Republikanische Präsidenten-AnwärterSie alle fordern Donald Trump heraus
Von Jan-Niklas Jäger
15.11.2022
Nach dem enttäuschenden Abschneiden der Republikaner bei den US-Zwischenwahlen steht Donald Trump in der Kritik. Immer mehr Konservative stellen sich hinter seinen Rivalen Ron DeSantis. Doch auch andere Herausforderer sind denkbar. Eine Übersicht.
Von Jan-Niklas Jäger
15.11.2022, 20:12
16.11.2022, 08:29
Von Jan-Niklas Jäger
Nahezu alle Kandidat*innen, die Donald Trump in den Zwischenwahlen unterstützt hatte, haben verloren. Zuletzt unterlag Trump-Hardlinerin Kari Lake im Rennen um den Gouverneurs-Posten im traditionell republikanischen Bundesstaat Arizona der Demokratin Katie Hobbs .
Viele Analysen nach der Wahl deuten darauf hin, dass moderatere Kandidat*innen besser in den Wahlen abschnitten als Trump-nahe Rechtsaussen-Kandidat*innen. Manche sehen deswegen einen möglichen Umschwung innerhalb der Republikanischen Partei.
Das eröffnet neue Perspektiven im Rennen um die republikanische Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2024. Vor den Zwischenwahlen gingen Beobachter davon aus, dass diese mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit an den Ex-Präsidenten gehen würden. Die offizielle Ankündigung einer erneuten Kandidatur Trumps wird für heute 3 Uhr MEZ erwartet.
Nach den neuesten Entwicklungen könnte es nun aber doch wieder spannend werden. blue News stellt die aussichtsreichsten Kandidaten für das Präsidentenamt vor.
Donald Trump
Obwohl der Ex-Präsident angeschlagen aus den Zwischenwahlen hervorgeht, kann er sich immer noch die besten Chancen auf die Kandidatur ausmachen. In einer neuen Umfrage des Polit-Magazins «Politico» gaben 47 Prozent der befragten republikanischen oder den Republikanern nahestehenden Wähler*innen Trump als ihren bevorzugten Präsidentschaftskandidaten an, während sich nur 33 Prozent für Ron DeSantis aussprachen.
Während Trumps Werte aber stagnieren, sind die von DeSantis seit seiner Wiederwahl in die Höhe geschossen: Der Gouverneur von Florida verzeichnete einen Zuwachs von 7 Prozent. Und auch konservative Medien fangen an, sich gegen Trump zu positionieren. So schrieb der «Washington Examiner», dass die Republikanische Partei gerade nichts nötiger hätte, als Trump hinter sich zu lassen.
Das liegt daran, dass sich die Anzeichen dafür häufen, dass Trumps «America First»-Strategie nicht mehr zieht. So zweifelte die von ihm unterstützte Kari Lake die Rechtmässigkeit der Wahl Joe Bidens zum Präsidenten an und attackierte Parteikolleg*innen wie Liz Cheney und sogar den verstorbenen Senator John McCain, die für die Agenda der Republikaner in der Ära von George W. Bush stehen.
Lake ging sogar so weit, Anhänger*innen McCains, also moderateren Republikanern, bei einer Wahlveranstaltung mitzuteilen, dass sie nicht erwünscht seien. Während Trump mit dieser Taktik einen Machtwechsel innerhalb der Partei einleitete, dürfte Lake diese Entscheidung nun bereuen.
Denn de facto hat sie damit ihren Anteil geleistet, einen ehemals republikanischen Staat in einen demokratischen zu verwandeln. Auch andernorts verloren Trump-Kandidat*innen sicher geglaubte Wahlen. Zum wohl ersten Mal seit Trumps Aufstieg drängt sich die Frage auf, ob der Slogan «Make America Great Again» bald seine Relevanz eingebüsst haben wird.
Ron DeSantis
«Ron DeSantis ist der neue Anführer der Republikanischen Partei»: Diese Schlagzeile am Tag nach den Zwischenwahlen kommt einer kleinen Sensation gleich, denn sie stammt vom erzkonservativen bis rechtspopulistischen Nachrichtensender Fox News, der Donald Trump in den vergangenen Jahren stets die Treue gehalten hatte.
