Zwanghafte StörungWenn die Sucht nach Pornos zur Krankheit wird
dpa
20.5.2019
Schätzungen zufolge leben rund 300'000 Sex- und Pornosüchtige in der Schweiz. Ein Betroffener erzählt, dass die Folgen teils gravierend sind – auch für die Partner. Bald allerdings könnte zumindest die Diagnose leichter fallen.
Immer mal wieder morgens ist Max Schmidt froh, ein «normaler Mann» zu sein. So nennt er es, wenn er mit einer Erektion aufwacht. «Seit Ewigkeiten habe ich wieder eine Morgenlatte», sagt Schmidt. «Ich werde geil, wenn ich neben meiner Frau liege.»
Für den Münchner Mitte 40 ist das ein Erfolg. Denn jahrelang hat Schmidt seine Lust vor allem mit Pornos gestillt, sich beim Zuschauen befriedigt. Die Filme waren einfach zu haben, unkompliziert und reizvoll. Mit der Zeit wurden sie zur Sucht.
Sie (zer)störten sein Sexualleben und seine Beziehung. Heute muss er seine Ehe retten. «Ich habe mir damit lange mein Leben versaut», sagt er. In Wahrheit heisst Schmidt anders. Doch er will aufklären: Tausende andere, denen es so oder so ähnlich geht wie ihm.
Betroffene sind vorwiegend männlich
«Das ist für mich das gleiche, wie wenn man Alkohol oder Nikotin
verfällt», sagt Schmidt. «Aber ich habe die Folgen nicht erkannt.»
Bei Alkohol und Zigaretten denke man sofort an die Gesundheit, bei
Spielsucht ans Geld, sagt er. «Aber an was denkt man bei Pornosucht?»
Heute sind er und seine Frau zur Paar- und Sexualtherapie bei der
ärztlichen Psychotherapeutin
Heike Melzer. «Es gibt Schätzungen von
einer halben Million Sex- und Pornosüchtigen in Deutschland», sagt
sie. Neun von zehn seien Männer. «Hinzu kommt eine ähnlich hohe
Anzahl indirekt betroffener Partner und Familienangehöriger.»
Für sie könnte sich bald etwas Entscheidendes ändern: Die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) will Ende Mai die sogenannte
internationale Klassifikation von Erkrankungen (ICD-11)
verabschieden, in der sogenannte zwanghafte sexuelle Störungen als
Impulskontrollstörung aufgenommen sind.
Der Alltag wird beeinträchtigt
«Für die Betroffenen ist es dann einfacher, Therapeuten zu finden», erklärt Melzer. Und es sei einfacher, das Thema wissenschaftlich zu erforschen. Zu zwanghaftem Sexualverhalten können Experten zufolge unter anderem übermässiger Pornokonsum und Telefonsex zählen.
Die Diagnose ist nach Definition der WHO dann angebracht, wenn Betroffene intensive, wiederkehrende Sexualimpulse über mindestens sechs Monate nicht kontrollieren können und dies ihr Familien- oder Arbeitsleben oder das Sozialverhalten beeinträchtigt.
Eine moralische Missbilligung des Verhaltens allein reiche für die Einstufung nicht aus, betont die WHO in ihrer Definition explizit.
Das Sexleben in der Parterschaft leidet
Angefangen hat es bei Schmidt früh: Immer schon habe er Probleme beim
Sex gehabt, erzählt er. Doch eine Vorhautverengung sei erst recht
spät erkannt worden, da war er schon erwachsen. In seiner ersten Ehe
habe er immer öfter Pornos geschaut, je länger die Beziehung dauerte.
Nachdem diese in die Brüche gegangen war und er wieder geheiratet
hatte, sprach er das Thema mit seiner zweiten Frau offen an. «Es hat
sie anfangs nicht gestört, dass ich Pornos gucke», sagt Schmidt.
«Aber sie wusste nicht, wie sich das auswirkt.»
Die Folgen beschreibt er mit drastischen Worten: «Ich habe Pornos
geguckt und meine Frau links liegengelassen», sagt er. Und: «Nach 15
Jahren kann ich mich nun wieder selbstbefriedigen ohne Pornos.» Er
brauchte Pornos, um erregt zu werden.
Pornos vermitteln ein falsches Bild
«Statt neue Sachen mit meiner Frau auszuprobieren, habe ich im Netz geschaut.» Das führte auch zu unguten Vergleichen, weiss Schmidt heute: «Männer in Pornos sind besser bestückt, Frauen haben geilere Figuren.»
Wachgerüttelt habe ihn seine Frau Anfang des Jahres, als sie ihm
sagte: «Ich liebe dich nur noch als Freund, aber nicht mehr als
Mann.» Dass habe ihn so geschockt, dass er mit den Pornos aufhörte.
Heute sagt Schmidt: «Ich habe eigentlich ein Schweineglück gehabt.
Welche Frau macht das mit, wenn man sie für Jahre nicht anfasst.»
