Zero Waste Selbstversuch: Einen Monat keinen Abfall produzieren – geht das?

Hannah Stettler, Nachhaltigkeitsblog

14.1.2018

Dass unsere Ozeane mit Plastikmüll verschmutzt sind, hat auch mit unserem Konsumverhalten in der Schweiz zu tun. Denn dauernd entsteht Abfall, der oft vermeidbar wäre. Unsere Autorin machte einen Monat lang einen Zero-Waste-Selbstversuch.

Stellen Sie sich vor, wir alle würden keinen Abfall produzieren. Keine Berge von Müll in Kehrichtverbrennungsanlagen und – noch viel besser – kein Müll am Strassenrand und in den Ozeanen. Produkte, die ewig halten sollen, gibt es leider schon lange nicht mehr; irgendwann landet das meiste auf der Müllhalde.

702 Kilogramm Abfall – so viel Haushalts- und Verpackungsmüll verursachen Herr und Frau Schweizer pro Kopf in einem Jahr. Nur die Konsumenten in den USA und in Dänemark produzieren ähnlich viel Abfall pro Kopf.

Wer macht sich wirklich Gedanken über seinen Abfall? Kaum landet er im Kübel, haben wir ihn vergessen. Doch immer wieder hört man von Menschen, die sagen, sie würden kaum noch Abfall produzieren. Das hat mich immer interessiert. Auch wenn ich nie ganz glauben konnte, dass das funktioniert. Ich habe mich trotzdem – oder genau deswegen – auf einen einmonatigen Selbstversuch eingelassen.

Die Bilder zu meinem Zero-Waste-Selbstversuch können Sie in unserer Galerie anschauen.

Grosse Auswahl, aber ...

Glück für mich, dass momentan «Unverpackt»-Läden fast wie Pilze aus dem Boden schiessen. Ausgerüstet mit Tupperwares, leeren Konfitürengläsern, Stoff- oder Papiertüten und Eierkartons können sich Verpackungsbewusste dort mit Lebensmitteln und vielen anderen Dingen eindecken. Die Auswahl ist zwar nicht so gross wie beim Grosshändler, aber ich wurde positiv überrascht.

Mein Zero-Waste-Selbstversuch würde also ganz einfach werden, dachte ich. Schnell musste ich jedoch feststellen, dass es viele Lebensmittel gibt, die unverpackt kaum erhältlich sind, beispielsweise Joghurt, Butter, Hefe und ganz zu schweigen von Halbfertig- oder Fertigprodukten. Zudem fällt Abfall auch in anderen Bereichen des täglichen Lebens an, nicht nur beim Essen und Trinken.

Mein Zero-Waste-Monat begann mit einer kaputten Haarbürste und einem Abwaschschwamm, der dringend ersetzt werden musste. Na toll, dachte ich. Davon abschrecken liess ich mich nicht, sondern krempelte die Ärmel hoch und begann, meinen Abfall zu reduzieren.

Gelernt habe ich während meines einmonatigen Zero-Waste-Versuchs einiges – hier meine 6 grössten Erkenntnisse:

1. Keine Verpackung bedeutet höheren Zeitaufwand

Bis ich jeweils vom Bio-Gemüsestand zum Laden mit den krummen Karotten und dem übergrossen Lauch geradelt bin, war mein Tag schon fast vorbei. Und es fehlten noch immer die Milch vom Bauern und der Abstecher in den Unverpackt-Laden Palette für die Teigwaren. Keine Chance, das regelmässig neben der Arbeit und anderen Verpflichtungen zu erledigen.

Kommt hinzu, dass die Einkäufe gut geplant werden müssen. Mehrmals stand ich vor dem Laden und hatte meine Plastiktüten und Einmachgläser zu Hause vergessen. Meine Lösung: Weniger arbeiten, mehr unverpackt einkaufen. Leider in der Realität kaum umsetzbar.

Im Berner Geschäft Palette werden ausschliesslich unverpackte Produkte verkauft oder solche, deren Verpackung wiederverwendet werden kann.
Im Berner Geschäft Palette werden ausschliesslich unverpackte Produkte verkauft oder solche, deren Verpackung wiederverwendet werden kann.
Bild: Swisscom/Hannah Stettler

2. Zero Waste ist immer ein Abwägen

Während meines Zero-Waste-Selbstversuchs war ich immer wieder in der Zwickmühle: Kaufe ich den unverpackten Nicht-Bio-Salat oder den verpackten Bio-Salat im 50-Prozent-Regal, den ich so vor dem Wegwerfen retten kann? Ist mir eine Verpackung die Rettung von Essen wert?

Und wie viele zusätzliche Velo-Kilometer sind zu rechtfertigen, damit die Milch nicht aus der recyclebaren Plastikflasche der Migros, sondern aus der wiederverwendeten Glasflasche direkt vom Hof stammt?

Fällt über die ganze Produktion gesehen mehr Abfall an, wenn ich ein unverpacktes Brot in der Bäckerei kaufe oder mir selber eines backe und dann das Hefepapier wegwerfe?

