Geschlossene Läden Lassen die Schweizerinnen ohne Coiffeur die Haare wachsen?

Jonas-Erik Schmidt, dpa/bb

3.4.2020

Wenn die Coiffeurläden nicht bald wieder öffnen dürfen, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder man lässt die Haare wachsen oder man übernimmt das Haareschneiden selbst.
Wenn die Coiffeurläden nicht bald wieder öffnen dürfen, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder man lässt die Haare wachsen oder man übernimmt das Haareschneiden selbst.
Source: Getty Images

Kein Theater, kein Fussball, keine Konzerte – und jetzt auch noch schlecht frisiert. Das Virus hat die Schweiz voll im Griff, auch die Coiffeurläden sind geschlossen. Und jetzt: Langhaarfrisur oder Langhaarschneider?

Frisuren sind auch immer ein Spiegel ihrer Zeit. Gilt seit Jahrzehnten ein Kurzhaardiktat, wirkt eine lange Mähne besonders rebellisch – so war es zum Beispiel in den 1960ern.

Auch jetzt erlebt die Schweiz historische Monate: Das Coronavirus hat das Land in einen beispiellosen Krisenmodus versetzt.

Und auch diesmal geht es – nach vielen anderen, viel wichtigeren Gesundheitsfragen – irgendwie um die Haare. Der Grund: Die Coiffeurläden sind seit drei Wochen geschlossen.

Werden lange Haare jetzt zum Trend?

Man mag einwenden, dass Stilfragen in Zeiten, in denen es um Leben und Tod geht, wirklich nachrangig sind. Zumal in einer Phase, in der viele Menschen noch nicht mal mehr für die Arbeit aus der Jogginghose müssen, weil sie im Homeoffice arbeiten.

Zugleich verändert es den Alltag der Haargenossinnen und -genossen, wenn sie ihr Haupthaar nicht mehr in professionellen Händen wissen. Krise ist schon schlimm. Krise und schlecht frisiert kann noch schlimmer sein.

Tragen wir bald alle Matte? Die beruhigende Antwort vorweg: Es wäre zumindest kein grosser Schaden, wenn die Haare ein bisschen nachwachsen. «Es ist eine gewisse Ermüdung eingetreten bei Frisuren, die an der Seite ausrasiert sind», stellt der Buchautor Bernhard Roetzel fest. Er prognostiziert «generell eine Entwicklung hin zum längeren Haar» – auch ohne Coronavirus.



Der Stilkritiker rät zugleich zu einer gewissen Gelassenheit. Er befürchtet nicht, dass Deutschland nun kollektiv zerzaust. Das Haar müsse ja auch erstmal wachsen. «Ausnahme sind höchstens die Frauen, die sich die Haare jede Woche vom Friseur legen lassen. Aber das ist eine aussterbende Tradition», sagt Roetzel.

Ein kritischer Punkt könnte nach etwa vier Wochen eintreten. «Vier Wochen ist ungefähr der Rhythmus, in dem man mit einem Fassonschnitt zum Friseur geht.»

Do-it-yourself-Haarschnitte

Kommt jetzt der Boom der Haarschneide-YouTube-Anleitungen? Es ist in jedem Fall gefährlich, ohne jede Ahnung einfach loszurasieren. Wer mal bei einem schlechten Friseur war, weiss: Verschnittenes Haar braucht wahnsinnig lange, bis es wieder rausgewachsen ist.

Die Seite instyle.de warnt bei ihren Tipps zum Selberschneiden daher in einem Ton, der auch bei einer Bombenentschärfung passen würde: «Die allererste Regel lautet eigentlich ‹don't do it› – lass es lieber!»

Zugleich hat man ja alles da: Schere, Kamm, oft Rasierer. Farbe lässt sich noch kaufen. Und in der Schweiz hat es eine gewisse Tradition, sich im familiären Kreis die Haare zu stutzen. Oft gibt es eine Tante, die das kann und am Ende jede Frisur als «frech» bezeichnet.



«Es wird vielleicht zu einem Revival des Do-it-yourself-Haarschnitts kommen, also von Freunden oder der Familie», meint Experte Roetzel. Wobei genau das in Coronazeiten nicht ratsam ist – die Zahl der physischen Kontakte soll auf ein Minimum reduziert werden.

Grosse Tristesse?

Also grosse Tristesse? Es kann aufs Gemüt schlagen. «Eine gute Frisur unterstreicht die Kleidung und auch, dass man sich wohlfühlt», gibt der Modeberater Andreas Rose zu bedenken. Andererseits könne man bei fortschreitendem Wuchs auch tricksen. «Meine Nachbarin zum Beispiel hat sich die Haare geflochten, das habe ich heute Morgen gesehen», sagt er. «Auch das ist schön.»

Weitere Ideen: Schicke Haarkämme («zum Beispiel mit Kristallen, Blumen oder in Schildpatt-Optik»), Kopftücher («die sind auch wieder sehr angesagt») oder ein Pferdeschwanz. Oder man versucht vom Haar abzulenken – etwa mit schönem Make-up um die Augen.

An die schauerlichsten Prognosen glaubt auch Rose nicht. Auf die Frage, ob in der Krise nicht auch der «Vokuhila» (vorne kurz, hinten lang) wieder Thema werden könne, sagt er: «Hören Sie auf, wie furchtbar! So etwas kommt nicht wieder, da lege ich mich fest!»

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