Söldner und Kriegstouristen in der Ukraine «Das ist auch unser Kampf»

Von Philipp Dahm

14.3.2022

«Die, die nicht ausgebildet sind, müssen wegbleiben»: Freiwillige der Internationalen Legion der Ukraine.
«Die, die nicht ausgebildet sind, müssen wegbleiben»: Freiwillige der Internationalen Legion der Ukraine.
Bild: Ukrainische Armee

Schweizer, Japaner, Dänen: Was bewegt die Freiwilligen, die sich der Internationalen Legion anschliessen? Die Männer entpuppen sich mal als Amateure und mal als Idealisten. Putin heuert derweil Söldner in Syrien an.

Von Philipp Dahm

Er habe «die ganze Entwicklung, die Trostlosigkeit» gesehen, die zu diesem europäischen Krieg führen musste, sagt der Mann aus Hunzenschwil AG. Dann erklärt Emil Hächler, warum er und andere Schweizer sich daran beteiligen: «Es gab für uns nur eins: Wir wollten denen helfen, wir wollten die Demokratie verteidigen.»

Hächler ist 1977 gestorben. Gekämpft hat er zwischen 1936 und 1939 im Bürgerkrieg in Spanien, wo sich damals der globale Kampf zwischen Kommunismus und Faschismus manifestierte. Aus allen Teilen Europas strömten Freiwillige zum Konfliktherd, um in Internationalen Brigaden die Freiheit vor Despotismus zu verteidigen.

Damals waren es über 800 Schweizer – bisher weiss man von 30, die heute wieder in einen europäischen Krieg ziehen. Einer der 30 ist Michael aus Luzern: «Sich der Internationalen Legion anzuschliessen, fühlt sich in der aktuellen Situation richtig an», erklärt er der «Sonntagszeitung». Er habe nur eine minimale militärische Ausbildung, heisst es weiter.

Wenn Amateure bei der Botschaft klingeln

Emil Hächler aus Hunzenschwil und Martin aus Luzern eint nicht nur die Tatsache, dass sie zu völlig verschiedener Zeiten in einen europäischen Krieg gezogen sind, sondern auch, dass es damals wie heute verboten ist. Anderswo gehen die Regierungen lockerer damit um, dass ihre Bürger nach einem Aufruf des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu Fremdenlegionären werden.

Ukrainer*innen fliehen am Grenzübergang nach Polen – und junge Männer ziehen in entgegengesetzte Richtung: Ein BBC-Reporter befragt einen Norweger, einen Österreicher und einen Belgier nach ihren Motiven.

Die britische Aussenministerin etwa quittierte das Ganze mit Wohlwollen und begrüsst zuerst die Idee, dass Briten privat für die ukrainische Sache kämpfen. Dann schlägt der oberste Militärberater des Landes, Sir Tony Radakin, Alarm, dass das nicht nur illegal sei, sondern ausserdem wenig helfen würde. So wie der 20-Jährige aus dem Kanton Bern, der nicht einmal RS gemacht hat, aber als Kind in der Ukraine lebte und nun in Osteruropa kämpfen will.

Viele Tausende haben sich für die ukrainische Internationale Legion gemeldet, doch dass das Gros womöglich nicht weiss, worauf es sich einlässt, legt ein Bericht von «Sky News« nahe: Der britische Sender filmt Freiwillige, die sich an die ukrainische Botschaft in London wenden. «Hallo, wir sind gekommen, um uns der ukrainischen Armee oder wie das heisst anzuschliessen», erklärt ein Brite am Tor der Botschaft. «Wie heissen sie, Tom? Ah ja, die Internationale Legion.»

«Meine Familie ist total wütend»

Er und seine Kollegen wollen helfen: «Wir sind junge, starke, fitte Männer. Warum nicht?» Militärische Erfahrung hat der Befragte keine. Im Gegensatz zu einem anderen Herren, der «morgen» abfliegen könnte. Er ist Veteran und 60 Jahre alt – «gerade noch im Limit», wie der Mann weiss. Die ukrainische Armee hat 18- bis 60-Jährige zum Kampf aufgerufen.