Und ist es eigentlich mein Abfall, der anfällt, wenn ich zum Essen eingeladen werde?

3. Verschiebung von Abfall zu Wiederverwendbarem

Meine Abfallmenge hat sich währen meines Selbstversuches unter anderem deshalb stark reduziert, weil ich alles, was ich konnte, recycelt habe. Die auseinandergenommene Haarbürste ist das Paradebeispiel dafür, wie viel weniger Abfall anfällt, wenn man bereit ist, etwas Zeit zu investieren.

Tetrapaks wurden in diesem Monat völlig von der Einkaufsliste verbannt, schliesslich kann ich die an keinem speziellen Ort entsorgen oder zurückbringen.

Dafür häufen sich Glas- und Plastikflaschen (die weissen von der Milch), Altpapier (mit den Joghurt-Banderolen) und Büchsen (von der Kokosmilch). Klar, alles wiederverwendbar, streng genommen aber doch alles Verpackungsmaterial und damit trotzdem Abfall.

4. Kleines Sündenregister

Es gibt Dinge im Alltag, auf die ich einfach nicht verzichten möchte. Die Liste wird angeführt von allerlei Hygieneartikeln, von Toilettenpapier über Abschminkpads zu Rasierklingen und endet bei Küchenschwämmen.

Ich war erstaunt, was sich davon in einem Monat alles so angesammelt hat:

— Quittungen von Einkäufen und Kaffeetrinken

— Leim- und Schreibstift (ich bin eine fanatische Fotoalbum-Kleberin)

— Backtrennpapier

— Küchenschwamm und unzählige Papiertaschentücher

— Verpackungsmaterial einer Online-Bestellung

— Plastiksack, in dem noch ein Rest Blumenerde sein kümmerliches Dasein fristet Teebeutel Veloschlauch

5. Lebensmittel sind erst der Anfang

Wird nur ein Monat betrachtet, sind die Verpackungen von Lebensmitteln bestimmt der grösste Abfallproduzent. Öffnet man jedoch den Fokus auf ein Jahr oder ein ganzes Leben, kommen noch unglaublich viele, teilweise viel schwieriger kontrollierbare Bereiche hinzu, in denen Müll produziert wird.

Bei Elektrogeräten, Kleidung, Möbeln, um nur einige zu nennen, kommt zur Verpackung hinzu, dass ihre Lebensdauer mit Reparaturen oder Second-Hand-Nutzung massiv verlängert werden kann. Doch auch hier macht Materialientrennen und anschliessend fachgerechtes Entsorgen den Unterschied, wieviel Abfall am Ende anfällt.

Rechts der Abfall meines Zero-Waste-Selbstversuchs – links der Müll des Monats davor.
Rechts der Abfall meines Zero-Waste-Selbstversuchs – links der Müll des Monats davor.
Bild: Swisscom/Hannah Stettler

6. Zero Waste «fägt»!

Es hat mir viel Spass gemacht, in der Stadt herumzurennen und bei jedem Einkauf zu versuchen, mich selbst bezüglich Verpackungsminimierung zu übertrumpfen. Zuhause zuzuschauen, wie der Mülleimer einfach nicht voll werden wollte, war ebenfalls ein schönes Erlebnis. Aufgerüttelt hat mich auf jeden Fall, wie viel Plastik trotz dieses erheblichen Aufwandes während der vier Wochen angefallen ist.

Der Monat endet, wie er begonnen hat: mit einer Idee meinerseits, die nicht ganz der Realität entspricht. In meinem Wohnort Bern kann ich entgegen meiner Annahme kein Plastik separat zum sonstigen Recycling abgegeben werden. Das sorgfältige Plastiktrennen hatte keinen Sinn. Also ab mit den ganzen Plastikbergen in den Gebührensack. Schade.

Fazit: Nur noch ein halber Sack Abfall

Ich bin zwar kein Fan unserer Wegwerfgesellschaft, aber definitiv auch keine Zero-Waste-Evangelistin. Das haben Sie wahrscheinlich bereits bemerkt. So oder so: Ich wünsche mir manchmal etwas weniger Faulheit bei manchen Mitmenschen.

Es wäre schön, wenn wir uns alle stärker bewusst wären, wie viel Müll wir völlig unnötig produzieren. Es gibt viele einfache Tricks, um etwas zur Zero-Waste-Bewegung beizutragen; beispielsweise das Geschirr in die Mensa zurückzubringen statt Wegwerfgeschirr zu wählen.

Konkret konnte ich während den vier Versuchswochen meinen Abfall um die Hälfte reduzieren; von einem 35-Liter Abfallsack auf einen knappen halben.

Geblieben ist mir zudem ein besseres Bewusstsein für Verpackungen, Abfall ganz im Allgemeinen und die Motivation, meinen persönlichen Müll auch künftig weiter zu reduzieren.

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Hannah Stettler betreut im Corporate Responsibility Team von Swisscom Projekte zu Medienkompetenz und flexiblen Arbeitsformen.
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Bild: Swisscom
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