Corona in den ärmsten Ländern Verzweifeltes Warten auf den Impfstoff

AP/toko

20.6.2021 - 18:00

Medizinisches Personal behandelt einen Covid-19-Patienten in Kenia. 
Medizinisches Personal behandelt einen Covid-19-Patienten in Kenia. 
AP Photo/Brian Inganga/Keystone

In vielen armen Teilen der Welt steigen die Corona-Zahlen weiter dramatisch an und Virusvarianten breiten sich aus. Noch lange steht nicht genug Impfstoff zur Verfügung.

20.6.2021 - 18:00

Hati Maronjei hatte sich einmal geschworen, sich niemals gegen Covid-19 impfen zu lassen. Ein Pfarrer hatte ihn gewarnt, dass die Immunisierung nicht sicher sei. Vier Monate nach Ankunft der ersten Impfstoffe in Simbabwe bemüht sich Maronjei jetzt verzweifelt um die Impfung. Wenn er in einer Klinik in der Hauptstadt Harare danach fragt, wird er jedes Mal auf den nächsten Tag vertröstet. «Es frustriert mich und macht mir Angst», sagt der 44-jährige Strassenhändler. «Ich bin immer an belebten Plätzen, rede mit verschiedenen Leute und verkaufe an sie. Ich kann mich nicht im Haus einschliessen.»

Wie in Simbabwe wächst in einigen der ärmsten Länder der Welt die Angst: Denn die Zahl der Corona-Infektionen steigt und gefährlichere Virusvarianten breiten sich aus, während viel zu wenig Impfstoff zur Verfügung steht. Millionen Menschen sind noch ungeimpft, vor allem die Ärmsten der Armen, die im informellen Sektor arbeiten und von der Hand in den Mund leben. In den Städten sind die Intensivstationen mit Corona-Patienten überfüllt, ein schwerer Krankheitsverlauf kann das Todesurteil sein.

«Nur so stark wie das schwächste Glied»

Afrika ist besonders vulnerabel. Die 1,3 Millionen Menschen auf dem Kontinent machen 18 Prozent der Weltbevölkerung aus, haben aber bislang nur zwei Prozent aller weltweit verabreichten Impfdosen erhalten. Einige afrikanische Länder haben noch keine einzige Impfung verabreicht.



Gesundheitsexperten sowie Staats- und Regierungschefs haben wiederholt gewarnt, dass es zur Bekämpfung der Pandemie nicht genügt, wenn reiche Staaten ihre Bevölkerung durchimpfen, solange sich das Virus wegen fehlender Impfstoffe in anderen Ländern weiter ausbreiten kann. «Wir haben seit Beginn der Pandemie immer wieder gesagt, dass wir nicht sicher sind, solange wir nicht alle sicher sind», erklärt der Virologe John Nkengasong, der die Afrikanischen Zentren für Seuchenkontrolle und -prävention leitet. «Wir sind nur so stark wie das schwächste Glied.»

Simbabwe mit seinen mehr als 15 Millionen Einwohnern hat wegen eines starken Anstiegs der Todes- und Infektionszahlen neue Lockdown-Massnahmen verhängt. Bislang wurden hier erst knapp eine Million Impfdosen verabreicht. Vor Impfzentren bilden sich lange Warteschlangen. Viele Menschen haben Angst, da hier der Winter vor der Tür steht und sich in Harare die zuerst in Südafrika identifizierte Virusvariante ausbreitet.

«Steigende Fallzahlen erfordert umgehendes Handeln»

Zu Beginn der Pandemie schien es, als sei vielen armen Ländern mit schwachen Gesundheitssystemen das Schlimmste erspart geblieben. Das ändert sich nun. «Die Kurve steigender Fallzahlen erfordert ein umgehendes Handeln», sagt Matshidiso Moeti, Afrika-Direktorin der Weltgesundheitsorganisation WHO. Patienten müssten rasch gefunden, getestet, isoliert und versorgt werden, Kontaktpersonen müssten ermittelt und ebenfalls isoliert werden. Zuletzt sei die Zahl neuer Fälle auf dem Kontinent innerhalb einer Woche um fast 30 Prozent gestiegen.

Auch in Sambia ist die Impfkampagne ins Stocken geraten, und Krankenhäusern gehen die Sauerstoffflaschen aus. Infizierte ohne schwere Symptome werden von Kliniken in der Hauptstadt Lusaka abgewiesen.

In Uganda geht die Impfkampagne wie in den meisten afrikanischen Ländern nur langsam voran.
In Uganda geht die Impfkampagne wie in den meisten afrikanischen Ländern nur langsam voran.
AP Photo/Patrick Onen/Keystone

Uganda kämpft ebenfalls gegen einen starken Anstieg an Fällen und verschiedene Virusvarianten. Nach Angaben der Behörden erkranken inzwischen mehr Menschen zwischen 20 und 40 Jahren als bisher. Die Intensivstationen in und um die Hauptstadt Kampala sind fast voll. Viele Bewohnerinnen und Bewohner des ostafrikanischen Landes können sich keine teuren medizinischen Behandlungen leisten und versuchen, sich mit Kräutermedizin vor einer Infektion zu schützen. Impfstoffe sind auch hier Mangelware.

Fast 90 Prozent werden Ziel verfehlen

Insgesamt wurden in Afrika bislang mehr als fünf Millionen Covid-19-Fälle bestätigt, 135'000 Menschen starben an dem Virus. Das ist zwar nur ein Bruchteil der Fälle weltweit, aber viele Experten befürchten, dass die Krise noch viel schlimmer werden könnte. Fast 90 Prozent der afrikanischen Länder werden laut WHO das globale Ziel verfehlen, bis September zehn Prozent der Bevölkerung zu impfen.



Ein Hauptproblem besteht darin, dass die internationale Impfstoff-Initiative Covax nicht genug Vakzine zum Verteilen hat. In der vergangenen Woche erklärten sich die G7-Staaten bereit, binnen eines Jahres mindestens eine Milliarde Impfdosen mit armen Ländern zu teilen. Die Lieferungen sollen im August beginnen.

In der Zwischenzeit dauern bei den Armen der Welt das Warten und die Besorgnis an. In Afghanistan, wo ein Anstieg der Infektionen das kriegszerrüttete Gesundheitssystem bedroht, prügelten sich Impfwillige kürzlich um von China gespendete Impfdosen, wie ein Sprecher des Gesundheitsministeriums sagt. Ende Mai hatten etwa 600'000 Afghanen mindestens eine Impfung bekommen – das waren weniger als zwei Prozent der insgesamt 36 Millionen Einwohner.

In Haiti schicken Krankenhäuser Patienten nach Hause, während das Land auf seine erste Impfstoff-Lieferung wartet. Eine grosse Lieferung über Covax hatte sich verzögert, weil die Regierung Sorgen vor Nebenwirkungen hatte und Kühlmöglichkeiten für das Präparat fehlten.

«Ich bin jeden Tag in Gefahr», sagt die 22-jährige Verkäuferin Nacheline Nazon, die täglich mit dem Bus zur Arbeit in einem Bekleidungsgeschäft in der Hauptstadt Port-au-Prince fährt. Sobald der Impfstoff zur Verfügung stehe, «werde ich vermutlich die erste sein, die sich dafür anstellt.»

AP/toko