Zürcher Influencerin«Das Virus zeigt, wer ehrlich kommuniziert – und wer zum eigenen Vorteil»
Von Monika Rufener
1.4.2021
Schrumpfende Werbebudgets, abgesagte Pressereisen, Trainerhosen statt Outfit of the Day – Corona als Sargnagel für Influencer? Studien zeigen: Das Gegenteil ist der Fall. Dies bestätigt auch die Zürcher Influencerin Jesca Li.
Von Monika Rufener
01.04.2021, 12:04
01.04.2021, 13:37
Monika Rufener
Influencer zelebrieren die schönen Sachen des Lebens: von den hipsten Restaurants zu den exklusivsten Reisedestinationen, das Savoir vivre, das ist ihr Job. Die Pandemie machte die Inszenierung dieses Lifestyles unmöglich, und trotzdem hat das Influencer-Marketing seither einen regelrechten Boom erlebt.
Wie etwa die Studie im Auftrag von HypeAuditor zeigt, haben 50 Prozent der Unternehmen im Krisen-Jahr 2020 mehr Budget für Influencer-Marketing bereitgestellt. Vor allem sogenannte Micro-Influencer – in der Schweiz bei einer Reichweite zwischen 1000 und 5000 Followern – konnten gemäss der Studie besonders profitieren.
Nähe schaffen trotz Social Distancing
Auch die Schweizer Influencerin Jesca Li zieht nach einem Jahr Corona eine insgesamt positive Bilanz. Obwohl der erste Lockdown im März 2020 nicht ganz einfach war: «Ich hatte keine Lust mehr auf belanglose Posts», so die Zürcherin, die mit ihren rund 3'500 Followern zu den Micro-Influencerinnen zählt.
Statt auf ihre Steckenpferde Lifestyle, Beauty und Mode zu setzen, stellte die 37-Jährige auf ihrem Kanal lokale Lieferservices vor und versorgte ihre Community mit Ideen, was man trotz Lockdown so anstellen kann – mit Erfolg. Ihre Follower dankten es ihr mit bedeutend mehr Engagement auf ihre Posts. «Während Corona ist es noch wichtiger, kein Influencer-Scheinleben zu führen, sondern noch näher bei den Leuten zu sein. Die Menschen wollen Realität.»
Doch wie stand es um die bezahlten Kollaborationen? Schon vor dem ersten Lockdown seien die meisten Pressereisen und Events abgesagt worden, so Jesca Li. Viele Firmen seien jedoch sehr schnell mit neuen, der Corona-Situation angepassten Kollaborationen auf sie zugekommen.
Während des Lockdowns wurde kurzerhand die eigene Wohnung zum Fotostudio:
Diese Entwicklung belegt auch die oben genannte Studie. «In diesem Jahr konnten wir miterleben, wie Unternehmen auf der ganzen Welt ihre Werbebudgets gekürzt und sich ganz auf das Kerngeschäft fokussiert haben», sagt HypeAuditor-CEO Alexander Frolov in einer Mitteilung. «Das Influencer-Marketing hat sich diesem Trend jedoch widersetzt. Für Marken ist es auch in Zeiten des sozialen Abstands ein guter Weg, persönliche Beziehungen zu den Konsumenten aufzubauen.»
Zwischen Vorbildsfunktion und Kommerz
Auch für Jesca Li ist die persönliche Beziehung zu ihren Followern während der Corona-Pandemie besonders wichtig: «Ich möchte eine möglichst positive Message verbreiten und die Leute motivieren. Das Leben geht weiter, diese Krise kann auch eine Chance sein.» Die 37-Jährige sieht sich auch in einer Vorbildfunktion als Social-Media-Personality.
So war Jesca Li auch eine der ersten Influencerinnen der Schweiz, die beim ersten Lockdown – als notabene noch keine Maskenpflicht herrschte – Bilder von sich mit Maske postete. «Ich war zuvor mehrmals in Südkorea und war daher das Maskentragen schon gewohnt.» Damit zu posieren fand sie zu Beginn dennoch etwas gewöhnungsbedürftig.
Umso mehr ärgert sich die Zürcherin über die Berufskolleginnen und Berufskollegen, die sich scheinbar wenig um die Corona-Restriktionen kümmern und sich auf nicht Covid-konforme Kollaborationen einlassen. Aktueller Trend: Luxusferien in Dubai. «Ich finde das ehrlich gesagt nicht wirklich angebracht», so die Zürcherin.
Für Jesca Li ist klar, dass die Corona-Zeit gezeigt hat, wer aufrichtig und ehrlich kommuniziert – und wer zum eigenen Vorteil. «Während man selbst am Durchdrehen ist, möchte man nicht anderen zuschauen, wie sie ein Highlife führen. Das ist einfach verantwortungslos und unsympathisch.»
In einer Umfrage der Marketing-Plattform HashtagLove.de gab rund die Hälfte der befragten Influencer an, seit Corona ihre Kooperationen «gewählter» auszusuchen.