Französisches TV-Duell Die Blamage von 2017 lastet auf Marine Le Pen

Von Rachel Boßmeyer, Violetta Heise und Michael Evers, dpa

20.4.2022 - 17:31

Marine Le Pen und Emmanuel Macron vor dem TV-Duell im Mai 2017. Wird das Aufeinandertreffen diesmal anders verlaufen?
Marine Le Pen und Emmanuel Macron vor dem TV-Duell im Mai 2017. Wird das Aufeinandertreffen diesmal anders verlaufen?
Bild: EPA

Marine Le Pen und Präsident Emmanuel Macron kreuzen im französischen TV-Duell die Klingen. Will die Herausforderin die Stichwahl am Sonntag gewinnen, muss sie sich heute besser schlagen als beim letzten Mal.

Sie suchte in Aktenordnern nach Informationen, verwechselte französische Grosskonzerne und blamierte sich mit verpatzten Angriffen auf Emmanuel Macron, statt eigene Themen zu setzen.

Die rechte französische Herausforderin Marine Le Pen will ihr Debakel von 2017 auf keinen Fall wiederholen, wenn sie es am Mittwochabend vor den Augen der Nation erneut mit Macron aufnimmt. In der zentralen und einzigen TV-Debatte der beiden verbliebenen Präsidentschaftskandidaten wird sich ab 21 Uhr vor allem Le Pen beweisen müssen. In den vergangenen Tagen hiess es für die 53-Jährige daher vor allem: vorbereiten und die Batterien aufladen.

Le Pen: Mehr Ruhe, weniger Termine

Dass die Debatte für Le Pen vor der Stichwahl am 24. April oberste Priorität haben würde, das drang aus ihrem Wahlkampfteam schon unmittelbar nach der ersten Wahlrunde durch. Le Pen gönnt sich vor dem entscheidenden Fernsehauftritt mehr Ruhe als noch 2017, wie ihr Umfeld französischen Medien verriet. Damals war ihr Terminplan noch bis in die frühen Morgenstunden des Debattentags randvoll. Diesmal solle Le Pen ausreichend Schlaf bekommen, hiess es.

Le Pen selbst wollte offenbar dem Eindruck entgegentreten, sie blicke mit Sorge auf die Debatte: Sie bereite sich ganz normal darauf vor, bei sich zu Hause, wie auf alle anderen Sendungen auch, sagte sie jüngst in einem Interview.

Macron: Kein PR-Training nötig

Präsident Macron liess derweil nicht viel über die Vorbereitung für den medialen Zweikampf nach aussen dringen. Klar ist aber: Der 44-jährige Amtsinhaber ist eloquent, schlagfertig und liebt Debatten. «Politico» zitierte sein Umfeld sogar mit den Worten, als Präsident habe Macron kein PR-Training nötig.

Die Debatte ist sowohl für den proeuropäischen Mitte-Politiker Macron und seine rechtsnationale Herausforderin Le Pen eine der letzten Chancen, die Französinnen und Franzosen von sich zu überzeugen – und wird daher mit grosser Spannung erwartet. Die beiden Kontrahenten stehen sich am Sonntag in der Endrunde um die Präsidentschaft gegenüber.

Am 10. April hatten sie sich in der ersten Wahlrunde unter zwölf Kandidatinnen und Kandidaten durchgesetzt. Bereits bei der Präsidentschaftswahl 2017 hatte es ein Duell zwischen den beiden gegeben. Umfragen gehen nun von einem knapperen Rennen aus. Gerade deshalb könnte dem medialen Schlagabtausch Experten zufolge besondere Bedeutung zukommen.

Werben um linke Wähler

Die traditionelle TV-Debatte zwischen den beiden Wahlrunden wird simultan auf mehreren französischen Kanälen übertragen. 2017 schalteten rund 16,4 Millionen Zuschauer ein. Damals war die Diskussion von Beschimpfungen und persönlichen Angriffen geprägt.

Beobachtern zufolge geht es für Le Pen und Macron nun besonders darum, linke Wähler zu bezirzen. Auf deren Stimmen wären beide für einen Wahlsieg angewiesen. Die Strategien unterscheiden sich jedoch.

Videografik: Die Präsidentenwahl in Frankreich

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Präsident Emmanuel Macron und Herausforderin Marine Le Pen kämpfen in Frankreich um den Elysée-Palast. Wie das Wahlsystem aussieht, zeigt das Video.

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Le Pen, die im Wahlkampf betont freundlich und gemässigt auftritt, wird sich wohl auch in der Debatte als Fürsprecherin ärmerer Bevölkerungsschichten inszenieren – und ihren Gegner als abgebrühten Mann der Eliten darstellen. Zuletzt sagte sie gar, sie wolle Frankreich wie eine Mutter anführen.

2017 wurde ihr noch vorgeworfen, sie sei bei all ihren Angriffen auf Macron zu wenig auf eigene Inhalte eingegangen. Dies dürfte Le Pen diesmal anders machen wollen und einen Abriss ihrer Politikpläne vorstellen: also etwa ihre Ideen zur Erhöhung der Kaufkraft, was auch das erste Debattenthema ist.

Umwelt und Internationales

Über das Thema Umwelt als einen der acht Debattenkomplexe dürfte sich wohl vor allem Macron freuen, der seit Tagen versucht, mit Klimaversprechen jüngere und weiter links eingestellte Menschen zu gewinnen. Erwartet wird auch, dass er beim Punkt Internationales die früher offen zur Schau gestellte Russland-Nähe Le Pens aufbringen dürfte. Es liegt zudem nahe, dass er angesichts des russischen Angriffskrieges in der Ukraine vor einer bröckelnden Einheit des Westens im Falle eines Wahlsiegs der Herausforderin warnt.

Abseits aller Inhalte wird Macron sich wohl auch um sein Image bemühen müssen, gilt er doch vielen als arrogant und wird den Ruf eines «Präsidenten der Reichen» nicht los. Auch er wird aber versuchen, Le Pens Imagekorrektur der vergangenen Jahre zu widerlegen und sie eindeutig als rechts zu brandmarken.

Wie schon vor fünf Jahren dürfte Macron Schwächen in Le Pens Wahlprogramm aufzeigen und etwa fragen, wie sie ihre zahlreichen Versprechen zu finanzieren gedenkt. Le Pen hingegen wird diesmal bessere Chancen haben, mit ihren Attacken auf Macron zu punkten. Denn als Amtsinhaber bietet er nun deutlich mehr Angriffsfläche.

Von Rachel Boßmeyer, Violetta Heise und Michael Evers, dpa