Während die Republikaner im ganzen Land überraschende Niederlagen einfuhren, wurde DeSantis mit fast 20 Prozentpunkten Vorsprung als Gouverneur Floridas im Amt bestätigt. Er gilt als besonnener und seriöser als Trump und hat einen Ruf als zupackener Politiker, der die Dinge auch angeht, statt nur darüber zu reden.
DeSantis hat einiges von Trump gelernt, könnte ihm aber gerade deswegen so gefährlich werden. Obwohl Trump versucht, DeSantis' Ansehen bei seinen Anhänger*innen zu schaden, indem er behauptet, der Gouverneur habe 2020 als Reaktion auf die Corona-Pandemie unverhältnismässige Lockdowns verhängt, ist das Gegenteil wahr: DeSantis hielt die Schulen offen und war auch sonst mit Auflagen zögerlich.
Ausserdem verbat er dieses Jahr Kindergärten und Schulen bis zur dritten Klasse die Behandlung von kontrovers diskutierten Themengebieten wie sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität. Auch diese Massnahme kann als Rückgriff auf Donald Trumps Trickkiste gesehen werden.
Im Gegensatz zu Trump weiss DeSantis aber auch, wann er sich zurücknehmen muss. Während andere konservative Staaten wie Texas oder South Dakota Abtreibungen nur noch im Fall einer Gefährdung der Mutter erlauben, entschied sich DeSantis, Schwangerschaftsabbrüche erst ab der 15. Woche zu verbieten: Für republikanische Standards eine moderate Position. Den meisten Wähler*innen ist ein Komplettverbot von Abtreibungen inzwischen zu extrem.
Mike Pence
Trumps ehemaliger Vizepräsident Mike Pence belegte in der «Politico»-Umfrage den dritten Platz. Das sollte man allerdings nicht überbewerten: Mit 5 Prozent fällt die Anzahl seiner Unterstützer*innen unter den Befragten dennoch mässig aus.
Pence macht aktuell mit einem Buch von sich reden, in dem er auch die Geschehnisse rund um den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 aus seiner Sicht beschreibt. Trump hatte ihn unter Druck gesetzt, die Zertifizierung der Wahl Joe Bidens zu verweigern.
Nun setzt er auf Konfrontation mit seinem ehemaligen Chef: «Die Worte des Präsidenten waren rücksichtslos und seine Handlungen waren es auch», sagte er dem Fernsehsender ABC am gestrigen Montag in einem Interview.
Tim Scott
Tim Scott hat eine entscheidende Gemeinsamkeit mit Ron DeSantis: Er konnte bei den Zwischenwahlen einen hohen Sieg einfahren, den Zahlen nach sogar einen besseren: Mit 26 Prozent Vorsprung zog er erneut in den Senat ein.
Allerdings ist South Carolina, der Bundesstaat, in dem Scott antrat, eine republikanische Hochburg, der die Demokraten im Wahlkampf aufgrund der Aussichtslosigkeit kaum Aufmerksamkeit schenkten.
Politisch gilt Scott als moderater Republikaner, der verschiedene Wählergruppen ansprechen könnte. Ausserdem würde er mit dem Bild des «alten weissen Mannes» als typischer konservativer Politiker brechen. «Ich wünschte, [mein Grossvater] hätte lang genug gelebt, um eine zweite Person of Color im Amt des Präsidenten zu sehen», so Scott. «Aber dieses Mal lasst es einen Republikaner sein.»
Glenn Youngkin
Glenn Youngkin gelang 2021 das Kunststück, in einem demokratisch dominierten Bundesstaat zum Gouverneur gewählt zu werden. Da ein solcher Sieg bei den Zwischenwahlen ausblieb – DeSantis' Florida ist ein von Demokraten und Republikanern umkämpfter Staat, dessen Wahlsieger*innen in der Regel schwer vorherzusagen sind –, hinterlässt der Gouverneur von Virginia damit nun einen umso besseren Eindruck.
Dafür, dass Youngkin mit einer Kandidatur liebäugeln könnte, spricht, dass seine Vizegouverneurin Winsome Earle Sears nach den Zwischenwahlen ankündigte, einen möglichen Präsidentschaftskandidaten Trump 2024 nicht unterstützen zu wollen. Trump reagierte so, wie man es von ihm erwarten würde: Indem er Youngkin angriff und dessen Sieg im vergangenen Jahr für sich reklamierte.