einzelhandel

Folgende Corona-Massnahmen wurden in Deutschland beschlossen:

Clubs und Diskotheken: Clubs und Diskotheken sollen in Regionen mit hoher Inzidenz geschlossen bleiben müssen. Dies gilt bei einer Schwelle von 350 Neuinfektionen je 100'000 Einwohner binnen sieben Tagen.

Einkaufen: Interessant für Schweizer*innen, die zum Shoppen über die Grenze fahren wollen: Weitgehende Einigkeit herrschte über eine Ausweitung der 2G-Regel auf den Einzelhandel. Zutritt haben nur noch Geimpfte und Genesene. Ausnahmen gelten für Geschäfte des täglichen Bedarfs wie Supermärkte, Drogerien und Apotheken. 2G soll auch für Gaststätten, Kinos und etwa Theater gelten – hier soll wohl auch zusätzlich ein Corona-Test verlangt werden können (2G plus).

Schulen: An den Schulen gilt eine generelle Maskenpflicht.

Silvester: Der Verkauf von Böllern und Feuerwerk zu Silvester wird in diesem Jahr erneut verboten. An publikumsträchtigen Plätzen soll es ein Feuerwerksverbot geben. Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz Hendrik Wüst (CDU) sagte am Donnerstag, Bund und Länder hätten eine entsprechende Regelung wie im vergangenen Jahr beschlossen.

Kontaktbeschränkungen: Auf nicht Geimpfte kommen in ganz Deutschland strenge Kontaktbeschränkungen zu. Zusammenkünfte im öffentlichen und privaten Raum, an denen nicht geimpfte und nicht genesene Personen teilnehmen, seien auf den eigenen Haushalt sowie höchstens zwei Personen eines weiteren Haushalts zu beschränken, heisst es im Bund-Länder-Beschluss. Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres seien ausgenommen. Der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte im ZDF-Morgenmagazin: «Was tatsächlich wichtig ist, ist quasi ein Lockdown für Ungeimpfte.»

Grossveranstaltungen: Zur Eindämmung der Corona-Pandemie wird die Teilnehmerzahl für überregionale Sport-, Kultur- und vergleichbare Grossveranstaltungen deutlich eingeschränkt. Künftig dürfen maximal 30 bis 50 Prozent der Platzkapazität genutzt werden. Flächendeckende «Geisterspiele» im Fussball sind nicht geplant, aber deutlich weniger Zuschauer: höchstens 15'000 Zuschauer; in geschlossenen Räumen ebenfalls maximal 50 Prozent Auslastung und nicht mehr als 5000 Zuschauer. Nur Geimpfte und Genesene sollen Zugang haben und auch medizinische Masken tragen müssen.

Restaurants: Werden nicht deutschlandweit geschlossen. Regional sollen aber «zeitlich befristete» Schliessungen durch eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes wieder möglich gemacht werden. Das gilt auch für mögliche Alkoholverkaufsverbote oder Einschränkungen bei Hotelübernachtungen.

Impfungen: Bis Weihnachten soll allen eine Erst-, Zweit- oder Auffrischimpfung ermöglicht werden. Dies könne bis zu 30 Millionen Impfungen erfordern. Ein neuer Bund-Länder-Krisenstab im Kanzleramt soll mögliche Logistikprobleme angehen. Da der Impfschutz nach einer gewissen Zeit nachlässt, wurde auch eine Regelung erwogen, wonach der Status als Geimpfter nach einer gewissen Zeit auslaufen könnte.

Krisen- und Expertenstab: Im Bundeskanzleramt wird ein erweiterter Bund-Länder-Krisenstab eingerichtet, der sich um Impfstofflieferung und -verteilung kümmern soll. Bereits bekannt war, dass der Bundeswehr-Generalmajor Carsten Breuer diesen führen soll. Ebenfalls im Kanzleramt wird ein Expertengremium von Wissenschaftler*innen eingerichtet. Es soll einmal die Woche tagen und gemeinsame Vorschläge machen.

«Akt der nationalen Solidarität»

«Sie sehen an den Beschlüssen, dass wir begriffen haben, dass die Lage sehr ernst ist», sagte Merkel. Die vierte Welle müsse gebrochen werden, so die geschäftsführende Kanzlerin. Die beschlossenen Massnahmen seien als «Mindeststandards» anzusehen – die Länder könnten auch darüber hinaus gehen. Bund und Länder sprachen sich auch für die Einführung einer allgemeinen Impflicht aus – diese könnte ab Februar 2022 «greifen», so Merkel.

Auch Merkel sprach sich für die allgemeine Corona-Impfpflicht aus. Die grosse «Impflücke» in Deutschland führe dazu, dass Geimpfte weiterhin eingeschränkt seien und das Gesundheitssystem teilweise überlastet sei. «Angesichts dieser Situation halte ich es für geboten, eine solche Impfpflicht zu beschliessen.»

Merkel betonte die Bedeutung von Booster-Impfungen. Der Impfstatus werde bei einer doppelten Impfung nicht dauerhaft anerkannt werden können, sagte Merkel. Es werde auch auf EU-Ebene diskutiert, dass nach neun Monaten die zweite Impfung ihre Gültigkeit verliere, daher sei das Boostern ganz wichtig. Der Übergang werde aber so sein, dass jeder eine Chance habe, seinen Impfstatus zu erneuern.

Merkel sagte mit Blick auf die aktuelle Lage, die Belastung in Krankenhäusern gerate teilweise an Grenzen. Patienten müssten verlegt werden. Es sei ein «Akt der nationalen Solidarität» nötig.

tmxh / dpa / AFP