Andere Freiwillige sind versierter: Shane war als Scharfschütze sechs Jahre bei der Royal Army und war unter anderem in Afghanistan und im Irak im Einsatz. «Das ist auch unser Kampf», erklärt sich der 34-Jährige. Putin sei «ein moderner Hitler»: «Ich gehe raus, verteidige die Leute, verteidige die Demokratie und verteidige Europa.»

Was sagen Familie und Freunde dazu? «Meine Familie ist total wütend», gibt Shane zu. «Als ich 2016 aus dem Irak gekommen bin, waren sie froh, dass ich aus dem Kriegsgebiet raus bin. Jetzt sind sie nicht so begeistert. Meine Freunde überrascht es kein bisschen. Sie stehen voll hinter mir.» 

«Das ist kein Ort für Kriegstouristen»

Er werde nicht dastehen und aus seiner Komfortzone heraus zusehen, wie «unschuldige Zivilisten» getötet werden, sagt Shane. Ins selbe Horn stösst Jax, den ein Kamerateam am Bahnhof von Lwiw trifft und der einen gut bezahlten Job aufgegeben hat. Er geht «wegen der Kriegsverbrechen, die begangen werden». «Es ist eine gerechte Sache», sagt auch ein Landsmann von ihm. Und dann ist da noch Ben Grant.

Grant ist der Sohn der Angeordneten Helen Grant von den Konservativen. «Das hat nichts mit der Regierung und nichts mit meiner Mutter zu tun», muss sich der 30-Jährige dann auch rechtfertigen: Er habe ihr nicht davon erzählt. Im Gegensatz zu seiner Familie. Der hat er eröffnet, dass er in die Ukraine geht, nachdem er gerade einige Monate im Irak war.

«Ein grosser Schock» sei es für Frau und Kinder gewesen, lacht er in die Kamera, «es tut mir fairerweise ein bisschen leid für sie, aber die Leute brauchen mich hier.» Helfen will auch Michael Ferkol, ein Amerikaner, der einst im Ingenieurkorps diente. Er hat sein Studium in Rom abgebrochen, um als Sanitäter der Internationalen Legion beizutreten. Und ein Brite namens Kruger warnt: «Das ist kein Ort für Kriegstouristen: Wenn du an die Front gehst, ist die Realität des Krieges ziemlich überwältigend.»

Syrische Söldner – wertvoll im Häuserkampf

Es gibt offenbar viele Briten und Amerikaner unter den Freiwilligen der Internationalen Legion, doch am Ende kommen die Mitglieder aus aller Herren Länder. 400 Schweden sollen sich ebenso auf den Weg gemacht haben wie Hunderte Tschechen, Deutsche und etwa 70 Japaner. Auch einige Dänen ziehen in den Krieg: Die Regierung will sie sogar gehen lassen, doch der Veteranenverband warnt ausdrücklich: «Die, die nicht ausgebildet sind, müssen wegbleiben.»

Einen Sold bekommen die Freiwilligen übrigens nicht, erlangen durch ihren Einsatz aber das Recht, ukrainische Staatsbürger zu werden. Die fehlende Bezahlung soll verhindern, dass sie wie Söldner behandelt werden. Doch Russland interessiert das nicht: Ausländische Kämpfer hätten «kein Recht auf den Status eines Kriegsgefangenen», sagte dazu der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, der Nachrichtenagentur Interfax zufolge.

Der Kreml selbst nimmt Geld in die Hand, um wie geplant 16'000 Kämpfer aus Syrien zu rekrutieren: Angeblich wird ihnen bis zu 3000 Dollar geboten, um an die Front zu gehen. Die Fähigkeiten, die sie im syrischen Bürgerkrieg erlernt haben, machen diese Soldaten in etwaigen Häuserkämpfen in ukrainischen Städten besonders interessant für Moskau.