Treibhausgase China überholt erstmals alle Industrieländer zusammen

Von Andreas Landwehr, dpa

7.5.2021 - 05:00

In Peking trugen die Menschen schon vor Corona Gesichtsmasken – wegen der schlechten Luft. (Archivbild)
In Peking trugen die Menschen schon vor Corona Gesichtsmasken – wegen der schlechten Luft. (Archivbild)
KEYSTONE

Als grösster Kohleverbraucher und bevölkerungsreichstes Land ist China entscheidend für den Kampf gegen die Erderwärmung. Doch seine Emissionen steigen stetig. Pro Kopf führen hingegen weiter die USA.

Chinas jährlicher Ausstoss von Treibhausgasen übersteigt nach einer neuen Studie erstmals die Emissionen aller entwickelten Länder zusammen. In ihrem Vergleich mit den EU-Ländern, den USA und den anderen Mitglieder der Industrieländerorganisation OECD schätzt die US-Denkfabrik Rhodium Group zudem, dass das bevölkerungsreichste Land 2019 allein zu 27 Prozent der weltweiten Emissionen an CO2-Äquivalenten (CO2e) beigetragen habe – weit mehr als die USA auf dem zweiten Platz mit elf Prozent. Erstmals kletterte Indien nach den Berechnungen mit 6,6 Prozent auf den dritten Platz.

CO2-Äquivalente sind eine Masseinheit zur Vereinheitlichung der Klimawirkung unterschiedlicher Treibhausgase, die nicht in gleichem Masse zum Treibhauseffekt beitragen und über unterschiedlich lange Zeiträume in der Atmosphäre bleiben. Nach der Freitag vorliegenden Studie haben Chinas Emissionen 2019 erstmals 14 Gigatonnen CO2e überschritten. Seit 1990 hätten sie sich verdreifacht. Über das vergangene Jahrzehnt seien sie noch um 25 Prozent gestiegen.

Starkes Wachstum ist das Problem

Weltweit kletterte der Ausstoss 2019 auf 52 Tonnen CO2-Äquivalente – ein Zuwachs um 11,4 Prozent über das vergangene Jahrzehnt, wie die Berechnungen ergaben. Mit seinen rund 1,4 Milliarden Menschen erreichen Chinas Emissionen pro Kopf gerechnet 10,1 Tonnen und liegen damit aber etwas unter dem OECD-Niveau mit 10,5 Tonnen – deutlich niedriger als in den USA, die mit 17,6 Tonnen pro Kopf gerechnet viel stärker zur Erderwärmung beitragen.

Der Anteil pro Kopf dürfte in China 2020 aber gestiegen sein, weil sein Ausstoss an Treibhausgasen um rund 1,7 Prozent zugelegt habe, während er in den meisten anderen Ländern durch die Corona-Pandemie zurückgegangen sei, heisst es in der Studie. Kumulativ sei China allerdings «noch weit davon entfernt», die historischen Beiträge der Industrieländer zum Treibhauseffekt seit 1750 zu überholen. Kohlendioxid hält sich über Hunderte von Jahren in der Atmosphäre. Die Erderwärmung ist Ergebnis der lange angesammelten und heutigen Treibhausgase zusammen.

Das starke Wachstum und der hohe Anteil der Kohle an Chinas Energiemix gelten als wesentliche Ursachen für den Anstieg seines Kohlendioxid-Ausstosses. Als grösster Kohleverbraucher der Welt hat China aber neue Anstrengungen im Klimaschutz versprochen. Auf dem virtuellen Klimagipfel auf Einladung von US-Präsident Joe Biden sagte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping vor zwei Wochen zu, bis 2025 den Anstieg des Kohleverbrauchs zunächst «streng begrenzen» und dann bis 2030 «stufenweise verringern» zu wollen.

Kohleenergie wird weiter ausgebaut

Chinas Präsident wiederholte seine Zusage, dass China den Höhepunkt seiner CO2-Emissionen vor 2030 anstrebe und Kohlendioxid-Neutralität vor 2060 erreichen wolle. Das bedeutet, dass kein Kohlendioxid ausgestossen wird oder die CO2-Emissionen vollständig kompensiert werden. Während die Regierung in Peking wiederholt ihr Bekenntnis zum Pariser Klimaabkommen bekräftigt, bemängeln Kritiker aber einen weiteren Ausbau der Kohleenergie auf lokaler Ebene und einen Zuwachs der Kohleförderung. China stützt seine Energieversorgung zu rund 60 Prozent auf Kohle.

Ende des Jahres sollen bei einer Weltklimakonferenz in Glasgow alle Vertragspartner ihre Klimaziele nachschärfen. Experten sind sich einig, dass bis 2030 weltweit viel mehr getan werden muss, wenn die Erderwärmung, wie 2015 von knapp 200 Staaten in Paris vereinbart, deutlich unter zwei Grad bleiben soll. Schon jetzt hat sich die Erde um rund 1,2 Grad erwärmt – im Vergleich zur vorindustriellen Zeit.

Von Andreas Landwehr, dpa