Covid-19 Epidemienforscher: BAG unterschätzt das Coronavirus

SDA

26.2.2020

Ein Papier an der Tür zu einer Apotheke in der Berner Innenstadt macht die Kundschaft am 25. Februar 2020 darauf aufmerksam, dass keine Atemschutzmasken erhältlich sind.
Ein Papier an der Tür zu einer Apotheke in der Berner Innenstadt macht die Kundschaft am 25. Februar 2020 darauf aufmerksam, dass keine Atemschutzmasken erhältlich sind.
Bild: Keystone/Alessandro della Valle

Ein Epidemiologe wirft dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) vor, die Gefährlichkeit des Coronavirus zu unterschätzen. Die Schweiz stehe vor einer der «grössten gesundheitlichen Notlagen» der jüngeren Geschichte. 

Die Schweiz steht nach Ansicht des Epidemienforschers Christian Althaus vor einer der grössten gesundheitlichen Notlagen in ihrer jüngeren Geschichte. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) unterschätze die Gefährlichkeit des Coronavirus (Covid-19).

Die Daten, die die Epidemienforscher zum Coronavirus hätten, zeigten, dass mit einer globalen Pandemie zu rechnen sei, sagte Althaus in einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» (Mittwochausgabe). Und die Sterblichkeit sei höchstwahrscheinlich massiv höher als bei einer saisonalen Grippe.

Es gehe aber nicht nur um die zu erwartenden Todesfälle, sondern auch um die drohende Überlastung der Spitäler. Deshalb müsse die Schweiz mit beträchtlichen Konsequenzen für die Gesundheit, die Wirtschaft, die Mobilität und das gesellschaftliche Leben rechnen.

Das Gefährliche beim neuen Coronavirus sei, dass es keine Immunität in der Bevölkerung geben. Das könne dazu führen, dass sich vielleicht 30, 40 oder mehr Leute ansteckten. In einem Worst-Case-Szenario könnten das bis zu 30'000 Tote bedeuten.

Scharfe Kritik am BAG

Althaus kritisiert das BAG scharf. Die Aussage, die Gefährlichkeit des Virus sei etwa so hoch wie bei einer saisonalen Grippe, sei absurd. Sie basiere nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Fast alle internationalen Experten, darunter auch die WHO, sähen das komplett anders.

Er habe den Eindruck, dass man in der Schweiz akzeptiert habe, dass man eine Ausbreitung nicht mehr stoppen könne, sagte Althaus weiter. Das wäre gefährlich. Denn durch eine Verlangsamung würde man Zeit gewinnen, um den Anstieg der Patientenzahlen in den Spitälern besser zu verkraften.



Dass es in den Spitälern zu Engpässen kommen könnte, glaubt auch Andreas Widmer, stellvertretender Chefarzt und Leiter der Abteilung für Spitalhygiene am Universitätsspital Basel. Schnelle Tests seien nötig. Die Kantone müssten flächendeckend alle Personen mit Verdacht auf das Coronavirus testen und die Infizierten sofort separieren, sagte Widmer in einem Interview mit «20 Minuten».

Hinzu komme, dass die Symptome des neuen Virus sich nicht von einer normalen Grippe unterschieden und so eine Erkennung noch schwieriger sei. Er sei gespannt, wie die flächendeckenden Tests im Tessin in Anbetracht dieser Schwierigkeiten umgesetzt würden. Das sei medizinisch wie logistisch eine Herkulesaufgabe.

Grenzschliessungen bringen nichts

Grenzschliessungen und Kontrollen brächten nichts. Das Wichtigste seien die schnellen Tests. Die Kantone stünden in der Verantwortung. Und sie seien laut Gesetz auch dazu befugt, Massnahmen zu ergreifen.

Die Ansteckung eines 70-jährigen Mannes im Tessin mit dem Coronavirus sei momentan ein Einzelfall, sagte Daniel Koch, Leiter Abteilung übertragbare Krankheiten im Bundesamt für Gesundheit, gegenüber der Sendung «10vor10». Derzeit bestehe keinerlei Gefahr.

Koch empfiehlt der Bevölkerung, sich an die grundlegenden Hygieneregeln zu halten. Dazu gehöre, sich regelmässig die Hände zu waschen und bei Husten den Ellenbogen oder Papiernastücher zu benutzen. Wer krank sei, gehöre nicht in die Öffentlichkeit und schon gar nicht an den Arbeitsplatz, sagte Koch.

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