Rituale zum JahreswechselSchräge Silvester-Bräuche aus aller Welt
Von Sulamith Ehrensperger
31.12.2020
Vom Stuhl springen, Mohnsamen in den Schuh legen oder mit leerem Koffer spazieren gehen: Es gibt viele ausgefallene Bräuche zum Jahreswechsel. Alle haben aber eines gemeinsam: Glück sollen sie bringen.
Dänemark: Vom Stuhl ins neue Jahr springen
Der Silvesterkuchen Kransekage, die Ansprache der Königin und ein Stuhl gehören in Dänemark zu Silvester einfach dazu. Erst nach den royalen Worten gibt es das traditionelle Silvesteressen: Stockfisch oder Dorsch. Dazu wird Aquavit gereicht – was zu Deutsch «Wasser des Lebens» bedeutet – ein Branntwein, der mit Kümmel aromatisiert ist. Wer jedoch zu viel davon trinkt, dürfte später ein Problem haben: Um Punkt Mitternacht ist es üblich, von einem Stuhl oder Sofa ins neue Jahr zu hüpfen. Das soll nämlich Glück bringen.
Kolumbien: Mit leerem Koffer um den Block
In Kolumbien ist es keine Seltenheit zu Silvester, Leuten mit einem Koffer zu begegnen. Denn es ist Brauch, um Mitternacht mit einem leeren Koffer einmal um den Block zu laufen. Dies bringt nicht nur Glück, sondern soll auch bedeuten, dass man im kommenden Jahr viele Reisen unternimmt. Am Corona-Silvester dürften es wahrscheinlich einige mehr sein als üblich.
Russland: Asche im Champagnerglas
In Russland bekommt man nicht genug von den Festtagen und feiert gleich am 14. Januar noch einmal Neujahr – nach dem julianischen Kalender. Die Russen nehmen ihre Neujahrswünsche offenbar ernst: Vor Mitternacht schreiben sie ihren Wunsch fürs neue Jahr auf einen Zettel und zünden diesen an. Die Asche des verbrannten Papiers wird dann in ein Glas Champagner gegeben und – prosit Neujahr! – getrunken.
Schottland: Wer kommt durch die Tür?
«Hogmanay» – die Silvesternacht – ist einer der wichtigsten schottischen Feiertage im Jahr mit ein paar klassischen Ritualen.
Quelle: Youtube
Ein beliebtes schottisches Silvesterritual ist das sogenannte «First Footing». Es ist eine alte Tradition, dass die erste Person, die über die hauseigene Türschwelle tritt, über das Glück im neuen Jahr entscheidet. Je schneller der Besucher ist, desto mehr Glück bringt er mit. Für diesen wichtigen Schritt haben echte Schotten natürlich Shortbread und eine Flasche Whiskey dabei. Klopft übrigens ein Mann an die Tür einer alleinstehenden Frau, soll dies mehr als nur Glück in der Liebe bringen.
Japan: Lebensgefährliche Glückskuchen
Neujahr (Oshôgatsu) ist das grösste Fest im japanischen Kalender und wird zu Ehren der Natur und der Ahnen begangen. Es steht aber auch für besondere Speisen, etwa die Mochi, süssliche Kugeln aus sehr stärkehaltigem Reis. Sie sollen Glück und ein langes Leben bescheren - und sie machen jedes Jahr Schlagzeilen. Wegen den Reiskuchen müssen immer wieder Menschen ins Spital, weil ihnen die klebrigen Kugeln im Hals stecken bleiben. Die Presse erwähnt gern jene Frau, die ihrem zu ersticken drohenden Vater ein Mochi mit dem Staubsauger aus dem Hals sog und ihm so das Leben rettete. Die japanischen Behörden warnen daher jedes Jahr vor den Gefahren des Mochi-Genusses und erinnern an die Notfallmassnahme: fünf Schläge zwischen die Schulterblätter.
Polen: Mohnsamen im Schuh
Polnische Single-Frauen, die auf der Suche nach einem Mann sind, sollen sich zum Jahreswechsel Mohnsamen in einen Schuh streuen. Je mehr, desto besser: Denn die Anzahl der Samenkörner steht für die Zahl der künftigen Verehrer. Vielleicht haben Damen, die auf grossem Fuss leben, mehr Glück?
Am 31. Dezember darf übrigens auf keinen Fall die Wohnung geputzt werden. Mit Putzen verscheuche man das Glück, so heisst es. Dieses erwartet man für Mitternacht: Mit dem Öffnen aller Türen und Fenster sollen die guten Geister ins Haus gelassen werden.
Raumstation ISS: 15 Mal ins neue Jahr schweben
Wer Silvester auf rund 400 Kilometer über der Erde erlebt, kann tatsächlich was erleben. Die Internationale Raumstation ISS umrundet alle eineinhalb Stunden die Erde, das bedeutet: die Besatzung kann an Silvester gleich 15 Mal ins neue Jahr rutschen. Auf Champagner muss die Crew allerdings verzichten: Alkohol ist an Bord verboten.
USA: Wenn es gute Wünsche regnet
Kaum eine Silvesterparty wird so frenetisch gefeiert wie die an der wohl berühmtesten Kreuzung der Welt: dem Times Square in New York. Doch wird sie dieses Jahr ein wenig anders aussehen als sonst: Die Party soll wegen Corona virtuell stattfinden.
So auch die berühmte «New Year’s Eve Wishing Wall». An dieser Wand halten Menschen aus der ganzen Welt ihre persönlichen Wünsche fest. Auch von zu Hause aus kann man online an diesem Brauch teilnehmen. Sie werden gemeinsam mit den Wunschzetteln der Wishing Wall am Silvesterabend eingesammelt und regnen um Punkt Mitternacht zusammen mit dem Konfetti über dem Times Square nieder.