Süchtig nach Drogen, Alkohol, Sex: Diese Stars schafften den Absprung
Süchtig nach Drogen, Alkohol, Sex: Diese Stars schafften den Entzug
Erfolgsdruck, falsche Freunde und dazu Geld und Gelegenheiten ohne Ende: Als Star ist die Gefahr, in die Sucht abzurutschen, gross. Da wieder herauszukommen, ist nicht leicht. Prominente, die es geschafft haben, finden Sie in der Bildergalerie.
Bild: Ian Gavan/Getty Images
Ein Paradebeispiel ist «Iron Man» Robert Downey jr. Schon sein Vater, ein Regisseur und Drehbuchautor, war abhängig und setzte den Sohn früh den Verlockungen des Drogenkonsums aus. In den 90er-Jahren stürzte Downey jr. richtig ab, nach mehreren Entziehungskuren wurde er trotzdem immer wieder rückfällig. Erst als er seine heutige Frau Susan kennenlernte, riss er das Ruder herum: Der 53-Jährige ist seit 2003 clean, lebt extrem gesund und praktiziert Kung-Fu und Yoga.
Bild: Gareth Cattermole/Getty Images
Auch Ben Affleck («Gone Girl») kämpft schon seit Jahrzehnten gegen einen Dämon: den Alkohol. 2001 checkte der damals 29-Jährige in die «Promises»-Klinik in Malibu ein, in der sich auch Charlie Sheen einst behandeln liess. Ihm verdankt Affleck nach eigener Aussage den damaligen Absprung. Leider musste Affleck 2017 eingestehen, dass er nach wie vor ein Alkoholproblem hat. Aktuell macht er seinen dritten Entzug.
Bild: Stuart C. Wilson/Getty Images
Mit der «Halloween»-Reihe avancierte Jamie Lee Curtis zur Horrorfilm-Königin. Leider war ihr lange Zeit auch privat zum Schreien zumute: Curtis wurde nach einer Schönheits-OP abhängig von Schmerzmitteln. Einsamkeit und Selbstzweifel führten ausserdem zu einer Alkoholsucht. Beides bekam die Schauspielerin vor 18 Jahren in den Griff. «Dass ich wieder gesund werden konnte, war die grösste Leistung meines Lebens», verkündete sie stolz.
Bild: 2015 Fox and its related entities
Country-Superstar Keith Urban (50) bezaubert seine Fans. Doch privat kämpfte er lange mit seiner Drogen- und Alkoholabhängigkeit. 1992 nahm er erstmals Koks, danach ging es bergab. «Die späten 90er waren einfach nur schrecklich für mich», erinnert er sich. 2005 traf er Nicole Kidman, heiratete sie ein Jahr später – und wurde von seiner Traumfrau zum Entzug verdonnert. Mit Erfolg: Urban ist clean und nennt Kidman seine Retterin.
Bild: Andreas Rentz/Getty Images
Lange Zeit galt «Mad Max»-Star Mel Gibson (62) als braver Familienvater, doch unter der heilen Oberfläche brodelte es. Das Alkoholproblem des Australiers begann schon, als er noch ein Teenager war. 2006 geriet er mit antisemitischen Äusserungen in die Schlagzeilen, 2010 beleidigte er seine damalige Freundin rassistisch. In Hollywood galt Gibson bald als Persona non grata. Jetzt ist der Star trocken und rehabilitierte seinen Ruf mit Filmen wie «Hacksaw Ridge – Die Entscheidung».
Bild: John Phillips/Getty Images
Dass hinter der schillernden Fassade von Elton John ein verletzlicher und unsicherer Mensch steckte, wussten die wenigsten. In den 70er- und 80er-Jahren litt der Sänger und Songwriter unter Bulimie, konsumierte massenhaft Drogen und Alkohol. 1990 konnte er sich endlich eingestehen, dass er Hilfe brauchte. John wurde clean und ist es bis heute, was der 71-Jährige nach eigenen Worten auch seinem Ehemann David Furnish verdankt.
Bild: Jonathan Leibson/Getty Images for Celebrity Fight Night
«Als Künstler sollst du stark genug sein, um die übelste Kritik auszuhalten», erklärte Kirsten Dunst (36) in einem Interview. Gleichzeitig werde erwartet, dass man sensibel genug sei, um eine Rolle gut zu spielen. Ein Spagat, den der einstige Kinderstar 2008 nicht mehr schaffte. Dunst liess sich wegen Depressionen behandeln, auch von Drogen und Alkohol war die Rede. Heute ist sie gesund, glücklich verheiratet und seit Mai 2018 stolze Mutter eines Sohnes.
Bild: Ian Gavan/Getty Images
Auch Guns-N'-Roses-Gitarrist Slash (53) frönte lange dem Musiker-Credo «Sex, Drugs & Rock 'n' Roll». «Ich war mir der Situation bewusst und dachte, ich hätte sie unter Kontrolle», gestand er einst. Dann starb er vor 18 Jahren fast an einer Alkoholvergiftung, zeitgleich stellten die Ärzte einen Herzfehler fest. Sie gaben ihm noch sechs Wochen zu leben. Doch Slash kämpfte – für sich und seine Kinder, die er nicht im Stich lassen wollte. Mit Erfolg: Er ist noch immer clean.
