SelbsttestWie einfach können wir auf Plastik verzichten?
Mara Ittig
11.4.2019
Die einen verkneifen sich zwischen Fasnacht und Ostern Schokolade, Fleisch und Alkohol, andere setzen auf Digital Detox und verzichten für ein paar Tage auf sämtliche Bildschirme in ihrem Leben. «Bluewin»-Redaktorin Mara Ittig hat sich fürs Plastikfasten entschieden. Ein Erfahrungsbericht.
Hier ein Kaffee zum Mitnehmen, da ein Salat über Mittag – natürlich in einer Plastikschale; ein Grossteil des Wocheneineinkaufs ist ebenfalls eingeschweisst und mehrfach verpackt. Immer mehr stört mich die Plastikflut in meinem Leben. Zeit für einen kleinen Sinneswandel in Form eines Experiments.
Eine Woche möglichst ohne Plastik – das müsste zu schaffen sein. Dachte ich. Vor allem aber ging es mir darum, mein Bewusstsein ein wenig zu schärfen: Wieviel Plastik häufe ich in einer Woche so ganz nebenbei eigentlich an?
Wasser unterwegs und Kafi im Zug waren einfach – denn da habe ich die passenden Behälter schon zu Hause und nutze sie seit Längerem: Auf die Pet-Fläschli und Einwegkaffeebecher zu verzichten fällt mir also leicht. Im Büro verzichte ich auf mein Rivella nach der Sitzung und fülle stattdessen nochmals meine Flasche mit Leitungswasser. Das Mittagessen nehme ich von zu Hause mit – das tue ich ohnehin schon seit Längerem, also auch hier: keine grosse Umstellung.
Nach einer Stunde Rumgesuche gebe ich auf
Doch dann geht's los. Meine Bodylotion ist aufgebraucht. Ich habe eine ziemlich trockene Haut und suche nach einem Ersatz, der einerseits meine Haut gut nährt und andererseits nicht in Plastik verpackt ist. Nach einer Stunde Herumgesuche in der Innenstadt gebe ich auf und greife zum Aprikosenkern-Öl, obwohl es für mich vom Effekt her nicht wirklich zufriedenstellend ist. Aber wenigstens ist es in Glas verpackt. Allerdings hat die Glasflasche einen Drehverschluss aus Plastik. Kriterium nicht ganz erfüllt.
Neuer Tag, neues Glück. Die Sonne scheint, ein paar neue Pflanzen würden dem Balkon guttun. Nur: Alle Pflanzen, die ich finde, stecken in einem Plastiktopf. Also kaufe ich Samen und säe selber an. Erde und Töpfe haben wir glücklicherweise noch zu Hause, hier komme ich tatsächlich um den Kunststoff herum.
Am Nachmittag will mein jüngerer Sohn mit zum Einkaufen. Leicht naiv denke ich, dass wir uns gemeinsam einen Spass daraus machen können, möglichst keine Produkte mit Plastik ins Einkaufskörbli zu packen. Dazu statten wir dem «Unverpackt-Laden» ganz in der Nähe einen Besuch ab.
Ich habe die Rechnung allerdings ohne meinen Sohn gemacht. Er bekommt einen Trotzanfall, weil er kein Schoggigüggeli bekommt (es ist in Plastik verschweisst und unfassbar teuer, sorry, keine Chance). Seine heissgeliebte Salatgurke gibt es im Laden nicht, weil halt im Moment keine Saison ist.
In der Migros, die wir danach ansteuern, gibt es zwar Gurken, aber – hurra – sie stecken allesamt in einem Plastikmänteli. Mein Sohn findet das Spiel inzwischen doof und will die Gurke. Ich versuche ihm zu erklären, wieso wir das Ganze machen. Waschmittel muss auch noch her, also wieder zurück in den Unverpacktladen – da gibt es Waschnüsse. Mein Sohn ist langsam genervt von dem Hin und Her. Ich, ehrlich gesagt, auch.
Die Macht der Gewohnheit ist stark
Der Kassierer im Coop schaut mich ein paar Tage später komisch an, als ich meine vier Salzbrezel nicht in ein Plastiksäckli packe und sie an der Kasse so wie sie halt sind in meinen Baumwollbeutel stopfe. Notabene ohne sie aufs Band zu legen, das fände ich etwas gruusig. Ich merke: Bei den herkömmlichen Detaillisten geht das mit dem Plastikverzicht nur schwer. Kaum ein Produkt ist nicht eingeschweisst oder kommt ohne Verpackung aus, mindestens der Deckel ist aus Plastik, oft aber mehr.
Ich muss ausweichen: auf den Wochenmarkt oder Unverpacktläden. Das ist durchaus machbar, aber halt etwas zeitintensiver. Zumindest zu Beginn, bis man sich neue Routinen angewöhnt hat. Immerhin habe ich Glück: Ich wohne in Zürich, einer Stadt, in der die Dichte an Wochenmärkten und Bio-Läden verhältnismässig hoch ist.
Das alles geht zudem ganz schön ins Geld: Die Bio-Ware in den kleinen Läden kostet ganz schön viel. Sechs Franken für ein kleines Brot sind keine Ausnahme. Der Einkauf auf dem Wochenmarkt ist auch nicht gerade günstig. Das muss man sich überhaupt leisten können.
Neben dem Einkaufen sind die Alltags-Gewohnheiten mein grösster Stolperstein: Ich muss aufpassen, dass ich nicht doch noch schnell eine Flasche Mineralwasser aus dem Bürokühlschrank hole oder mir nach dem Training noch schnell was zu Trinken kaufe. Mehrmals tappe ich beinahe in die Falle. Die Macht der Gewohnheit – sie ist stark. Irgendwie habe ich es mir angewöhnt, solchen Impulsen einfach nachzugeben. Ohne nachzudenken, ob das jetzt unbedingt sein muss. Bis man sich umgestellt hat, muss man sich tatsächlich stark auf das Vorhaben konzentrieren. Aber das war ja mit ein Grund für das Experiment.
Fast alles steckt in Plastik. Das habe ich mir zwar schon vor der Woche gedacht, aber wie extrem es tatsächlich ist, realisiere ich erst jetzt. Als Anfängerin merke ich: Leben ohne Plastik ist aufwendig. Und schränkt ein. Man kann sich nicht einfach das Produkt aus dem Regal greifen, das man am liebsten will. Sondern muss erst mal darauf achten, wie es verpackt ist.
Bei Äpfeln kann ich das locker, weil mir, ehrlich gesagt, egal ist, welche Sorte ich mit nach Hause nehme. Wenn es aber etwa um meine Gesichtscrème oder ein Shampoo geht, bin ich wählerisch – da haben die Qualität des Produkts und die Inhaltsstoffe Priorität.
Und dennoch: Mit etwas Einsatz, Kreativität und auch ein wenig Flexibilität lässt sich viel Plastikmüll im Alltag vermeiden. Es muss ja gar nicht das Ziel sein, ganz bei Null zu landen. Eine Reduktion ist schon mal ein guter Anfang.
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