Ukraine meldet Angriffe auf Kiew und «viele» andere Städte
Die Hauptstadt Kiew und «viele» andere Städte der Ukraine sind am Morgen nach Regierungsangaben von Angriffen erschüttert worden. Zwei Tage nach der Explosion auf der Krim-Brücke tagt heute in Moskau der russische Sicherheitsrat unter Vorsitz von
10.10.2022
Russland hat am Morgen Kiew und anderen Städten in der Ukraine mit Raketen unter Beschuss genommen. Was über die Angriffe bekannt ist und was sie für den Krieg bedeuten: Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Die ukrainische Hauptstadt Kiew und weitere Städte in der Ukraine sind am Montagmorgen von russischen Raketenangriffen erschüttert worden. Vermutet wird ein Vergeltungsschlag Putins für die Explosionen auf der Brücke zwischen Russland und der Krim. Die Lage war zunächst unübersichtlich: Hier liest du die wichtigsten gesicherten Informationen.
Russische Raketen sind am frühen Morgen in Kiew und anderen Städten in der ganzen Ukraine eingeschlagen, darunter in der Grossstadt Lwiw nahe der polnischen Grenze. Bei den Angriffen in der ukrainischen Hauptstadt hat es nach Behördenangaben vom Vormittag mindestens acht Tote und 24 Verletzte gegeben.
In fast allen Landesteilen der Ukraine galt am Montagmorgen Luftalarm. Getroffen wurden neben dem Zentrum von Kiew und Lwiw unter anderem auch Dnipro, Chmelnyzkyj, Schytomyr und Saporischschja. «Ein massiver Raketenangriff auf das Gebiet, es gibt Tote und Verletzte», teilte der Militärgouverneur der Region Dnipropetrowsk um die Industriestadt Dnipro, Walentyn Resnitschenko, am Montag auf seinem Telegram-Kanal mit.
Welche Ziele wurden getroffen?
Die Raketen schlugen in Kiew während des morgendlichen Berufsverkehrs ein, trafen unter anderem eine wichtige Strassenkreuzung und einen Park. Auch ein Kinderspielplatz sei getroffen worden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskiy hat erklärt, dass die Raketenangriffe auf die Energieversorgung und die Bevölkerung abzielten.
Die Angriffe mit Raketen und iranischen Drohnen sollen Panik und Chaos schüren, sagte Selenskyj: «Sie wollen unser Energiesystem zerstören.» Das zweite Ziel seien Zivilisten. Der Zeitpunkt und die Ziele seien speziell ausgewählt worden, «um so viel Schaden wie möglich anzurichten» sagte der ukrainische Präsident und forderte die Menschen auf: «Bleiben Sie heute in Schutzräumen.»
Warum finden die russischen Raketenangriffe gerade jetzt statt?
Am Wochenende wurde die für Russland strategisch und symbolisch wichtige Kertsch-Brücke zwischen dem russischen Festland und der von Moskau völkerrechtswidrig annektierten Halbinsel Krim durch eine Explosion teilweise zerstört. Der russische Präsident Wladimir Putin hat den Anschlag auf die Brücke als «terroristischen Akt» verurteilt und den ukrainischen Geheimdienst verantwortlich gemacht.
Für den Russland-Experten Ulrich Schmid von der Universität St. Gallen ist es auf Nachfrage von blue News «wahrscheinlich, dass es sich hier um Vergeltungsschläge handelt. In diesem Sinne hatte sich ja auch bereits Dmitri Medwedew geäussert.»
Medwedew hatte am Sonntag gesagt: «Alle Berichte und Schlussfolgerungen sind gemacht. Russlands Antwort auf dieses Verbrechen kann nur die direkte Vernichtung der Terroristen sein.» Darauf würden die Bürger Russlands warten, sagte Medwedew in einem Interview vor einer geplanten Sitzung des russischen Sicherheitsrats an diesem Montag, die Wladimir Putin leiten soll.
Was ist von der Sitzung des Sicherheitsrates heute zu erwarten?
«Russland muss zurzeit froh sein, wenn es nicht weitere Geländeverluste in den besetzten Gebieten hinnehmen muss», analysiert Ulrich Schmid. «Im Moment deutet alles darauf hin, dass Russland seine Kräfte sammelt, um die vier annektierten Territorien auch militärisch ganz zu kontrollieren. Das ist aber kein einfaches Unterfangen.»
Die militärischen Hardliner im Kreml sind immer unzufriedener mit Wladimir Putin. Muss er nun Stärke zeigen, um sie zu «besänftigen»? Ulrich Schmid ist sich sicher: «Putin ist unter enormem Druck der Kriegspartei. Er droht die Unterstützung der Ultranationalisten zu verlieren, wenn er nicht bald militärische Fortschritte aufweisen kann.»
Wieso wurden die Raketen nicht von der Luftabwehr ausgeschaltet?
Es waren offensichtlich einfach zu viele. Der ukrainischen General Valeriy Zaluzhny sagte, die russischen Streitkräfte hätten am Montagmorgen 75 Raketen auf die Ukraine abgefeuert und ukrainische Luftabwehrsysteme hätten 41 davon abgeschossen, wie die «New York Times» berichtet.
Der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba hat nach den heutigen Angriffen einen Appell zur sofortigen Lieferung von mehr Luftabwehrsystemen gestartet. In einem Tweet teilte er mit, er habe bereits mit seiner kanadischen Amtskollegin Mélanie Joly gesprochen, die ihm versicherte, dass «die Antwort auf die barbarischen Angriffe Russlands eine noch entschlossenere praktische Unterstützung für die Ukraine sein wird».
Was bedeutet die neuerliche Eskalation für den weiteren Kriegsverlauf?
Der englische «Guardian» schreibt, dass Russland mit den Angriffen die ukrainische Zivilbevölkerung in Angst und Schrecken versetzen will. «Möglicherweise verlagert sich das Kriegsgeschehen nun vermehrt auf Sabotageakte, die von beiden Kriegsparteien durchgeführt werden», glaubt Ulrich Schmid.
Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, SDA und AFP.
Explosionen in Kiew
In der ukrainischen Hauptstadt Kiew hat es am Montagmorgen mehrere Explosionen gegeben. Sie hätten sich im Zentrum ereignet, teilte Bürgermeister Vitali Klitschko mit.
10.10.2022