«Wahre Lösung»Bolsonaro empfiehlt experimentellen Nasenspray gegen Covid-19
phi
9.3.2021
Gerade erst hatte Brasilien an einem Tag über 1900 Tote zu beklagen. Doch statt aufs Impfen konzentriert sich Präsident Bolsonaro immer noch auf Hydroxychloroquin – und preist nun ein neues «Wundermittel».
phi
09.03.2021, 13:00
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Brasilien hat am Montag 36'136 Neuinfektionen registriert. Der Wert ist – relativ gesehen – gar nicht so schlecht: Es sind immerhin gut 2000 Ansteckungen weniger als in der Vorwoche. Und es sind deutlich weniger als am Vortag: Da meldeten die Behörden deprimierende 80'024 neue Fälle.
Nur am 7. Januar hat Brasilien mit 87'134 Neuinfektionen mehr ertragen müssen – und der Trend ist in der Pandemie in Brasilien ungebrochen: Die Fallzahlen gehen genauso permanent nach oben wie die Anzahl der Toten. 266'614 Menschen in Brasilien sind der Seuche bereits erlegen. Am Donnerstag gab es einen traurigen Rekord von 1'910 Toten.
Einer, der seinen Anteil an dieser Entwicklung hat, ist Jair Bolsonaro: Der brasilianische Präsident hat die Gefahr von Anfang an kleingeredet. Ähnlich wie der frühere US-Präsident hat der 65-Jährige die Krankheit als «kleine Grippe» verharmlost. Und ähnlich wie Donald Trump macht auch Bolsonaro nun Werbung für ein Medikament, dessen Wirkung umstritten ist.
«Wundermittel» gibt es immer wieder
Das Medikament kommt aus Israel und ist ein «Wundermittel», wie es der Ex-Militär anpreist. Nein, das bezieht sich nicht aufs Impfen und die enormen Fortschritte, die der jüdische Staat auf dem Gebiet gemacht hat. Vielmehr setzt Bolsonaro seine Hoffnung auf einen experimentellen Nasenspray, weiss die «New York Times».
EXO-CD24 hat bisher erst erste Tests hinter sich. Obwohl das Produkt noch nicht im Gesundheitswesen benutzt wird, lobte Bolsonaro es als «wahre Lösung, um Covid zu behandeln». Brasilien will es bei Schwerkranken einsetzen: Am Samstag reist Aussenminister Ernesto Araújo zu Gesprächen mit dem Hersteller nach Israel.
Schon im vergangenen Jahr hat Brasiliens Präsident im grossen Stil das Medikament Hydroxychloroquin bestellt, das auch Donald Trump empfohlen hatte. Dabei hat die Weltgesundheitsorganisation WHO gerade erst davor gewarnt, Hydroxychloroquine bei Covid-19-Patienten anzuwenden. Auch zur Verhinderung einer Ansteckung eigne es sich nicht, steht in der «starken Empfehlung».
Negativbeispiel für die Geschichtsbücher
Dennoch hat Bolsonaro erst vergangene Woche sein Loblied auf Hydroxychloroquin wiederholt. Die Impfkampagne laufe dagegen schleppend an, weil sich das Land zu spät um die Mittel bemüht habe. Diejenigen, die die Regierung zum Kauf von Impfstoffen aufgefordert haben, bezeichnete er dennoch als «Idioten».
Diese Politik schlägt sich in der Krise in den traurigen Covid-Statistiken nieder. «Brasilien wird als Fallstudie dafür in die Geschichte eingehen, wie sich schlechte Führung bei einem Gesundheitsnotfall auswirkt», sagte dazu Harvard-Professorin Marcia Caldas de Castro der «New York Times», «und das messen wir an den Kosten an Leben.»
In der Vorwoche hatte Bolsonaro mit provokanten Aussagen für Kopfschütteln gesorgt. «Ihr seid nicht zu Hause geblieben. Ihr seid nicht feige gewesen», sagte er bei der Einweihung eines Teilstücks einer Eisenbahnlinie in São Simão im Bundesstaat Goiás zu Arbeitern und forderte: «Schluss mit dem Gejammer.»