Bild: MJ Kim/Getty Images
Der Leidensweg von Musik-Legende Eric Clapton (73) ist lang. Schon in den 60er-Jahren gab er pro Woche 16'000 Dollar für Drogen und Alkohol aus, 1970 wurde er heroinabhängig. 1972 kippte er während eines Konzerts in Bangladesch einfach auf der Bühne um. Der Entzug in den späten 80ern war hart für den Gitarristen, er hatte das Gefühl, ohne Drogen nicht kreativ genug zu sein. Doch er schaffte es und legte mit dem Album «Journeyman» 1989 ein grossartiges Comeback hin.
Bild: Chris Jackson/Getty Images
«Arthur»-Darsteller Russell Brand ist bekannt für seinen ziemlich gemeinen Sinn für Humor. Nicht lustig war dagegen Brands jahrelange Abhängigkeit von Heroin. Die Drogen liess der heute 43-Jährige erfolgreich hinter sich – nur, um anschliessend in die Sex-Sucht abzudriften. Die Wende kam, nachdem Brand gute Freunde vergrault und diverse Beziehungen in den Sand gesetzt hatte. Heute meditiert der Ex von Katy Perry lieber, als Party zu machen.
Bild: Gareth Cattermole/Getty Images
Winona Ryder (46) war in den 90ern das Sinnbild des sensiblen Grunge-Girls, ihre Beziehung zu Johnny Depp hielt Presse und Fans in Atem. Doch Ryder entwickelte eine Medikamenten-Abhängigkeit. 2001 wurde sie beim Ladendiebstahl erwischt. Der Richter verdonnerte sie zum Entzug und zu Sozialstunden, Ryder verschwand von der Bildfläche und tankte neue Kraft im Kreise ihrer Familie. 2016 gelang ihr ein viel beachtetes Comeback in der Serie «Stranger Things».
Bild: Gareth Cattermole/Getty Images
Rap-Ikone Eminem («8 Mile») wurde Mitte der 2000er abhängig von Schmerzmitteln. Die Medikamente verursachten Magenschmerzen, also ass der Künstler, um den Effekt abzumildern. Übergewichtig und körperlich am Ende, ging er 2007 erstmals in den Entzug. Nach einer Weile klappte die Therapie und Eminem entdeckte den Sport für sich. «Heute werde ich nur noch high durch Endorphine», versichert er.
Bild: Ian Gavan/Getty Images for MTV
Dass Hollywood-Star Samuel L. Jackson (69) auch ein gefragter Bühnendarsteller war, wissen nicht viele. Leider begann Jackson schon damals, LSD zu nehmen. Der Schritt zu härteren Drogen wie Crack war kein grosser. Einmal fand ihn seine damals achtjährige Tochter bewusstlos auf dem Küchenboden. Erst in den frühen 90ern kam die Wende, seither ist Jackson clean – und kann laut eigener Aussage sein schauspielerisches Potenzial endlich voll ausschöpfen.
Bild: Stuart C. Wilson/Getty Images
Die Rolle des Zauberschülers Harry Potter machte ihn weltberühmt, doch Daniel Radcliffe (29) fing schon während der Dreharbeiten an zu trinken. Immer wieder gab es Gerüchte, dass der Brite alkoholabhängig sei. Radcliffe gestand: «Wenn ich betrunken bin, verändere ich mich.» Darauf hatte der Schauspieler irgendwann keine Lust mehr: Er wurde 2013 clean und hält sich seither vorbildlich an alkoholfreie Getränke.
Bild: Andreas Rentz/Getty Images for Tommy Hilfiger
Sie trank und rauchte erstmals mit neun Jahren, nahm mit zwölf Kokain und musste mit 13 zum ersten Mal in die Entzugsklinik: Drew Barrymore («Drei Engel für Charlie») hat viel durchgemacht, unter anderem einen Selbstmordversuch, als sie 14 war. Inzwischen ist die 43-Jährige drogenfrei und hält eisern durch, vor allem ihren beiden Kindern zuliebe.
Bild: Carlos Alvarez/Getty Images
Depeche-Mode-Frontmann Dave Gahan war Mitte der 90er abhängig von Heroin und anderen Drogen, unternahm einen Selbstmordversuch und wurde trotz Therapien immer wieder rückfällig. Im Mai 1996 war er nach einer Überdosis zwei Minuten lang klinisch tot, die Ärzte konnten ihn gerade noch retten. Es folgte eine vom Gericht verordnete Therapie, die fruchtete. Bis heute ist Gahan ein Musterknabe.
Bild: Luca Teuchmann/Getty Images
Popstar Robbie Williams spricht immer offen über seine Sucht, mit der er schon zu Take-That-Zeiten kämpfte. Heroin, LSD, Kokain, Amphetamine, Schmerzmittel: Williams nahm alles. 2007 kam der Zusammenbruch, der Brite musste im Alter von 33 Jahren von vorne beginnen. Er schaffte den Absprung und führt heute ein beschauliches Leben mit seiner Frau Ayda Field und den gemeinsamen Kindern.
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